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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Mitteilungen des Deutschen Werkbundes
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0194

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MITTEILUNGEN DES DEUTSCHEN WERK BUNDES

vornherein betont worden, daß diese Ausstellung als ein
Anfang betrachtet werden wollte, wenn damit auch kein
übertriebener Anspruch auf Nachsicht in der Beurteilung
erhoben werden sollte.
Im großen ganzen hat die Stuttgarter Vorschau gehalten,
was man sich von ihr versprach. Sie gab einen Überblick
über Bestand und Verhältnisse der vorhandenen Kräfte,
sie ließ neue Persönlichkeiten und neue Möglichkeiten
ans Licht gelangen, sie schuf Klarheit über die Grund-
lagen weiterer Werkbundarbeit. Und sie zeigte nach außen,
daß der Qualitätsgedanke, in welchem alle Werkbund-
arbeit gipfelt, nicht mit einem bestimmten „Stil“ verkup-
pelt ist, daß der Werkbund vielmehr bestrebt ist, bei frei-
em Spiel der Kräfte solchen Grundlage Verhältnissen zuzu-
arbeiten, welche die Qualitätsarbeit möglich machen.
Allen guten Kräften zur Betätigung zu verhelfen und
die Wege dieser Betätigung nach sachlichen Bedingungen
zum guten Zweck zu lenken, das ist Werkbundwille. Daß
dieser Wille nicht wie ein Exerzierbefehl auszuführen ist,
sondern sich im Hin und Wider der lebendigen Entwick-
lung bewähren muß, liegt auf der Hand. Wenn der
württembergische Werkbund sich z. B. eines fruchtbaren
Verhältnisses zu allen jungen, aufstrebenden Kräften des
Landes erfreut, so beruht dieses Verhältnis nicht allein
darauf, daß diese Jungen mit frischer Kraft und Begeiste-
rung dem allgemeinen Ziel künstlerischer Höhe nachstre-
ben, das im Blickpunkt der Werkbundgesinnung steht;
vielmehr muß der Werkbund seinerseits sich auch darauf
einzustellen wissen, daß den Weg zur lauteren Formel oft
das Experiment bildet, und daß manches Experiment
schließlich Experiment bleiben muß — was den Entwick-
lungswert nicht zu vermindern braucht. Über solche Ein-
schränkungen hinaus hat aber die Vorschau bewiesen, daß
die Zusammenarbeit mit den Aufstrebenden einen besten
Teil der Werkbundmethode bildet.
Als Werkbundziele stellten sich klar heraus:
schaffenden Künstlern der verschiedensten Gebiete För-
derung, Anregung und Zusammenhalt zu vermitteln;
die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Fabrikan-
ten zu vermitteln und so zur Herstellung geschmackvoller
und fabrikationsgerechter Fabrikationsformen anzuregen;
die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Hand-
werkern zu fördern, die sich in geschmacklichen Dingen
auf ein zuverlässiges Urteil zu stützen wünschen.
Es möge gestattet sein, diese allgemeinen Aufstellungen
durch einiges Einzelne zu belegen. Die „Raumstudie“ von
Richard Docker mit Malereien von Willi Baumeister bil-
dete eine doppelte Bestätigung. Erstens ist es hier gelun-
gen, zwei junge Kräfte im Rahmen der Werkbundarbeit
zu künstlerisch wertvollstem Schaffen zu veranlassen, und
zweitens ist hier ein Vorbild des Zusammenwirkens von
Architektur und Malerei gegeben.
Von den einzeln und selbständig schaffenden Künstlern
traten besonders hervor: Wilhelm Fehrle-Gmünd mit
Verantwortlich für den Inhalt: Otto B

einer plastisch geschmückten Metallkassette von streng
handwerklicher Haltung, Emma Schempp-Gmünd und
Paula Strauß-Stuttgart mit Goldschmiedearbeiten, Hedwig
Sellenbinder mit Plastiken, Frid. Baur-Stuttgart mit einem
stark diskutierten Kriegerdenkmal, Viktoria Regener mit
Webereien und Dorkas Härlin-Stuttgart mit einer Reihe
keramischer Erzeugnisse, die eine höchst individuelle Hal-
tung mit formaler Unerbittlichkeit vereinigen.
Daß die Anläufe zu einer vorbildlichen Zusammen-
arbeit zwischen Künstler und Fabrikant teilweise weit
gediehen sind, bedeutet und verspricht viel gerade
in Württemberg, wo sich die Verarbeitungsindustrie be-
sonders stark entwickelt hat. Hier seien genannt P. Bruck-
mann & Söhne, Heilbronn, auf dem Gebiete der Silber-
warenindustrie, und die Firma Robert Bosch A.-G., Stutt-
gart als Pflegerin klarer, technischer Formen, ferner die
Schwäbischen Hüttenwerke G. in. b. H., Wasseralfingen,
die nach Entwürfen von Wilhelm Fehrle, Camill Gräser,
Wilhelm Jost, Martin Seitz, Plock und Weitbrecht edelste
Erzeugnisse des Kunsteisengusses darbieten. Vonden und
Müller zeigten gute Lederfabrikate nach Entwürfen von
Max Körner, und ein Reklameaufbau in der graphischen
Abteilung zeigte den vielgewandten Ausstellungsarchitekten
August Trueb in erfreulichem Zusammenwirken mit den
Vereinigten Seifenfabriken Stuttgart-Untertürkheim. Dem
Wirken vonProf.Schneidler-Stuttgart verdankt die Deutsche
Verlagsanstalt den Aufschwung ihres Ausstattungswesens.
Die graphische Ausstellung zeigte des weitern eine An-
zahl hervorragender Drucke aus der Kunstgewerbeschule
Stuttgart, die unter dem Einfluß von Prof. Schneidler ent-
standen sind und im graphischen Handwerksbetrieb vor-
bildlich wirken. Der Buchbinder Gustav Fröhlich-Stutt-
gart zeigte Treffliches nach eigenen Entwürfen und nach
solchen von Herre, Körner und Sigrist. Der Spitzenraum
des Frauenbundes zur Förderung der Spitzenindustrie in
Württemberg bildete einen kleinen Triumph für sich,
hinter dem breites Wirtschaftsleben atmet! Fast das breiteste
Feld aber nahm die Zusammenarbeit zwischen Architek-
ten wie Docker, Oskar Pfennig, Camill Gräser, Gerhard
Planck und den verschiedenen Handwerkern ein, die man-
che Idee feinsinniger Innenarchitektonik in werkbestän-
dige Tat umsetzten. Sehr schön bewährte sich die Kunst-
schmiedearbeit von August Fromm-Schwenningen nach
Entwürfen von Martin Elsäßer-Köln.
Eine Mittelstellung zwischen Industrie und Handwerk
nehmen wohl die ständig zunehmendenWerkstättenbetriebe
ein. Mögen gute Vorsätze und vortreffliche Ansätze hier
recht bald durch ausgedehnte Leistungen bestätigt werden!
Als eine Mischung aus Versprechen und Erfüllung, aus
Ringen und Erfolg ist diese Vorschau an uns vorüberge-
gangen. Sie hat geklärt, gesichtet, hat ihre eigene Berech-
tigung und Notwendigkeit erwiesen und, was zum Wichtig-
sten gehört, dieForderung künftiger Veranstaltungen ähnli-
cher Art in Stuttgart eindringlich laut werden lassen. E. R.
a u r, Berlin W. 55, Schöneberger Ufer 56a

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