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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Mitteilungen des Reichskunstwarts
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0195

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MITTEILUNGEN
DES REICHS KUNST WAR TS
BEIBLATT DER „FORM“, MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
Nr. 3 BERLIN NW 40, REICHSMINISTERIUM DES INNERN 1922

DIE NEUE REICHSMÜNZE
von Reichskunstwart Dr. Edwin Redslob

Im Sommer 1922 werden im Deutschen Reich neue
Stücke Hartgeld im Werte von 5 Pfennig bis 5 Mark zur
Ausgabe gelangen. Ganz abgesehen von den Verhandlungen
finanztechnischer Art, welche die Neubeschaffung von
Hartgeld bis zur Höhe von 5 Mark unter Aufgabe der
Silberwährung ermöglicht haben, hatte auch die künst-
lerische Gestaltung mancherlei Schwierigkeiten zu über-
winden, die vor allem die Form des Adlers betrafen.
Gefordert wurde vom Standpunkt der Verwaltungsbe-
hörden aus, daß der Adler für Geldstücke dem für Stem-
pel und Siegel einigermaßen entspräche. Vom technischen
Standpunkt aus mußte verlangt werden, daß die Relief-
gestaltung der Münze in möglichst gleichmäßiger Vertei-
lung die Grundfläche bedeckt. Große zusammenhängende
Grundflächen sollten vermieden werden, da sie bei der
Herstellung dem Prägestempel erheblichen Widerstand
bieten und unerwünschten Stempelverbrauch, Zeitverlust
und Rückgang in der Produktion zur Folge haben.
Der Reichskunstwart hatte es bei der Gebundenheit
der Aufgabe für empfehlenswert gehalten, den Versuch
zur Lösung in direkter Zusammenarbeit mit höchstens
drei Künstlern zu unternehmen. Da aber das Reichsfinanz-
ministerium die Mittel zu einem beschränkten Wettbe-
werb unter zwölf Künstlern bereit stellte, erschien es nütz-
lich, zunächst einmal die innerhalb eines solchen Wett-
bewerbes zustande kommenden Vorschläge abzuwarten,
um dann auf Grund des am besten geeignet erscheinen-
den Entwurfes die endgültige Lösung zu gewinnen.
Es genügt, an dieser Stelle von dem Ergebnis des Wett-
bewerbs mitzuteilen, daß die Entwürfe von Prof. Josef
Wackerle, München dem Preisgericht am geeignetsten
erschienen. Piof. Wackerle hat sich dann in enger per-
sönlicher Zusammenarbeit mit dem Reichskunstwart der
mühevollen Arbeit unterzogen, seinen Adler entsprechend
den gestellten Bedingungen in Zusammenarbeit mit der
Staatl. Münze von Berlin, insbesondere mit deren Medail-
leur Kullrich vorzunehmen.
Das Ergebnis dürfte als durchaus günstig angesehen
werden. Gegenüber dem Stempeladler hielt Wackerle an
den im ersten Entwurf von ihm bereits klar aufgestellten,
besonderen Gesichtspunkten eines Münzadlers unbedingt

fest. Ein Stempeladler wird am besten wirken, wenn seine
Linien radial gehen, sodaß der nie zu vermeidende schiefe
Abdruck nicht störend wirkt. Der Münzadler aber braucht
ein klares Oben und Unten, ein Rechts und ein Links.
Besonders bei der ursprünglich vorgesehenen Verwendung
von Buchstaben für die Kennzeichnung der Währung auf
der Rückseite, die beim 5 Markstück beibehalten wurde,
zeigt sich ein geschlossenes Zusammengehen von Vorder-und
Rückseite und ein kraftvoller Ausgleich zwischen aufstei-
genden und quergezogenen Linien. Die Münze (Abb. 8 u. 9)
ist wirklich „aus einem Guß“, und der Adler ist durchaus
plastisch empfunden. Im Gegensatz zu dem klaren graphi-
schen Charakter der Weech’schen Lösung, die alles auf
Linien und Umrisse stellt, hat Wackerle überraschend viel
Reliefwirkungaus seinem Adler herausgeholt. Das reichste
und wirkungsvollste Motiv ist die Gestaltung der Schwin-
gen, deren drei äußere, energisch erhobenen Federn von
der Seite her eine starke plastische Wirkung schaffen und
zugleich dem Ganzen eine an gotische Überwölbung er-
innernde Geschlossenheit geben. Auch die vielfache Ab-
stufung des Gefieders an Schwingen, Körper und Schwanz
verstärkt die Reliefwirkung. Trotz der geringen Model-
lierungsmöglichkeiten des heutigen Geldes, das in Rollen
zusammen gelegt werden muß, ist das Äußerste von Plastik
erreicht. Beachtet man das geglückte Zusammengehen der
klaren Schriftseite mit der Adlerseite, so wird man ver-
stehen, warum gerade dieser einprägsamen Lösung ge-
genüber anderen Vorschlägen der Vorzug gegeben werden
konnte.
Übrigens war auch die Auseinandersetzung mit dem
bisher vorliegenden Münzadler nicht leicht, denn der
Münzadler der 70 er und 80 er Jahre stellte im Gegensatz
zu dem Stempeladler der damaligen Zeit eine durchaus
reife Lösung vor. Durch Ordenskette und Herzschild hatte
er eine bestimmte Mitte, von der aus leicht die übrigen
Formen entwickelt werden konnten. Aber gerade darum
bleibt ein Vergleich dieses Adlers mit dem von Wackerle
außerordentlich lehrreich. Der bisherige Adler zeigt ein
Gewirr von einzelnen Linien und Formen, das sich durch-
aus nicht einprägt. Den Adler von Wackerle braucht man
nur einmal gesehen zu haben, man wird ihn nicht wieder

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