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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Bartning, Otto: Das evangelische Kirchenbauprogramm
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Geller, ...: Die großen Thorn-Prikker-Fenster in der Dreikönigenkirche zu Neuß a. Rh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0229

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DIE FORM / MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
Sakral, d. h. heilig nennen wir einen Raum*) wenn in ihm ein heiliger Vorgang nicht nur aus
praktischen Gründen des äußeren Schutzes, also mehr oder weniger zufällig sich vollzieht, sondern
wenn in ihm dieser heilige Vorgang besser, reiner und vollkommener gelingt und den Ort dauernd
erfüllt, sodaß der Aufenthalt an diesem Ort und seine bauliche Gestaltung, über die praktische Not-
wendigkeit hinaus, heilige Pflicht, das heißt ein Akt der religiösen Hingabe selbst und damit die
höchste Aufgabe der Baukunst und in ihr aller Künste wird.
So viel zur rein begrifflichen Klärung der Grundfrage: was ist die evangelische Kirche, was kann
und will sie sein. Die Frage kann nicht vom Baumeister allein, sie muß von der bauenden Gemeinde
durch eine klare Richtung des religiösen Willens und Gefühles beantwortet werden. Diese Antwort
ist dann die Bauaufgabe, innerhalb deren die Frage nach der Raumform und der Anordnung von Kan-
zel, Altar, Gestühl und Orgel getrost dem Schaffenden und Gestaltenden überlassen bleiben mag, sofern
er nur dem ganzen Inhalt der Aufgabe mit reiner Seele sich hingibt.
Die großen Thorn-Prikker-Fenster
in der Dreikönigenkirche zu Neuß a. Rh.
von Pfarrer Geller
rjlhorn-Prikker, der vom Verfasser seit 1910 zu kleineren Arbeiten im katholischen Gesellenhause,
A dem Peter Behrensbau, herangezogen worden war, wurde Ende 1915 mit einer großen Auf-
gabe betraut, die der Dreikönigenkirche zu Neuß zur hervorragendsten Zierde gereichen und dem
Künstler zur großen schöpferischen Tat werden sollte.
Oft genug ist es das Schicksal unverstandener Meister gewesen, daß ihnen die großen Aufgaben
nicht zugedacht wurden, die nun einmal notwendig sind, um die künstlerischen Offenbarungen ans
Licht zu bringen.
Thorn-Prikker ging mit der ganzen Kraft und Glut seines schöpferischen Genies an die Lösung seines
Auftrages heran. Er mußte 14 Begebenheiten aus dem Leben Jesu, die Himmelfahrt Mariä und den
Erzengel Michael zur Darstellung bringen. Und nur eine Begabung von so großer künstlerischer Kraft
mit tief religiösem Empfinden war imstande, dem reichen Inhalt der wechselnden Stimmungen eine
solche Einheit und Schönheit zu geben.
Da das Chor der Kirche entgegen der sonstigen Gepflogenheit nach Süden orientiert ist, so wählte
Thorn-Prikker dunkle Farben wegen des stark einfallenden Lichtes. Der Gefahr der Langeweile begeg-
nete er durch eine überlegen durchgedachte Farbenverteilung.
Anfangend im rechten Ornamentfenster mit einem überraschenden, tiefen, kontrapunkrischen Blau
läßt er dieses in Manneshöhe plötzlich verschwinden und in flammendes Rot, bis oben hinauf von gel-
ben und grünen Ornamenten gehalten, übergehen. Im. zweiten Fenster (Bilder der Auferstehung Christi)
strahlen die Farben triumphierender Freude auf, bis zum blendenden Weiß, in Goldgelb, Grün und Blau.
Das dritte (Mittel) Fenster dämpft alle hellen Farben auf Braun und Dunkelrot und läßt nur in der Be-
gegnung Mariä mit Christus vermittelndes Blau auftreten (Darstellung der Leidensgeschichte). Das
vierte Fenster (Kindheit Jesu) hält sich in freudigen blauen, grünen und gelben Farben mit warmen
braunen Tönen. Das fünfte Fenster nimmt in lebhaften Ornamenten, in wechselndem Lauf sich

*) Vgl. Bartning „Vom neuen Kirchbau“, Bruno Gassirer-Verlag, Berlin 1919.

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