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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0139

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DIE FORM/MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT

Zu den Bildern
Nach unseren bisherigen Darlegungen werden die Leser unschwer den Weg durch das reiche Bildmaterial finden.
Wir haben in der Anordnung desselben den Gang unserer Ausführungen eingehalten und bisweilen durch Gegen-
überstellung gleicher Szenenbilder von der Hand verschiedener Künstler auf Vergleichungen hinführen wollen, um
zu zeigen, wie anders eine Dichtung auch unter Zeitgenossen verstanden und ausgelegt werden kann. Nichtsdesto-
weniger fügen wir zu den grundsätzlichen Erwägungen nun noch Erläuterungen zu den Bildern, weil nicht alle Fra-
gen, die die Bühnenentwürfe dem Betrachter stellen werden, berührt und beantwortet werden konnten. Wer einmal
Gelegenheit gehabt hat, in die Werkstätten der Bühnenbildner hineinzublicken, der weiß, wie weit der Abstand
zwischen dem Entwurf und dem erreichten Ziel mitunter ist. Wer photographische Aufnahmen von fertigen Szenen
sieht, wird wiederum finden, daß sie mit dem Erinnerungsbild auf der Bühne nur entfernte Ähnlichkeit aufweisen.
Das Theater selbst bleibt allein der richtige Maßstab für das Werk. Dem Entwurf fehlt häufig noch vieles, was auf
der Bühne erst vollendet wird; die Photographie läßt vieles vermissen, was auf der Bühne war. Deshalb werden wir
beispielsweise auch hier von der Farbengebung nur weniges berichten, schon deshalb, weil zahlreiche Vorlagen für
Bühnendekorationen von den Künstlern als Schwarz-weiß-Zeichnungen an die Werkstätten gegeben, und weil die
richtigen Farben erst durch den Beleuchtungsapparat in die Szenen hineingetragen werden. Das Lichtbild aber ver-
mittelt zumeist eine allzu objektive Wiedergabe des rein Konstruktiven auf der Bühne, da es die Farbenwerte wieder-
zugeben nicht imstande ist. Die Betrachtung aller Bühnenentwürfe und Szenenbilder setzt infolgedessen eine noch
geduldigere Vertiefung voraus, als sie für Werke der bildenden Kunst ganz allgemein gefordert werden muß.
Da wir im ersten Teil unserer Ausführung das deutsche Bühnenbild unserer Zeit in systematischer Betrachtung
darzustellen versucht haben, geben wir hier die Erläuterungen zu den Bildern in Form eines alphabetischen Künstler-
verzeichnisses. Es sei aber ausdrücklich betont, daß die Abbildung irgendwelcher Bühnenentwürfe auf unseren Tafeln
keinerlei Wertung in sich schließt, sondern daß es uns lediglich darum zu tun ist, bezeichnende Proben der ver-
schiedenen Bühnenformen wiederzugeben, wie sie aus dem reichen Material, das auf der Deutschen Gewerbeschau
sich sammelte, herauszulesen waren. Führende deutsche Bühnenbildner wie Fritz Erler, Rochus Gliese, Cesar Klein,
Alfred Roller, Ludwig Sievert und andere fehlen; das sind Zufälle, die wir selbst am meisten bedauern ohne ihnen
begegnen zu können. Das folgende Verzeichnis kann einen Katalog der Abteilung „Bühnenbild“ der Deutschen Ge-
werbeschau München 1922 naturgemäß nicht ersetzen.
*
Von Alexander Baranowsky, dem Mitarbeiter der Vereinigten Stadttheater in Leipzig und dem Lehrer an der
Akademie für Kunstgewerbe in Dresden, bringen wir im Text (Abbildung 5) einen szenischen Entwurf zu Rudolf
Lauckners „Wahnschaffe“. Der Künstler arbeitet mit wenig Stufenbauten als Terrain und Terrassen und mit
dunklen Vorhängen als seitlicher Abdeckung und als Bühnenabschluß. Die Figuren selbst sind vorwiegend schwarz
gekleidet; Modellierung, Raum und Farbe werden durch Scheinwerfer oder andere starke Lichtquellen herausgear-
beitet. Dasselbe Dekorationsprinzip finden wir auch in Baranowskys Inszenierung von Franz Werfels „Spiegelmensch“
(Abbildung 28). Die Kerkerszene gibt zwischen neutralen Seitenteilen das Tor eines Zwingers mit spitzigen Gittern
vor einem nächtlichen Himmel. Die Figuren stehen bei fahlem Mondlicht schemenhaft darin. Man vergleiche damit
die Lösung, die Werner Schramm (Abbildung 27) im Düsseldorfer Schauspielhaus für die gleichen Szenen gefunden hat.
F. K. Delavilla in Frankfurt a. M. ist einer jener vielseitigen Begabungen, die für jedes dramatische Werk den
passenden bildnerischen Rahmen gleichsam spielend finden. Abbildung 32 zeigt den III. Akt von Wedekinds
„Musik“. Die Zimmerflucht einer Künstlerwohnung mit der landläufigen Ausstattung von Musikerbüsten und Lor-
beerkränzen, Plüschmöbeln und mühevoll gezüchteten Palmen. Eine Wolke von Dumpfheit und Staub, von Armut
und Dünkel, von Kitsch und Schmutz wird aus dieser ganz ausgezeichneten Milieuschilderung, der absichtlich ver-
bogene Formen und scheinbar unmotivierte Lichter und Schatten einen starken Zug ins Groteske geben, auf den
Beschauer zugetrieben.

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