MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
Einziges amtliches Organ der Deutschen Gewerbeschau München 1922 / des Deutschen Werkbundes / des Reichskunstwarts / des
Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine / des Wirtschaftsbundes deutscher Kunsthandwerker / und anderer Vereinigungen /
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Walter Riezler, Stettin, Städtisches Museum / Verlag Hermann Reckendorf, München, Kaufinger-
straße 23 / Bezugspreis: Heft 1 (März) 70 Mark. Quartal April bis Juni 1922 (Hefte 2 bis 4) 210 Mark. Jede Buchhandlung
oder Postanstalt nimmt Bestellungen entgegen, ebenso der Verlag.
Der Nachdruck der Aufsätze dieses Heftes ist bei genauer Quellenangabe gestattet, doch bleiben die Rechte der Verfasser gewahrt
i.JAHR 1922 HEFT 2
Inhalt: Riezler, Natur und Maschine (S. 1) / Lindner, Architektur und Ingenieurbau (S. 5) / Benedict, Die Schönheit maschinentechnischer Bauwerke
(S. 8) / v. Pechmann, Die formschaffende Arbeit in der Industrie (S. 13) / Feige und Riezler, Das Problem der Form im Eisenbrückenbau (S. 18) /
Riezler, Uber das Veralten technischer Formen (S. 31) / Zu den Bildern ('S. 32)
Natur und Maschine
Oft genug ist gegen Technik und Maschine der Vorwurf erhoben worden, daß
durch sie nicht nur der Mensch dem Werke seiner Hände entfremdet, sondern ganz
im allgemeinen die Welt entseelt worden sei, und Anbeter des Lebens und der Na-
tur haben deshalb gegen den menschlichen Geist den Fluch geschleudert, weil er in
seiner Unrast und seiner Gier nach Neuem und Unerhörtem diese Schuld auf sich
geladen hat.
Nun ist kein Wort darüber zu verlieren, daß durch Technik und Maschine nicht
nur die in der Welt vorhandene Häßlichkeit um ein Unendliches vermehrt, sondern
auch eine ganz neue, vorher unbekannte Häßlichkeit — eben die der entseelten
Form — geschaffen wurde. Wohl aber lohnt es sich zu fragen, ob denn wirklich nur
die Häßlichkeit vermehrt, die Schönheit der Welt gestört und entstellt wurde, —
ob nicht auch eine neue Schönheit durch Technik und Maschine in die Welt ge-
kommen ist.
Diese Frage ist nicht selten bejaht worden. Die einen haben, einem gewissen ro-
mantisch-malerischen Sinne folgend, auf die oft phantastische Schönheit hingewie-
sen, die Fabrikanlagen, Bahnhöfen, Seehäfen eigen ist, wenn das farbige Licht der
Einziges amtliches Organ der Deutschen Gewerbeschau München 1922 / des Deutschen Werkbundes / des Reichskunstwarts / des
Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine / des Wirtschaftsbundes deutscher Kunsthandwerker / und anderer Vereinigungen /
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Walter Riezler, Stettin, Städtisches Museum / Verlag Hermann Reckendorf, München, Kaufinger-
straße 23 / Bezugspreis: Heft 1 (März) 70 Mark. Quartal April bis Juni 1922 (Hefte 2 bis 4) 210 Mark. Jede Buchhandlung
oder Postanstalt nimmt Bestellungen entgegen, ebenso der Verlag.
Der Nachdruck der Aufsätze dieses Heftes ist bei genauer Quellenangabe gestattet, doch bleiben die Rechte der Verfasser gewahrt
i.JAHR 1922 HEFT 2
Inhalt: Riezler, Natur und Maschine (S. 1) / Lindner, Architektur und Ingenieurbau (S. 5) / Benedict, Die Schönheit maschinentechnischer Bauwerke
(S. 8) / v. Pechmann, Die formschaffende Arbeit in der Industrie (S. 13) / Feige und Riezler, Das Problem der Form im Eisenbrückenbau (S. 18) /
Riezler, Uber das Veralten technischer Formen (S. 31) / Zu den Bildern ('S. 32)
Natur und Maschine
Oft genug ist gegen Technik und Maschine der Vorwurf erhoben worden, daß
durch sie nicht nur der Mensch dem Werke seiner Hände entfremdet, sondern ganz
im allgemeinen die Welt entseelt worden sei, und Anbeter des Lebens und der Na-
tur haben deshalb gegen den menschlichen Geist den Fluch geschleudert, weil er in
seiner Unrast und seiner Gier nach Neuem und Unerhörtem diese Schuld auf sich
geladen hat.
Nun ist kein Wort darüber zu verlieren, daß durch Technik und Maschine nicht
nur die in der Welt vorhandene Häßlichkeit um ein Unendliches vermehrt, sondern
auch eine ganz neue, vorher unbekannte Häßlichkeit — eben die der entseelten
Form — geschaffen wurde. Wohl aber lohnt es sich zu fragen, ob denn wirklich nur
die Häßlichkeit vermehrt, die Schönheit der Welt gestört und entstellt wurde, —
ob nicht auch eine neue Schönheit durch Technik und Maschine in die Welt ge-
kommen ist.
Diese Frage ist nicht selten bejaht worden. Die einen haben, einem gewissen ro-
mantisch-malerischen Sinne folgend, auf die oft phantastische Schönheit hingewie-
sen, die Fabrikanlagen, Bahnhöfen, Seehäfen eigen ist, wenn das farbige Licht der