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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0360

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DIE FORM/MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT

Batikarbeiten
von Georg Lill
Die für Europa neue Batiktechnik — ein Färben von Textilen durch deckendes Wachsverfahren —
hat in den letzten Jahren eine ganz ungewöhnliche Ausdehnung genommen. Ohne Zweifel kann man
mit dem Verfahren dekorative Wirkungen erzielen, wie sie nur von alten gewebten Seidenstoffen und
Brokat etc. erreicht worden waren. Die Eignung erstreckt sich nicht nur auf Gewänder, Phantasie-
kostüme, Schale, Kravatten, sondern auch in einer noch nicht genügend ausgenützten Weise auf Wand-
behänge profaner wie kirchlicher Art.
Wie es bei einem neu auftauchenden technischen Verfahren im Kunstgewerbe immer geht, werden
beim Beginn in der Formung grundsätzliche Fehler, die aus der nicht richtigen Erkenntnis der tech-
nischen Eigentümlichkeit entstehen, gemacht. Die Technik ist von der Bindung des textilen Verfahrens
völlig unabhängig. Der textile Grund zwingt dem aufzulegenden Dekor nicht die geringste Notwen-
digkeit der Formung auf. Um so stärker war und ist die Gefahr eines rein subjektiven Sichgehenlassens,
das in einer wild phantastischen Ungebundenheit in naturalistisch-vegetativem, gestrüppartigem Durch-
einanderwogen oder in einem ganz irrationalen Spiel von Linien und Bändern bei einer zu starken
Betonung der zufälligen Bruchlinien des Wachses schon die genügende Formung gefunden zu haben
glaubte. Bei gewissen Phantasiestoffen mehr untergeordneter kunstgewerblicher Bedeutung mag dies
genügen. Sobald höhere Aufgaben gestellt werden, wird der Künstler nach einer geschlosseneren Form
suchen müssen. Daraus entsteht ein entgegengesetzter Fehler, indem man von der Freiheit, die Material
wie Technik boten, so gut wie ganz abzusehen für nötig hielt, und die Abgepaßtheit eines Stückes in
geometrischen Mustern erstrebte, als ob der Netzgrund eines Stickmusters oder die Fadenfügungen
einer Webeart die Form vorschrieben.
Beide Fehler vermeiden die Batikarbeiten von Ragnhild d’Ailly (München), die mit konsequen-
ter Folgerichtung Freiheit der Technik wie Gebundenheit der Form zu vereinigen sucht. In einem
freien Rhythmus, der mehr musikalischer als tektonischer Art ist und sich von Rapport wie geometri-
scher Symmetrie frei macht, legt sie ihre Dekorationen auf die Grundfläche auf. Es ist dies eine Art,
die eine gewisse Verwandtschaft mit chinesischen Stoffen und indisch-türkischen Schals hat, ein schein-
bar willkürliches Durcheinanderwogen, wo jede einzelne Linie individuelles Eigenleben zeigt, aber wo
—- ähnlich wie bei den Wogen der Brandung — schließlich doch das kleine Einzelleben in derWucht einer
geschlossen gegliederten Wand seine organische Bindung erhält. Hier liegt das Geheimnis einer groß-
zügig dekorativen Gesamtanlage von strenger Gesetzmäßigkeit bei einem fast impressionistischen, flu-
tenden Einzelleben, eben die künstlerische Formkraft, in der sich die Spannung zwischen technisch un-
gebundener Formmöglichkeit mit dem stilistischen Formwillen ausspricht. Die Willkürlichkeiten des
Linienspiels des brüchigen Wuchses werden nicht unterdrückt, aber auch nicht in einer übertriebenen
Weise betont. Der rein linear-flüchtige Reichtum wird dann ganz bewußt von einem äußerst harmo-
nischen Wechsel von dunkeln und hellen Färb flecken gesteigert, eine ganz wesentliche Notwendigkeit
für Batikarbeiten, etwas was man in unsern Schwarz-Weiß-Reproduktionen leider nicht beurteilen kann.

Anmerkungen der Schriftleitung:
Die in Heft 3 der „Form“ auf Tafel 9 und 10 wiedergegebenen Lithographien von Emil Pirchan zur „Josephs-Legende“ von Richard
Strauß entstammen dem „Werk der Staatsoper“ Original Lithographien zu den Inszenierungen der Werke moderner und alter Meister,
von der Berliner Staatsoper herausgegeben von Franz Ludwig Hörth im Verlag Fritz Gurlitt, Berlin.
Die in Heft 4 Abteilung 26—31 gegebenen Keramiken sind Originalarbeiten von Max Läuger.
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