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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Gutzeit, Kurt: Das Problem des Raums im Drama
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Riezler, Walter: Auf dem Wege zur Kunstform: Betrachtungen zur Entwicklung des Lichtspiels
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0147

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DIE FORM/MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDEARBEIT
entsprechen und die ebenfalls mit einer Transparentbeleuchtung im Inneren versehen sind, so daß sie
in Licht und Farbe zum Spielplätze einheitlich abgestimmt oder kontrastiert werden können. Hierdurch
also entfällt Rahmen, Mantel und Kulisse der bisherigen Bühne, während der technischen Erfordernis
der Abdeckung des Spielplatzes in vollkommenster Weise entsprochen wird!
Unser neues Amphitheater trägt oben eine einfache Säulenstellung, auf der ein Architrav ruht in
Form eines Halbringes, dessen Enden durch den Durchmesserteil verbunden sind. Die beiden äußersten
Säulen des Zuschauerraumes, die also auf dem Kreisdurchmesser stehen, bilden so gewissermaßen ein
weites Portal, das durch einen seitlich bewegbaren, über das gesamte Raummaß gehenden Vorhang
verschließbar ist. Portal und Vorhang gehören somit dem Amphitheater an, nicht mehr — wie im bis-
herigen Theater — der Bühne; denn diese kann weder Rahmen noch Vorhang besitzen, da sie für uns
nichts Anderes ist als „Raum“, der erst durch die dramatische Handlung geformt und charakterisiert
wird! Amphitheater und Bühne können nun nach Gesichtspunkten der Regie in gleichmäßigem Licht
wie in der Antike vereinigt oder unabhängig voneinander verdunkelt werden, der dramatischen Idee
gemäß!
Die unerschöpfliche Wandelbarkeit des Bühnenschauplatzes, die unzähligen verschiedenartigsten
Räume und Welten, die der dramatische Dichter am Auge des Zuschauers vorbeiführt, treten nun aus
einem sie alle in sich bergenden gemeinsamen Horizonte heraus und wieder in ihn zurück: dem Ho-
rizonte des unendlichen Lichtraumes! Es ist so in der Alles bergenden und einenden Unendlichkeit des
Lichtes in unserem neuen Theater der Raum in den rhythmischen Ablauf des Dramas mit einbezogen,
und der architektonische Ausdruck gestaltet für das Weltbild unserer Zeit, wie immer an anderer Stelle
man es mag formulieren wollen, weltanschaulich, religiös, philosophisch, naturwissenschaftlich.
Auf dem Wege zur Kunstform
Betrachtungen zur Entwicklung des Lichtspiels
von Dr. Walter Riezler
A 1s das bewegte Lichtspiel erfunden wurde, erlebte die Welt ein Schauspiel, dessen keine frühere
-^•Zeit teilhaftig war: es wurde durch technische Errungenschaften eine neue Darstellungsart geschaffen,
deren Möglichkeiten schon nach einer kurzen Zeit der Vervollkommnung beinahe unbegrenzt zu sein
schienen, und in der jedenfalls die Keime zu einer ganz neuen Kunstform verborgen waren. Und als
nun dieses neue Spiel trotz völliger Freiheit des Weges, nicht belastet mit dem Gewichte irgend einer
verkommenen Überlieferung, sofort in die schlimmsten Niederungen der Geschmacklosigkeit und Un-
form herabglitt, da sahen viele darin einen neuen Beweis dafür, daß die formenden Instinkte und da-
mit die Kraft zu einer natürlichen Weiterentwicklung der Kunst im Umkreise unserer Kultur so stark
geschwächt sind, daß alle Hoffnungen auf einen neuen Aufstieg unserer künstlerischen Kultur begra-
ben werden müssen. Die Zeit hatte, vor die Möglichkeit gestellt, eine Form zu schaffen, die ganz ihr
angehörte, und in der sich ihr eigenstes Wesen ausdrücken konnte — mit Mitteln der Technik, die
gerade an diesem Punkte der technischen Entwicklung, also zweifellos aus dem Zeitgeist heraus, ge-
funden wurden —, vollkommen versagt.
Nun ist es zweifellos richtig, daß jede technische Errungenschaft unlösbar an die Zeit gebunden ist,
sodaß es undenkbar ist, daß sie in einer anderen Zeit gefunden oder doch irgendwie ausgewertet wer-
den konnte, sodaß sich also in jedem Falle ein Zusammenhang zwischen einer einzelnen Erfindung und
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