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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Riemerschmid, Richard: Zur Frage des Zeitstiles
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Kreis, Wilhelm: Die neue Einigung
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0018

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DIE FORM/MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
in sich trägt, die überhaupt erreicht werden kann. Denn dieser stille Einfluß bleibt ganz unbewußt, und
so gibt’s auch kein Widerstreben.
So muß die uns angewiesene Stellung zur Form und so muß der Stil verstanden werden.
Es hätte etwas Verlockendes, was hier nun grundsätzlich erörtert worden ist, auf die einzelnen Ge-
biete anzuwenden und in seinen Wirkungen klarzulegen, sowohl im Handwerk und der Industrie und
der Baukunst, wie auch besonders in der Malerei und in der Bildnerei. Aber das mag einem Versuch
überlassen bleiben, der später einmal gemacht werden soll.
Die neue Einigung
von Wilhelm Kreis
Nach den etwas stürmischen Auseinandersetzungen in der ersten Nachkriegszeit sind die heftigsten
Ideen umwälzender Neuerungen verraucht und haben sich die Geister, auf die es ankommt, wieder
etwas angenähert. Selbst der Führer der am weitesten linksstehenden Gruppe hat nach der Übernahme
eines verantwortlichen Postens im Städtebau einen so vernünftigen Vorschlag für die Erbauung eines
zentralen Bürohauses gemacht, daß ihm von allen Seiten, selbst von der am meisten rechtsstehenden,
Beifall gespendet werden konnte. Dieses ein Symptom. Wir beginnen ein Übereinkommen zu treffen.
Wir stehen vor der beginnenden gegenseitigen Achtung und belauschen das Schaffen der ehemaligen
Gegner mit einer gewissen stillen Freude. Die Gegensätze sind nur in der Idee vorhanden. Im Schaffen
für die Wirklichkeit sind wir uns einig, natürlich nur aus einem entfernten Standpunkt gesehen, sagen
wir vom historischen. Unterschiede, welche im Temperament der Künstler, im Landescharakter oder in
einer mehr oder weniger strengen Anpassung an den nüchternen Sinn der Aufgaben liegen, sind genü-
gend vorhanden, um den Reichtum der Verästelung des gern einsamen Vordringens zu erklären.
Der Zeitstil ist gekommen. Die Überkleisterung von Notwendigkeiten mit Tändeleien hat aufgehört.
Es tut nichts, wenn hie und da der Spieltrieb das Gewachsene berankt und dadurch in die Strenge
des Gesetzes eine Kerbe schlägt. Die Einheit im Vordringen zum Neuland reinen Schaffens braucht
nicht kleinlich bemessen zu werden, sie ist schon da, wenn die Kräftigen unter uns die Zeit überein-
stimmend empfinden» Man kann das Gemeinsame einer Zeit ebenso gut aus der Vergangenheit wie
aus der Zukunft betrachten. Man kann das Zeitalter des Barock von der Antike her und von dem Zeitalter
der Maschine sehen und wird das Eigenartige in dem Unterschied zu der alten und neuen Zeit in seiner
ganzen Schärfe erkennen. Wir können den Geist unserer Zeit nicht von der Zukunft her betrachten,
dagegen können wir uns zurückversetzen und von dort aus einen Blick in unser heutiges Schaffen
tun, das uns prometheisch und gewaltig erscheinen muß.
Es gibt allerdings Künstler, welche sich in fataler Weise in diese rückwärtige Betrachtung so vertiefen,
daß die Freiheit ihres Schaffens beengt ist und zu einer Nachahmung der älteren Periode führt. Dieses
ist jedoch nicht von Belang. Wichtig sind nur die anderen.
Das Vorherrschen des Organischen im Bauschaffen ist so groß, daß die Bedeutung von Kostümierungen
unbeträchtlich ist und daher von den Erkennenden mißachtet wird. Es sagt das aber nicht, daß die Phan-
tasie des Schmückens ausgestorben wäre. Es muß im Gegenteil ein Hang zum Fabulieren und Spielen
festgestellt werden, der sich aber nicht in einer Überkleisterung von Organismen austobt, sondern ge-
tragen von zweckvoller oder feierlicher Gestaltung sich in erfinderischer Weise verbreitet. Es darf daher
kein Gegensatz einer schmückenden und einer Notwendigkeitskunst konstruiert werden, vielmehr ist die
klare Trennung erfreulich. Die Aufgaben bringen es mit sich, daß der eine mit Recht die starken Not-

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