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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0232

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DIEFORM/MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT

Zu den Bil dern
T”Aie Abbildungen dieses Heftes sind in den verschiedenen Aufsätzen da und dort erwähnt und be-
sprechen. Zur Ergänzung, und um die bei der Auswahl der Bilder leitenden Gesichtspunkte
noch schärfer hervortreten zu lassen, seien noch einige Bemerkungen hinzugefügt.
Wir bilden eine Reihe von Kirchenbauten oder Entwürfen zu solchen ab. Auf dem Gebiete des
Kirchenbaues ist der neue Geist, der in unserer Baukunst lebendig ist, am spätesten erwacht. Hier hat
man sich länger und ausschließlicher als sonst mit der Wiederholung historischer Formen begnügt.
Man glaubte das dem konservativen Geiste der Kirche schuldig zu sein und vertraute darauf, mit den alten,
längstbewährten Formen auch den Ausdruck des Erhabenen, der in den alten Kirchen herrscht, sicher zu
haben. Es war der alte Irrtum, hier freilich auch heute noch nicht allgemein als solcher erkannt, weil
die Macht der Kirche auf seiner Seite steht. Nur da und dort wurde versucht, dagegen anzukämpfen, und
die Theodor Fischer und Genossen, die hierbei vorangingen, sind des Dankes der Nachwelt gewiß.
In den abgebildeten Kirchen wird niemand auch nur Anklänge an die altgeheiligten Formen finden kön-
nen. Ihre Formsprache ist aber auch nicht eigentlich individualistisch wie die anderer Bauten, die die Unab-
hängigkeit von der Vergangenheit allzu absichtlich betonen. Sie lassen vielmehr die Form lebendig aus dem
Material entstehen, und es ist erstaunlich, wie vielseitig die Möglichkeiten auch bei der Verwendung eines
Materials sind. Die Kirchen von Böhm,Soeder und Bartning (vgl. Abbildung 1 — 5 S. 19,24/25) sind im
wesentlichen aus Holz und zeigen jede für sich die Eigenart und besonderen Möglichkeiten dieses Materials
ganz deutlich, aber sie entwickeln diese Möglichkeiten jedesmal in einer anderen Richtung. Das Kirchlein
vonBöhm istein richtigerNotbau, mit den einfachsten Mitteln verwirklicht und ohne Anspruch auf reichere
Formen oder kompliziertere Konstruktionen ; die Kirche von Soeder stellt schon ein kunstvolleres Raum-
gebilde dar, und es ist schon aus den Schnitten zu ersehen, daß die Dynamik dieses Raumes einen reicheren
Schmuck an Farben und Glasgemälden fordert; in der Kirche von Bartning aber ist das Holz wiederum
in einer ganz anderen Weise zu einem konstruktiven Gebilde von größter Folgerichtigkeit verwendet.
Hier entsteht rein aus der Konstruktion (die aus dem Schnitt deutlich zu ersehen ist) eine Raumwirkung, die
in ihrem Vertikalismus und in der starken Bewegtheit des in seinen Grenzen schwer erkennbaren Raumes
echt „gotisch“ ist, ohne daß doch weder im Grundriß noch in den Einzelformen irgend eine Anlehnung
an Gotik zu erkennen wäre. Wir möchten diesem Entwürfe ganz besonders eine baldige Ausführung
wünschen; es könnte von ihm reiche Anregung nach vielen Seiten ausgehen.
Auch die Grundform der Kirche von AlfredFischer-Essen (vgl. Abbildung 8 — 1 o) ist aus Material und
Konstruktion entwickelt: hier ist es der Eisenbeton, dessen Verwendung durch äußere Umstände ge-
fordert wurde. Die Kirche steht im Grundgebiet auf einem Boden, wo mit Senkungen und Einbrüchen
zu rechnen ist; deshalb mußte der ganze Bau möglichst zu einer homogenen Masse gemacht werden,
was durch Einfügung von im Boden liegenden Zugbändern in die Eisenkonstruktion erreicht wurde.
Die Raumgestalt des Innern wird durch diese Konstruktion völlig bestimmt. Auch hier entsteht auf
diese Weise eine dem Gotischen innerlich verwandte Raumwirkung. Außen ist die Kirche mit Backsteinen
einfach ummauert und fügt sich dadurch in die strenge und nüchterne Form der Umwelt trefflich ein.
Ganz aus der W eit der Phantastik stammt Poelzigs Entwurf (vgl. Abbildung 4 — 7) zu einer W aldkapelle.
Aber auch diese phantastische Form erwächst natürlich aus dem Material. Es ist buntglasierte Majolika, aus
der dieses Gebilde zusammengefügt werden soll, also ein Material, das von aller konstruktiven Strenge

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