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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Geller, ...: Die großen Thorn-Prikker-Fenster in der Dreikönigenkirche zu Neuß a. Rh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0231

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DIE FORM / MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
Mit der Bescheidenheit des Künstlers erklärte Thorn-Prikker, es sei nicht gut geworden; aber er
habe viel gelernt, und die vier großen Kirchenfenster würden echte Kunst werden. Er hielt Wort. Nach
wenigen Monaten waren auch hierzu die Entwürfe und dann auch die Ausführung fertig, und jedes
war, als Einzelstück gedacht, als solches auch vollendete Kunst.
Diese Querschiffenster waren breiter und nicht so hoch; darum konnten hier große Einzeldar-
stellungen gewählt werden. In dem ersten linken Fenster entwarf er in neuer Auffassung das Drei-
königenbild. Der weiße König in rotgoldenem, groß aufgeteiltem Mantel und Maria mit dem Jesus-
kinde in blaugrünem prächtigem Gewände begegnen sich im Vordergründe und nehmen fast die ganze
Bildfläche ein. Im Hintergründe die beiden anderen Könige und der Stern. Das Bild baut sich ebenso
wie bei den anderen Seitenfenstern auf einem großen quadratischen Ornament auf, das die Farben der
oberen Darstellung in gebundener Form aufnimmt.
Das zweite Fenster ist dem tiefen Geheimnis von der reumütigen und verzeihenden Liebe geweiht:
Christus im schlichten grauen Kleide mit segnender Gebärde, von scharfen gelben Konturen umrissen,
Magdalena zur Seite kniend in reichem Gewände mit vertrauensvollem Aufblick, im Hintergründe die
murrenden Pharisäer.
Im rechten Querschiff über dem Seitenportal St. Michael, der Beschützer der Gläubigen, eine Riesen-
gestalt, in einen von hellen Lichtern zuckenden Panzer gekleidet, dessen furchtlosem Angesicht man
wohl zutraut, daß er mit seinem goldflammenden Schwerte den Drachen besiegt hat.
Endlich als viertes Fenster Mariä Himmelfahrt, das Lieblingsbild des Künstlers, in welches er die
ganze ihm zu Gebote stehende Farbenglut hineingoß. Die Madonna erhebt sich über dem Grabe in
heiliger Verzückung. Ihr Antlitz ist von einer sanftfarbigen Mandorla umgeben, aus der schon goldene
Strahlen in den Himmel hineinschlagen, daraus die Englein jubelnd hervorströmen. Aller Himmels-
glanz ist zur Erde abgeschlossen mit einem tiefen Blau, unter welchem sich an den Seiten die dunklen
Rosen hervordrängen. Zwei braune Apostelköpfe mit suchendem Ausdruck lugen daraus hervor. Maria
aber strahlt in der ganzen Bildgröße in einem wunderfarbenen blauen Mantel, der vom dunkelsten
Blau bis zur zartesten Azurfarbe in unglaublich einfachsten Formen aufgeteilt ist, ein klassisches und
bezeichnendes Beispiel für die Thorn-Prikkersche Kunst. Nach unten schließt das Bild mit einem herr-
lichen Ornament ab, als schwebten Sommerfalter mit dunkelsamtenen Flügeln auf dämmernder
Erde um das im Dunklen noch erstrahlende Kreuz.
In diesen vier Querschiffenstern zeigt Thorn-Prikker seine Vorliebe für das Große und Kongeniale.
Mit einer kaum zu überbietenden Kühnheit führt er durch seine Bilder große Linien durch, in allem
sucht er konzentrierte Vereinfachung. So kommt er dazu, alles Überflüssige auszuscheiden und Unwesent-
liches zusammenzufassen. Guido Joseph Kern von der Nationalgalerie machte mich 1913 auf dieses
vollständig Neue aufmerksam, das sich in dieser ornamentalen Aufteilung nebensächlicher Dinge, Ge-
wandteile, Füße, Boden u. ä. ankündige. Wer die moderne internationale Kunstausstellung 1922 in
Düsseldorf bei Tietz gesehen hat, und die Thorn-Prikkerfenster kennt, muß zugeben, daß Thorn-Prikker
allen diesen Modernen 1 o Jahre voraus war und schon gefunden hat, was diese erst suchen. Von den Drei-
königen-Fenstern, Thorn-Prikkers erstes und bis jetzt einziges großes Werk, zu den Metzendorf-
Fenstern (6 Jahre Zeitspanne) ist scheinbar ein gewaltiger Sprung und doch bei näherer Betrachtung
nur eine folgenrichtige Entwicklung. Spielend hat er hier das künstlerische Ringen unserer Zeit auf eine
klassische Formel gebracht. Möchte sich noch einmal die Gelegenheit bieten, diesem wahrhaft großen
Künstler eine seiner Kunst würdige Aufgabe zu stellen, an welcher er sich zu einer wahrhaft künst-
lerischen Tat vollende.

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