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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Lindner, Werner: Architektur und Ingenieurbau
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Benedict, ...: Die Schönheit maschinentechnischer Bauwerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0074

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DIE FORM / MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
Masse der typischen Aufgaben die allgemeine feste Grundlage. Diese Grundlage soll die Nichtkönner
und die Mittelmäßigen binden, besser als Baupolizei und schematische Paragraphen. Die Könner wer-
den diese Grundlagen als fruchtbaren Boden willkommen heißen, aus dem sich Wunderblüten ihrer
Phantasie frei und froh erheben können. Auch das Mittelalter schuf nicht nur Dome, sondern viele
kleine, ich möchte sagen, nüchterne, sehr typische Alltagsbauten.
Der Ingenieur und Bauingenieur von heute gibt vortreffliche Winke im Sinne eines solchen Entwick-
lungsgedankens. Den schönheitlichen Wert seiner Werke so aufzufassen wird er gern gelten lassen. Das
wird er auch müssen. Hat das zur Folge, daß sein Nachwuchs in ästhetischen Fragen — auch in den wirt-
schaftlichen und praktischen — auf den Hochschulen aus gleicher Gesinnung, ja in wesentlichen Dingen
von den gleichen Voraussetzungen aus wie der werdende Architekt erzogen wird, so muß er das als
eine Notwendigkeit erkennen, auf die gerade die Gegenwart hinweist. Hat Deutschland trotz allem das
Glück, sich wirtschaftlich wieder emporzuarbeiten, so darf es vor Demokratisieren und Sozialisieren
das Spezialisieren namentlich der Technik nicht verringern. Im Gegenteil! Aber der Weltmarkt nimmt
die deutsche Produktion nur dann auf die Dauer auf, wenn sie Wertarbeit auch in dem vorangedeuteten
schönheitlichen Sinne ist. Zu der führt aber nur Spezialisierung, gegründet auf der Erkenntnis und
Pflege der inneren und unlösbaren Zusammenhänge der kulturellen und praktischen Fragen, ganz be-
sonders auf den hier behandelten Gebieten. Und denken wir letzten Endes an uns selbst, an unsere
Heimat und ihr Antlitz, wie es durch unser Schaffen am Vaterlande wird, so wollen wir doch nicht
Totengräber an Natur und Kultur der Heimat sein, sondern verantwortliche Gestalter. Hier stehen uns,
stehen den Architekten und Ingenieuren im Miteinander und Nebeneinander außerordentlich schwer-
wiegende Kulturarbeiten bevor!
Die Schönheit maschinentechnischer Bauwerke
von Dipl.-Ing. Dr. Benedict, Duisburg
Lange Zeit ist technischen Bauwerken, insbesondere den Erzeugnissen der Maschinentechnik, der An-
spruch auf Schönheit der Form versagt worden. Ja man ging so weit, daß man dem Ingenieur jedes
Gefühl für Ästhetik absprach mit der Begründung, daß die technische Ermittlung der konstruktiven
Gestaltung eine mechanische Tätigkeit sei, die eine handwerksmäßige Schulung zur Voraussetzung hätte,
bei der sogar ein Wille zur ästhetischen Formengebung der Zweckbestimmung zuwiderlaufe. Man schuf
mit der Verbreitung dieser Ansicht einen Gegensatz zwischen Kunst und Technik, unter dem der Ingenieur
als Vertreter der Technik schwer zu leiden hat; dies übrigens, wie zuzugeben ist, nicht immer ohne
seine Schuld.
Wie steht es nun in Wahrheit mit diesem Gegensatz zwischen technischer und künstlerischer Gestaltung ?
Erinnern wir uns, daß LeonardodaVincials der hervorragendste Künstler zugleich der größte Natur-
forscher und Ingenieur seiner Zeit war und auf Grund seiner vielseitigen Bildung als der bedeutendste
Mensch seines Zeitalters angesprochen werden muß, dessen Leistungen noch heute fort wirken. Aller-
dings hatte die Entstehung eines solchen Genies jenes in der Weltgeschichte einzigartige Kulturge-
schehen zur Voraussetzung, das wir als Renaissancezeit bezeichnen, und das seine Früchte als eine
Wiedererstehung des antiken Geistes verbunden mit den Ergebnissen der neueren Forschungen und
Entdeckungen unter weitgehendster Auswirkung des Individualismus zeitigte.

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