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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Poelzig, Hans: Vom Bauen unserer Zeit
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Riezler, Walter: Qualiät und Form: Betrachtungen zur deutschen Gewerbeschau München 1922
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0035

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DIE FORM/MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
haupt, muß Sturm gelaufen werden, oder vielmehr, da das Sturmlaufen nichts nutzen wird und unnötigen
Kraftaufwand kostet, muß man sie ganz und gar unbeachtet lassen. Wer durchaus sachlich bleibt und
die Form als Produkt, aus den technischen praktischen Grundbedingungen — ganz streng genommen —
und aus seinen ureigensten künstlerischen Schaffensmöglichkeiten heraus entwickelt, kann nicht ganz fehl-
gehen. Sachlichkeit und künstlerische Inbrunst sind Geschwister, sie stammen beide aus der Liebe zum
Zweck, zum Stoff und zur Form. Und wer die Tradition, oder vielmehr das, was von ihr seinem inner-
sten Wesen gemäß ist, wovon die Tiefen seiner Seele aufgewühlt und neue Harmonien bei ihm zum
Erklingen gebracht werden, begriffen hat, der ist gefeit gegen Einwirkungen irgend welcher ganz äus-
serlichen Art, die sich mit dem Worte „modern“ aufputzen. Und der erkennt auch die wirklichen
Werte der jüngst verflossenen Bewegungen und weiß, daß zum Beispiel die Möbel von van de Velde
heut noch ausgezeichnet sind, während die, die ihm nur Äußerlichkeiten absahen, stranden mußten,
und ihre Schöpfungen verweht sind.
Das Neue, das organisch entstanden ist,bleibtund steht neben dem Alten, gegen das es freilich immer noch
durch das allzu rasche Tempo des Entstehens im Nachteilist. GutDing will Weile haben,und wer will sich
wundern, daß bei der ungeheueren Bereicherung, der Kompliziertheit des technischen Apparates, beider im-
mer noch für eine völlige Durchreifung viel zu überhasteten Entstehungszeit unserer Bauten, für die Ar-
chitektur noch kein neuer Generalbaß gefunden wurde, und daß die Harmonien noch nicht rein ertönen ?
Und doch kann die Heilung unserer Kunst, ja die Kunst an sich, überhaupt nur von der Architektur
herkommen. Denn selbst die Stellung zur Kunst von Seiten des Gebildeten, der überhaupt ein Verhält-
nis herzustellen strebt, ist eine ganz unsichere. Zumal in den Großstädten werden Musik und bildende
Kunst als Religionsersatz in großen Mengen genossen, und die Reste bleiben oft in der Seele unverdaut
zurück. Museen, Ausstellungen, Reisen sind dem Gebildeten die Gelegenheiten, bei denen er sich mit
bildender Kunst vollzustopfen pflegt. Er bildet sich dort genau so, wie man heute überhaupt gebildet
wird. Gebildet heißt geformt, und wer wollte behaupten, daß der heutige Gebildete überhaupt geformt
wäre, in dem Sinne, wie etwa der Mensch der Antike oder der Gotik?
Alle künstlichen Konstruktionen werden diesen nur zu sehr zu ersehnenden Zustand freilich nicht
herbeiführen, so lobenswert jeder Versuch, die Kräfte zusammenzuführen, an sich ist. Aus dem Leben des
Volkes, des Menschen heraus, muß die Flamme schlagen und gebieterisch Werke fordern, die ihm zur
Erhöhung seines Lebensgefühles, zur Verinnerlichung seiner Seele notwendig sind und von neuem die
Brücke schlagen helfen zum Übersinnlichen, das die Quelle aller Kunst sein und bleiben wird.

Qualität und Form
Betrachtungen zur Deutschen Gewerbeschau München 1922
von Walter Riezler

Hätte die Gewerbeschau keine andere Aufgabe, als die
Ungebrochenheit der deutschen Kraft nach dem verlorenen
Kriege zu erweisen, so wäre das genug, und gelingt der
Beweis, so braucht niemand mehr um Deutschlands Zu-
kunft zu fürchten. Aber alle diejenigen,* die von der Wich-
tigkeit der ganzen Fragen, um die es sich hier und bei
aller Werkbundarbeit handelt, wirklich im tiefsten über-
zeugt sind, verlangen von dieser Ausstellung mehr: den
Nachweis nämlich, daß die deutsche Arbeit nicht nur nicht
zurückgegangen, sondern vorwärtsgekommen ist. Daß wir
heute Besseres leisten können als vor acht Jahren, da die

große Werkbund-Ausstellung in Köln trotz allem Aufsehen,
das sie machte, den Nachweis, daß die Bestrebungen des
Werkbundes schon bis zur letzten Reife gediehen seien,
schließlich doch noch schuldig bleiben mußte.
Zwei Begriffe von scheinbar zweifelloser Eindeutigkeit
waren es, unter deren Herrschaft sich damals alles ver-
einigte: Qualität und zeitgemäße Form. Qualität, das
bedeutet das wiedererwachte Gewissen der deutschen Ar-
beit, die sich auf sich selbst besann, nachdem sie allzu-
lange dem Götzen des äußeren Erfolges und des raschen
Reichtums opfernd die Welt mit schlechten Waren über-

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