Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0746
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Wülfing, Walther: Ein Werk der Technik im Ammerland
DOI article:Die Technik auf der Anklagebank
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Jetzt ist die Hochbrücke soweit fertiggestellt,
daß die Ausschalung schon zum größten Teil abge-
nommen werden konnte und im Frühjahr nächsten
Jahres wird die Brücke dem Verkehr übergeben wer-
den können. Die Zufahrtsstraßen mußten auf dem
rechten Ammerufer um 2300 m. auf dem linken um
700 m verlegt werden. Die Kosten der Brücke sind
auf 645 000 Mark veranschlagt.
Die direkte Verbindung Augsburg - Garmisch-Par-
tenkirchen und Oberammergau - Hohenschwangau
wird nun bald über diese Brücke gehen und die Auto-
fahrer brauchen künftig nicht mehr das Verkehrs-
hindernis des „Echelsbacher Berges" zu fürchten,
das zu überwinden selbst für die modernen starken
Wagen bei Glatteis und Schnee oft eine Unmöglich-
keit war. Und wenn sie zu den Oberammergauer
Passionsspielen über diese Brücke fahren, werden
sie vielleicht einmal einen Blick in die schwindelnde
Tiefe tun und froh sein, die Schlucht nicht mehr auf
dem alten Weg durchfahren zu müssen, der man-
ehern von ihnen noch in unliebsamer Erinnerung sein Oktober 1929 Die Ausschalung ist größtenteils
wird. Walther Wülfing
schon entfernt
DIE TECHNIK AUF DER ANKLAGEBANK
So nennt Dr. Georg Schmidt seinen jetzt im
Druck erschienenen Vortrag, den er im Mai vor der
Ortsgruppe Zürich des Schweizerischen Werkbun-
des im Kunstgewerbemuseum Zürich gehalten hat.
Aus diesem Vortrag entnehmen wir eine Stelle, die
ein Schlaglicht auf das romantisch heimatschütz-
lerische Gefühl und die technische Entwicklung
wirft:
„Die Technik hat dem alten Handwerk den Boden
genommen. Schlimmer noch: sie hat die Gebilde
des Handwerks nachgemacht. Sie hat das hand-
werkliche Formgefühl, das handwerkliche Material-
gefühl zerstört mit ihren leichtfertigen, billigen Imi-
tationen.
Aber leider kümmert sich der Angeklagte sehr
wenig um diese Anklagen. Höchstens, daß sich die
Technik ein wenig maskiert, daß sie sich bemüht,
das Handwerksprodukt noch viel getreuer und uner-
kenntlicher nachzumachen, daß sie Dinge erfindet,
welche die ihr vorgeworfenen Schäden aufheben —
z. B. unterirdische Kabel, so daß wir bald um den
letzten Telefonmast einen Heimatschutzzaun ziehen
müssen, damit spätere Geschlechter überhaupt noch
wissen, wie solch ein gräßliches Ding eigentlich aus-
gesehen hat — sofern die Romantiker von 1950
die Telefonstange überhaupt noch gräßlich finden
und nicht vielmehr von der ,guten alten Zeit der
Telegrafenstange' weinen!"
642
daß die Ausschalung schon zum größten Teil abge-
nommen werden konnte und im Frühjahr nächsten
Jahres wird die Brücke dem Verkehr übergeben wer-
den können. Die Zufahrtsstraßen mußten auf dem
rechten Ammerufer um 2300 m. auf dem linken um
700 m verlegt werden. Die Kosten der Brücke sind
auf 645 000 Mark veranschlagt.
Die direkte Verbindung Augsburg - Garmisch-Par-
tenkirchen und Oberammergau - Hohenschwangau
wird nun bald über diese Brücke gehen und die Auto-
fahrer brauchen künftig nicht mehr das Verkehrs-
hindernis des „Echelsbacher Berges" zu fürchten,
das zu überwinden selbst für die modernen starken
Wagen bei Glatteis und Schnee oft eine Unmöglich-
keit war. Und wenn sie zu den Oberammergauer
Passionsspielen über diese Brücke fahren, werden
sie vielleicht einmal einen Blick in die schwindelnde
Tiefe tun und froh sein, die Schlucht nicht mehr auf
dem alten Weg durchfahren zu müssen, der man-
ehern von ihnen noch in unliebsamer Erinnerung sein Oktober 1929 Die Ausschalung ist größtenteils
wird. Walther Wülfing
schon entfernt
DIE TECHNIK AUF DER ANKLAGEBANK
So nennt Dr. Georg Schmidt seinen jetzt im
Druck erschienenen Vortrag, den er im Mai vor der
Ortsgruppe Zürich des Schweizerischen Werkbun-
des im Kunstgewerbemuseum Zürich gehalten hat.
Aus diesem Vortrag entnehmen wir eine Stelle, die
ein Schlaglicht auf das romantisch heimatschütz-
lerische Gefühl und die technische Entwicklung
wirft:
„Die Technik hat dem alten Handwerk den Boden
genommen. Schlimmer noch: sie hat die Gebilde
des Handwerks nachgemacht. Sie hat das hand-
werkliche Formgefühl, das handwerkliche Material-
gefühl zerstört mit ihren leichtfertigen, billigen Imi-
tationen.
Aber leider kümmert sich der Angeklagte sehr
wenig um diese Anklagen. Höchstens, daß sich die
Technik ein wenig maskiert, daß sie sich bemüht,
das Handwerksprodukt noch viel getreuer und uner-
kenntlicher nachzumachen, daß sie Dinge erfindet,
welche die ihr vorgeworfenen Schäden aufheben —
z. B. unterirdische Kabel, so daß wir bald um den
letzten Telefonmast einen Heimatschutzzaun ziehen
müssen, damit spätere Geschlechter überhaupt noch
wissen, wie solch ein gräßliches Ding eigentlich aus-
gesehen hat — sofern die Romantiker von 1950
die Telefonstange überhaupt noch gräßlich finden
und nicht vielmehr von der ,guten alten Zeit der
Telegrafenstange' weinen!"
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