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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Villon, Pierre: Gebrauchsgerät in Frankreich: eine Ausstellung im Gewerbemuseum Basel
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0085

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und der Dauerhaftigkeit entspricht. Dann würde es
sich lohnen, das Modell in Tausenden von Stücken
herauszubringen. Und dann könnte auch der Ent-
werfende, ich möchte fast sagen der Erfinder, für
sein Können und seine Arbeit wirklich so bezahlt
werden, wie er es verdient! Dann aber kann er auch
nicht acht Tage später ein neues, „besseres" Modell
schaffen, denn weder die Art des Sitzens, noch die
Körpermaße haben sich in dieser Zeit geändert,
noch steht nach so kurzer Zeit ein neues Material
oder eine neue Bauart zur Verfügung. Darum
sind die 115 Mark Honorar ein Hungerlohn. Ist
jedoch das Modell nicht gut, sitzt man schlecht auf
diesem Stuhl, ist seine Herstellung zu teuer, oder
hat es andere praktische Nachteile, die eine Serien-
herstellung unrentabel machen, wird es also nur an-
gekauft wegen seiner formalen Eigenart, dann ist
es auch dies Honorar nicht wert! Denn mit ein
bißchen Phantasie kann man alle zwei Stunden einen
Stuhl zeichnen, auf dem man schlecht sitzt, der viel
Geld kostet und eine originelle Form hat.

Aus diesen Gründen können die jungen Innen-
architekten, denen Standardleistungen ernsthaft
Ziel sind, kaum auf die Zusammenarbeit mit der
Industrie rechnen. Daher lassen sie das, was sie
ausarbeiten, in kleiner Zahl und von kleinen Werk-
stätten herstellen. Diese Methode hat jedoch den
großen Nachteil, daß sie unökonomische und unvoll-
kommene Produkte nicht durch das Spiel der Nach-
frage automatisch auszuschalten vermag, wie es
auf anderen Gebieten der Produktion geschieht. Ein
Stuhl, um bei diesem Beispiel zu bleiben, der nur
in 10 oder 20 Exemplaren hergestellt wird, findet
natürlich leicht die nötigen Abnehmer. Der Preis
hängt dabei weniger davon ab, ob der Stuhl billig
oder teuer zu konstruieren ist, als davon, ob die
Werkstatt, die ihn herstellt, teuer oder billig
arbeitet.

Wenn aus dem Vergleich der einzelnen Teile die-
ser Ausstellung und aus der Betrachtung dessen,
was sie zeigte, eine Folgerung gezogen werden soll,
dann kann es nur die sein, daß sowohl das noch

Kleintisch mit billiger Konstruktionsweise von R. Ginsburger,
Paris

Petite table d'un construction simple et bon marche
Small table, very cheap in construction

Türklinke von Fichet, ursprünglich für Schiffe bestimmt

Bequille de porte destinee anciennement aux bateaux
Door-handle, originally intended for use aboardship

Reisetasche von Moynat und Damentasche vom Pavillon
de Cuir"

Valise et sac ä main
Travelling-bag and lady's bag

lebendige Handwerk als auch die maschinell arbei-
tende Industrie immer dann organisch schönes und
natürlich gutes Gebrauchsgerät schaffen, wenn ihnen
nicht die Form, sondern die Lösung eines prak-
tischen Problems Ziel ist. Dann ist auch die Form
befriedigend, so lange sie durch Herstellungsweise,
Konstruktion oder Zweck bestimmt ist. Daß dabei in
manchen Fällen auch die Befriedigung der psycholo-
gischen Bedürfnisse ein Teil des Zweckproblems ge-
wesen sein muß, ist selbstverständlich.

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