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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0170

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Belebung und Reorganisation der an diesen Stellen
befindlichen Gewerbeschulen zu helfen, fehlgeschla-
gen sind. Diese wichtige Feststellung, die Pech-
mann in Bayern machen konnte, sollten sich diejeni-
gen Stellen merken, die das gewerbliche Schul-
wesen zu betrauen haben. In einem Fall hatte man
nämlich die Absicht, einem handwerklichen Quali-
tätsgewerbe zu helfen, indem man es dadurch auf
modernere technische Fabrikationsweise hinzuwei-
sen suchte, daß man einen kostspieligen Schulneu-
bau mit allen maschinellen Einrichtungen dorthin
stellen wollte. Die Not der Zeit hat das glücklicher-
weise verhindert, denn auch in diesem Fall, den wir
nicht gern nennen möchten, ist nicht zuletzt der
Grund des Niedergangs darin zu suchen, daß man
für eine weltstädtische Atmosphäre keine Dinge in
provinzieller Abgeschlossenheit herstellen kann.
Pechmann erläuterte sehr schön, daß das moderne,
wie wir hoffen zukunftsträchtige, Kunsthandwerk
aus einer geistigen Atmosphäre heraus geboren
wird, die mit dem modernen Leben und seinen
besten Werten in engstem Zusammenhang steht.
Das neue Kunsthandwerk orientiert sich um geistige
Kulturzentren.

Aus der Ausstellung „Arbeiten deutscher Holzwerkstätten". Reichs-
adler in Makassarebenholz, Schnabel und Klauen rotes Kaiserholz,
Grund vergoldet. R. Högner, Arbeitsgemeinschaft Winde, Staatliche
Akademie für Kunstgewerbe, Dresden

Wenn man die Ausstellung vom kunsthandwerk-
lichen Standpunkt aus ansieht und weniger von den
Fragestellungen her. die wir oben angedeutet haben,
so macht sie einen überraschenden Eindruck. Es
ist jedenfalls in hohem Grade interessant, zu beob-
achten, wie etwa eine Holzschale in vielen formalen
Verschiedenheiten vorkommen kann, ohne daß man
irgendwo von Gleichheit oder auch nur von großer
Ähnlichkeit sprechen kann. Das Holz und die Wahl
der Holzart, Form und Struktur des unbearbeiteten
Stückes sind Anreger für die Formidee des schöpfe-
rischen Holzschnitzers. Jede Schale ist eine kleine
Individualität, und man kann sehr leicht die Arbeiten
der verschiedenen Werkstätten unterscheiden, ob-
gleich dasselbe Material und ganz ähnliche Formen
dargestellt sind. Die kürzlich von der Gewerbeabtei-

Aus der Ausstellung „Arbeiten deutscher Holzwerkstätten". Reichs-
adler in Wassereiche. G. Weber, Arbeitsgemeinschaft Winde

lung des Bayerischen Nationalmuseums in einer Aus-
stellung zur Diskussion gestellte Frage der „ewigen
Formen" wird hier, allerdings von einem anderen
Standpunkt aus. beleuchtet. Eine zufällige äußere
formale Ähnlichkeit besagt noch gar nichts. Auch
solche Ähnlichkeiten finden sich natürlich in dieser
Ausstellung, und doch sind etwa solche zwei ähn-
lichen Holzschalen grundverschieden, selbst wenn
sie von demselben Künstler stammen, weil man als
empfindsamer Mensch nicht nur die äußerliche Form
sieht, sondern den Zusammenklang von Material,
Struktur und dem Leben der einzelnen Form erfaßt.
Wir werden wahrscheinlich schon im nächsten Heft
uns mit der Frage der „ewigen Formen" noch ein-
gehender befassen. Eigentlich ist es schade, daß
man auf dieser Ausstellung die Holzschalen von
Ludwig Gies nicht ausgestellt hat. Sie hätten das
Gesamtbild nicht nur bereichert, sondern auch ein
Beispiel einer höchst individuellen Formung des ein-
fachen Schalenmotivs gezeigt. Diese Ausstellung
hat das Verdienst, deutlich gezeigt zu haben, welche
lebendigen Möglichkeiten in der Gestaltung ganz
einfacher Formen im engsten Zusammenhang mit
Material und Struktur liegen. Es ist notwendig, daß
unser Sinn gerade für diese Werte immer mehr ge-
schärft wird, der uns angesichts der Arbeiten einer

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