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Frankl, Paul
Die Renaissancearchitektur in Italien: 1. Teil — Aus Natur und Geisteswelt, Band 381: Leipzig: Druck und Verlag von B.G. Teubner, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.67651#0064
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88 III. Die Zersplitterung des Stiles.
Vie klare Tektonik, die Gelenkigkeit aller Glieder, die Deutlichkeit
ihrer Funktionen als tätige — stützende und abschließend schützende —,
dieLxistenz von seitlich abschließenden Gruppen, die Möglichkeit, überall
Gruppen sehen zu können, dazu die Rhythmik, die stets etwas lebendig
Organisches hat, alles wirkt zusammen zu dem Eindruck einer orga-
nischen Einheit, eines gelenkig Lebendigen. Es ist kein Wunder, daß
das Prinzip der ähnlichen Figuren sämtliche Abmessungen beherrscht
und daß diese allesbestimmende Proportion die ruhigste von allen:
der Goldene Schnitt ist. Der diese Fassade entwarf, könnte hinter-
lassene Studien Albertis besessen haben, er war jedenfalls in Albertis
nächster Nähe groß geworden, im Sinne Albertis suchte er das ewig
Seiende mit dem rhythmisch Wechselnden in tektonischen Formen zu
vereinen, das Ruhige zu geben, aber das angespannte Ruhige, d. h.
Ruhe ohne jeden Beigeschmack von Untätigkeit, Schlaffheit, Müdigkeit.
Es ist eine elastische harmonische Rraftverteilung auf alle Glieder aus-
gebreitet, selbstbeherrscht durch einen lebendigen, wachen Geist?)
Vas ist die antikisierende Richtung, die Brunelleschis erste Anregungen
am reinsten sortsetzt, die Vauformen schafft, die der Kultur der Hu-
manisten am nächsten verwandt sind, soweit dieser Humanismus selbst
in Begeisterung für die verlorene Antike bestand. Der Meister der
Lancelleria benutzte Details der Porta Borsari in Verona, seine Gesamt-
komposition war aber durchaus modern, war florentinisch, die Antike
wirkt ihrem Geist nach, sie durchtränkt das Ganze mit organisch-rhyth-
mischem Leben, ohne das freie, zeitgemäße Schaffen zu hemmen oder
zu schädigen. Sangallo dagegen suchte sich schon enger an die Antike
anzulehnen, als er die antike Tempelfassade als fertiges Gebildeinseinen
Villenentwurf einfügte. So lag es nahe, daß diese antikisierende Richtung
einen antiquarisch gelehrten Zug annehmen konnte, der früher oder
später sich konsequent weiter entwickelnd zur unfruchtbaren lehr- und
lernbaren Nachahmung der Antike führen mußte.
Z. Sn Brescia begann l488 der Bau von S.Maria dei Mira-
coli (Abb. IS)?). Eine fast quadratische Gesamtform von drei Schiffen,
drei Jochen, also neun Linzeiräumen. Der Mittelraum ist aber nicht,
1) Vie Fassade ist nicht frei von Rudimenten, die diesem Gesamtstreben
widersprechen: die Rustika, die Medaillonteller über den Fenstern mit ihrer
in gotischer Art vertieften Rahmung, das Fehlen einer Betonung der Fassa-
denmitte, da die Kchsenzahl gerade ist. — Vie Rapitälzone scheint bemalt
gewesen zu sein.
2) Sn Abb. 18 sind die Kuppeln durch Rreise, die Tonnengewölbe
durch ihre in den Grundriß umgeklappten halbkreisförmigen Schildbogen
angegeben, man erkennt daraus auch die Richtung jeder Tonne.
 
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