Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 4.1935-1936

DOI Heft:
Heft 5
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.26619#0204
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Dornsirauch

!?ernab der lauten Stadt — im 5chatten einer INauer, die den Zrisd-
haf umschließt, lehnt ein kleines, wehmütiges häuschen mit stillen
Zenstern, und fast möchte man den Garten schmucklos nennen, der es
umkleidet, wenn nicht im hintersten Ivinkel ein Kosenstrauch in selt-
samer Zülle und Schönheit stünde. — Geradezu blutrot blühen diese
Rosen, und ihr Ouft lockt den vorüberschreitenden an, stille zu stehen
und andächtig zu staunen ob dieser betäubenden Sütze.

Nlit diesen Rosen hat es aber eine eigene Lewandtnis — und die
möchte ich hier erzählen.

vor einem Jahr, als die Rosen zum erstenmal wieder blühten, starb
das einzige Lächeln in dem stillen hause, welkte eine blasse vlüte —
vor übergrotzer Zreude an den vosen oder vor übergrotzer Müdigkeit
vom warten nach der Erfüllung seiner Sehnsucht. — vieses Lächeln,
das so bleich, so mutterlos war, gehörte einem kleinen 10 jährigen
Mädchen, dem blonden Nlariechen, das sein junges Leben auf blrücken
fortbewegen mutzte seit seinem ersten Lebensjahre. — Oie INutter des
Rindes hatte durch Leid und Enttäuschung mancherlei 5lrt schon längst
ihre weiche hand verloren für ihr einziges Rind — Rrüppel, wie sie
voll Bitternis dachte, und Rlein INariechen war einsam, wie sonst wohl
kein anderes Rind. Nicht datz sie dem Rinde etwas abgehen lietze in
bezug auf das versorgen, nein, darin tat sie ihre Pflicht, die Nlutter,
aber das Beste, was eine Mutter zu geben hat, das entzoq sie dem Mäd-
chen, das herz!

Oa suchte INariechen die Sonne drautzen in dem kleinen Garten —
und ;u dem Nosenstrauch, der einsam, verwildert im äutzersten winkel
stand, fatzte es eine besondere Zuneigung. — Oornstrauch — noch nie
hatte ihn INariechen blühen sehen, feindselig umgaben die Oornen die
dünnen Zweige, feindselig stachen sie in die hände der kleinen Rranken,
wenn sie sehnsüchtig darüber strich. Und doch immer wieder eilte Maris-
chen ;u ihrem Lieblingsplatz und satz dort unter den herabhängenden
Zweigen, blatz und sehnsüchtig. Ulle Ubend sang eine Nachtigall im
benachbarten Strauch eine jauchzende und zugleich klagende weise,
und dann drückt das einsame Rind lautlos ihr Röpfchen in die Zweige.
„Nrmer Oornstrauch. Ou siehst alle Eage die Soniie und hörst alle
Übend das Lied des vogels und schläfst doch so tief. Rann dich denn

Ich wartete auf Lu

Ejgentlich heitzt sie Luise, doch war ihr der Name, den ihr vater in
wohlachtbarer Nbsicht als Rufnamen auf dem Standesamt eintragen
lietz, zu altbacken, ;u prosaisch. Lu dagegen klang modern, ja mondän,
und für eben diese Oinge schwärmte die kleine Luise, die sonst mit
ihren einfachen, doch geschmackvollen Rleidern und ihrem strengen,
glattgescheitelten haar gesund und lieblich ausgesehen, wie eben
hübsche INädchen mit 22 Zahren auszusehen pflegen.

Oer Teufel war in das INädchen gefahren, seit sie letzten Sommer
auf ihrer Urlaubsreise im Nuslande Oinge gesehen, die ihrer beschwing-
ten phantasie als wünschenswertes Ziel äutzerer klufmachung oor-
schwebten. Täglich mutzte ich seit jener Zeit ihr Erstaunen über meine Ge-
schmacklosigkeit, die ich an sie verloren hätte, hören. Ulle Liebesbeteue-
rungen halfen nichts, alle zarten klufmerksamkeiten wurden schmerzlich
von ihr empfunden; Lu erklärte einfach, sie glaube mir nicht mehr.

Oann begann sie sich merklich zu ändern. Oie alte Zärtlichkeit schien
wiederzukehren, doch auch ihr Üutzeres änderte sich wie ein vogel in
der INauser. klus meiner Luise wurde eine Lu. Zhre wimpern schienen
mir gestrählt, ihre klugen erhielten einen merkwürdig strahlenden
Glanz und wurden von fürsorglich gezupften Brauen überwölbt.
Langsam nur gingen diese Oinge vor sich, und erst als ich die Zrische
ihrer Lippen beim Rutz vermitzte, merkte ich, datz das zarte Rot ihres
Lippenpaares aufgelegte pomade war. Oies böse wort, welches ich
ihr in meiner ersten Enttäuschung mit einem nachfolgenden Zrage-
zeichen entgegenschleuderte uni> die als weihnachtsgabe verweigerte
puderdose bildeten die ersten Ursachen einer vorübergehenden Rälte-
welle. Lu wurde patzig und schminkte sich nun in öffentlichen Lokalen
in meinem Beisein und zu meiner pein.

ülle versuche, sie wieder zu meiner von mir so geliebten Luise zu
machen, scheiterten an ihrem festen willen. Zedes INädchen, das in
seiner natürlichen Zrische unseren weg kreuzte und die ich wegen ihrer
schlichten, geschmackoollen üufmachung lobte, wurde von ihr als dumme
Sans bezeichnet. Lu dagegen wandelte als lebende Reklame kosmeti-
scher Nteliers einher und wurde mir täglich fremder.

Noch hatten meine Leschwörungen, nun nicht auch noch die letzte
echte Üutzerlichkeit ihren lächerlichen Neigungen preiszugeben, es ver'-
mocht, die schönen, schwarzen haare nicht „auf blond" gefärbt zu sehen,
als ich eine längere Geschäftsreise antreten mutzte.

wir schrieben uns täglich, und es schien, als ob die erste selige Zeit
unserer Liebe Nuferstehung halte. Zch war überglücklich und hoffte
insgeheim, nun würde alles wieder wie früher werden.

Von Zertrud Hinhe

niemand aufwecken, kann es die Nachtigall nicht, kann es niemand,
niemand, auch meine Liebe nicht." klber der Oornstrauch schlief weiter,
Zahr um Zahr war er nichts weiter wie eine wüste hecke. über INarie-
chen kam immer wieder, satz wartend — hoffend — glaubend neben ihm,
lietz die Oornen in die kleinen hände stechen, pretzte in grenzenloser
verlassenheit die Zweige an ihr herz und wartete auf eine Blüte.

Zn letzter Zeit ruhten manchmal der INutter üugen auf dem Rinde
wie in leiser Lesorgnis, wenn INariechen, nachdem es aus dem Garten
kam, so besonders farblos aussah und doch ein so eigenes Leuchten in den
klugen trug wie oon einem leisen Glück. — was war geschehen —
10 Tage vor INariechens Geburtstage hatte drautzen der wilde Strauch
Rnospen angesetzt — nach Zahr und Tag zum erstenmal wieder
Rnospen! — Oie Zrau hatte sich um den Sarten noch weniger wie um
ihr Rind gekümmert, drum trat ein helles Staunen in ihre üugen, als
sie wie zufüllig in den winkel trat ;u der osrgessenen hecke und die
Rnospen sah. Zreilich, sie hatte sich nie bemüht mehr um den alten Ge-
sellen, der wohl verstauben durfte von der Stratze her.

wie sorgfältig und liebreich war er gepflegt von welken Blättern,
vom Staub befreit und Rnospen, schwellende Lebensknospen zwischen
den Oornen. — Und dann — heute war der Geburtstag der Rranken,
noch schmäler und bleicher wie sonst aber mit einem glückhaften Leuch-
ten war sie heute, oon der INutter hinausgeführt, zu ihrem Strauch ge-
treten und staunend vor einem Rosenwunder gestanden. — Ounkelrote,
wie grotze Purpurtropfen hingen die Vlütenkelche über den Zweigen.

Uls gegen übend die Nachtigall wieder kam, um dem oergesjenen
Strauch ein Lied zu singen, da sah sie voller Staunen, datz er nicht mehr
allein war. Eben wollte sie denken, warum diese Rosenfülle so schwer-
mütig blühte und so blutrot war, da sah sie unter dem Strauch das kleine
INädchen mit den bleichen Wangen liegen wie eine welke zu Tode getrof-
fene Lilie, neben dem Rinde aber stand eine trostlose weinende INutter.

Oer Kosenstrauch hat seit der Zeit wieder das Leben gefunden und
blüht jedes Zahr in diesen pupurroten Zarben, datz die Leute meinen,
er hätte herzblut getrunken.

Orüben aber, jenseits der INauer unter Rosen schläft das Lächeln
des Gartens.

Von Karl Höskerep

Oer Tag meiner Rückkehr hatte sich infolge unvorhergesehener Um-
stände immer wieder verschoben, doch konnte ich ihr an einem Samstag
der letzten Nlaiwoche telegrafisch meine ünkunft für den Rbend mit-
teilen. Zch wollte sie zum Rbendbrot in einem Lokal in der Nähe des
Lahnhofs erwarten. Oas sollte ein Zreudenfest geben, und klopfenden
herzens satz ich am Rbend hinter einem grotzen, duftenden Zlieder-
strautz in einer Ecke des Lokals verborgen, um sie zu überraschen. Zch
hatte alles, was zu einem wiedersehensfest gehört, vorbereiten lassen
und hörte nun schon, in Träumen versunken, ihre Stimme zum Rlang
anstotzender weingläser. Oer Schlag der Uhr lietz mich aufschrecken.
Oie achte Ubendstunde, die Zeit unserer verabredung war da.

Ooch ich blieb allein. Nervös schaute ich von der Uhr zur Tür, ohne
meinen Platz hinter dem Kliederstrautz aufzugeben. INehrmals schon
hatten Gäste das Lokal betreten, Lu sah ich nicht. Sollte sie mein Tele-
gramm nicht erhalten haben? Oie Zeit verstrich. Neun Schläge auf der
Ühr, und mein hungriger INagen erinnerte mich rauh an das bereit-
stehende Essen, das nun für mich allein aufgetragen wurde.

Zwischen Suppe und dem zweiten Gang wurde ich ans Telefon ge-
rufen. Oas konnte nur Lu sein, und mit vorwürfen für sie geladen,
nahm ich den hörer auf. wie erstaunte ich jedoch, als es oom anderen
Ende der Leitung zornige vorhaltungen und zuletzt sogar Schluchzen
und Tränen gab.

5ie lasse sich nicht frozzeln von mir, und es sei überhaupt eine Un-
verschämtheit, sie ;u bestellen und nicht da zu sein und ähnliche Liebens-
würdigkeiten mehr bekam ich ;u hören. Zch fiel oon einem Erstaunen
ins andre und konnte dabei nicht zu worte kommen. Oann gab es einen
Rnacks in der Leitung — Lu hatte eingehängt.

Betrübt schlich ich nach hause, ärgerlich auf meine Unachtsamkeit
und den blöden Linfall, mich hinter dem Kliederstrauch zu oerbergen.

Noch bevor ich am nächsten INorgen meinen Raffee einnahm, über-
raschte mich meine wirtin mit der Erzählung von Lus letzter wand-
lung. Lie war während meiner Ubwesenheit blond geworden, wasser-
stoffblond, oder platin wie man diese INodefarbe nennt. Nun ging mir
ein Licht auf, warum ich Lu verfeylt, und ich entsann mich der auf-
fallend aussehenden Oame mit hellem, blondem haar, die mir den
Rücken zugekehrt, jemanden im Lokal zu suchen schien. 5o war das
also Lu gewesen, die mich hinter meiner Blumenfestung nicht gesehen
und die ich ihrer neuesten wandlung wegen nicht erkannt hatte. Lächelnd
dachte ich, datz wir Nlänner doch manchmal einen guten Einfall be-
lommen.

5
 
Annotationen