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NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 4.1935-1936

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Heft 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.26619#0231
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Oer holzschnitt hatte sich schlietzlich als vertrautes 5lusdrucks-
mittel herausgestellt, nicht als einziges, aber doch ist Wrage
immer zu ihm zurückgekehrt. Zwischendurch radiert, aquarelliert
er, malt auch einmal in Gl. Ooch der holzschnitt ist sein eigenstes.
Man mutz sich immer klarmachen, was cholzschnitt heitzt. Ls
wird da wirklich in holz geschnitten, und das holz steht uns Ger-
manen ganz besonders nah, je mehr nach Norden, desto mehr.
Oas holzschiff und das cholzhaus, vor allem aber die Nunen-
schrift im holz: das sind Oinge, die Nlaus Mrage, dem 5ohn
der holstenwälder, uroerwandt sein mutzten. cholm heitzt sein
heimatlicher Wald, und so war es recht, wenn er seine Werk-
statt: „holmpresse" nannte. Nkit ihr druckt er, was er wie Nunen
ins holz schnitt. Oem in Krankreich Gefangenen lag Oante nah,
der Oichter romanischer Zunge, dem nach hause Gekommenen
eröffnet sich der Norden und das Nordische, wie sie im Zchrifttum
überliefert sind. Wrage studiert die heiligen Nordlandbücher
der Edda. In einem halben Iahrzehnt oon 1926—19ZI entstehen
seine Gdda-Llockbücher: Oas Wielandlied, das Nlühlenlied,
Vrgnhilds helfahrt, helgis Wiederkehr, insgesamt 71 holzschnitte
und 24 Nadierungen (das INühlenlied).

Oie Vedeutung dieses grotzen graphischen Werkes ist nicht
gering anzuschlagen. Oenn es ist hier einmal so, datz der Weg
oom Lild zum Wort führen mag, weil beide hier beisammen
sind, in innigerer Einheit, als die „Illustration" neben dem in
gewöhnlicher Tgpe gedruckten Text jemals gibt. wer sich in
Wrages Llätter vertieft, nimmt den inneren Gehalt der Edda
zugleich mit der Wrageschen Gestaltung in sich auf. Insofern
haben diese Llockbücher erzieherischen Wert, womit der künstle-
rische nur erhöht wird.

Ourch eine wohlfeile Nusgabe ist das „Wölundlied" (mit einer
Ginleitung des präsidenten der Neichsschrifttumskammer l)r. h.
Zr. Llunck) jedermann zugänglich (als kleines Luch,- Zranz West-
phal verlag, Lübeck). k)ier kann sich jeder von den räumlich-tiefen,
aus dem Zchwarz herausgearbeiteten dramatisch lebendigen
Zchnitten packen lassen, wenn schon, wie leicht einzusehen, in
dem kleinen Kormat manches verlorengeht. Ooch soll denen, die
Nlaus Wrages Werk noch gar nicht kennen, das Ländchen sehr
empfohlen sein. Oas Grotze (und Grausige), das Lchicksalstarke
und heldische der Gdda ist dort hoch ausgedrückt. Gerade das
Weitz-Zchwarz des Wrageschen cholzschnitts lätzt in ungewissen
Lichtern jene nordische Welt als 5age heraufdämmern, das heitzt
als unverlierbaren Nkgthus noch einmal über den horizont sich
heben. Und die Nunst hat den vorteil, stärker zu beschwören als
die wissenschaftliche Nuslegung, ohne doch den Linn zu zerreden
und zuungunsten des Llutes ins Nbstrakte aufzulösen. Oer Zluch
des Goldes, der Gier nach dem Gold . . . hier ist er Lild geworden,
erschütternd und mahnend. ch. §r. Llunck setzt nicht zu Unrecht
über seine Einführung Nichard Wagners Worte: „G du einziges,
herrliches volk, das hast du gedichtet, und du selbst bist dieser
Wieland! Lchmiede dir Zlügel und schwinge dich auf. . .!"

Vom oolksgemeinschaftlichen Oenken des Nationalsozialismus
aus darf man die Ledeutung solcher „Lilderbücher" nicht unter-
schätzen. Wo das Wort nicht mehr spricht, wird das Lild noch ge-
sehen. hier aber ist das Bild nicht blotze Zorm, sondern drama-
tisches Geschehen, lebendiger Jnhalt. Oas gilt auch von dem
zweiten Lilderbuch Nlaus Wrages: „Oie Krau auf dem cholm",
Lallade in 18 holzschnitten nach dem Gedicht von k)ans Zried-
rich Llunck (im Propgläen-Verlag, Lerlin), gleichfalls wohlfeil
zu haben. Nuch hier ist das Wort mit in das cholz geschnitten, in
einer wunderbar kräftigen Schrift, so datz wir ein Llockbuch im
kleinen oor uns sehen. Lluncks Lallade, von grötztem innerem
Neichtum, gewinnt gleichwohl noch durch Wrages Lildwieder-
gabe, die sich den Gehalt völlig zu eigen gemacht hat. Eine glück-
liche vermählung oon Wort und Vild, in der das Lagenhafte
nicht archaisch, sondern ganz gegenwärtig wirkt, in der chöhe
und Lieblichkeit alter Götter und Göttinnen glaubhaft werden.

Wir sehen an dieser Ltelle oon Wrages anderen graphischen
Nrbeiten ab (es sind noch manche Werke in Lüchern und Nlappen

herausgekommen, Übersichten sind oom Nünstler, haffkrug,
Lübecker öucht, bei Voltmer, zu beziehen) und verweilen noch
bei seinen Edüa-Blockbüchern, die uns unter dem Gesichtspunkt
des Nordischen besonders angehen.

Es ist selbstverständlich, datz wir, wie den Text der Edda (Wrage
legt den oon §. Genzmer zugrunde) so auch die Lilder studieren
müssen. Oenn die Welt der Edda ist immerhin lange Zeit so fern-
gerückt gewesen, datz sich fast ausschlietzlich üie Germanisten um
sie gekümmert haben. Oas ist erst in jüngster Zeit anders gewor-
den: heute gehört die Edda zu den Zchätzen unseres bewutzt ge-
wordenen Germanentums und geht jeden Oeutschen an, der
Nordisches in sich fühlt. Ooch eben, diese herbe Welt will erobert
sein. Nnapp wie die Lprache mutz auch das Lild sein. Wrage
hat das erfatzt.

charsch und karg, aufrecht unü unmuckerisch, kurz: heldisch ist
der nordische Lebensraum der Edda (nordisch ist keine Hinlmels-
richtungsbezeichnung!). viel Grausamkeit oder uns heute grau-
sam Zcheinendes ist üarin. Nber Wrage, der im Weltkrieg an
seinem 2Z. Geburtstag acht Ltunden auf Tod und Leben oer-
schüttet war, „forcht sich nit". Llind und offenen Nuges hat er
der Lphinx gegenübergestanden. Er hat sich vor verdun in den
Geist der Edda eingefühlt, eingelebt. Zn „örgnhilds helfahrt"
heitzt es: „Oa lietz ich den Greis / Zm Gotenvolk, / Helm-Gunnar,
bald / Zur hel ziehen, / Gab Ngnar 5ieg, / Nudas öruder,- / Zn-
grimmig ward / Nlir Gdin drum." Wrage gibt das Gewog der
Neiter, der Lchilüe, fernhin gleitzend, sich bäumendes pferd des
zu Tod Getroffenen, darüber düstre, zackige Wolken, die wie
kämpfende Geschwader im Luftraum wiederholen oder begleiten,
was auf Erden geschieht.

Trefflich das Wikingerschiff in Wellen. Oa leben in Linie und
Khgthmus üie Woge und der öug in kräftiger Gegenbewegung.
Nn diesem ölatt beobachte man, wie „farbig" ohne Karbe der
holzschnitt zu sein vermag. Nkan vermitzt die Zarbe nicht, weil
sie da zu sein scheint. Wer die Nordsee bei Zturm und Gewitter
kennt, der wird das zugeben. Lewegung ist Nlaus Wrages Ele-
ment.

Er lebt nur in dramatischen Ltoffen. Oas Zdpllische, das Ztill-
leben liegen ihm nicht. Er ist berufen, das Lgmbolische nicht
in jener Nirchenruhe aufzubauen, wie die Nkeister des Nkittel-
alters taten, üie das Orama bändigten und stillstellten, eher um-
gekehrt: er entfesselt überall Geschehen. Oaher auch seine hin-
neigung zum Lagenhaften der Geister und Gespenster, der Nlben
und Oämonen. Ooch ist das Geschehen der Edda in aller drama-
tischen Unruhe zugleich sgmbolisch, und Wrage gelingt es, das
Ztürmische so darzustellen, datz es als solches sinnbildlich wird.
Oas ist eine hohe und schwere Leistung, weil ja eigentlich nichts
in einer bestimmten Lewegung verharren kann. vas Pferd,
sich bäumend, mutz doch wieder zur Erde zurück, üie fliegende
Lanze mutz an ein Ziel kommen usw.

Wrage trifft mit Zielsicherheit die dramatischen Nlomente,
die der Zeststellung zugänglich sind, in denen also Lewegung
„stehen" kann, ohne datz wir fürchten müssen, sie werde im näch-
sten Nugenblick zusammenbrechen. vgl. das Vlatt, wo der Gold-
spender auf Grani reitet! Oas baut sich bildlich zum Turm, der
feststeht, und doch sind die Nosse prachtvoll bewegt.

Lichtwirkungen des Tages, üer Oämmerungen, der Nacht
bringt Wrages holzschneidekunst ganz hervorragend. Nkit dem
Licht hat er Luft und Naum, haben seine Zchnitte Ntmosphäre,
und so ist er einer unserer unverwechselbaren Graphiker. Nls
Liebender unseres Landes und unserer Ursprungskräfte „schreibt"
er die nordische Götter- und heldensage in seiner eigenen kräf-
tigen handschrift, in der sie uns deutlicher wird durch seine Nunst.
Zeine „Edda-LIockbücher" sind wirklich Einmaligkeiten und oer-
dienen weit mehr Veachtung, als ihnen bisher geworden ist.
Oenn es ist schön, wenn ein Graphiker alles selbst macht, das
Lchreiben, das Zchneiden, das Orucken, das Einbandentwerfen
und Linden, die Nunst nah beim handwerk, wo sie von Gottes
und volkes wegen ihren platz hat.

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