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NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 4.1935-1936

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Heft 25
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https://doi.org/10.11588/diglit.26619#0986
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photo: Veiöl, ViejlVn a. Ummersee

ns Jugend treibt es in dieser Zahreszeit beson-
bers hinaus — auf Zahrt oder ins Lager im
kreise gleichaltriger Nameraden. Lrst dann ver-
wir ganz intensiv das werden und wachsen in der Natur,
wenn wir so natürlich, wie wir sind, ungezwungen, frei, ganz
unter uns diese Zeit drautzen miterleben.

heute erzählen wir nun aus verschiedenen Gegenden Veutsch-
lands, wie unsere Jugend pfingsten oerbringt. 5lll diese Lrlebnisse
aus Nord, Züd, Dst oder Mitte haben eines gemein: die Zreude
an der Gemeinschaft.

. . . auf der Infel

Sturm! vie Zischerboote schaukeln wild am Zteg. ver himmel
ist grau. Vie Sonne kommt nimmer 'raus. weitzer Gischt springt
auf den wellen daher und erreicht fast unsere Zelte. vie Zelt-
bahnen biegen sich im wind, reißen an den heringen, schlagen
donnernd gegeneinander. Kn Zchlaf ist nachts kaum zu denken,
bis wir uns an den Lärm gewöhnt haben.

vie mit Salz erfüllte Luft brennt in den Gesichtern. Wles ist
feucht und kalt. — Auch das ist pfingsten!

Mustergültig ist die Oisziplin. Über 1000 Iungen sind im Lager.
Mitten drin auf einem kleinen hügel stehen die Zahnenmaste.
vie hitlerjugend- und die schwarze Iungvolkfahne mit der weitzen
Siegrune flattern im Sturm. — ürbeit, vienst oon früh bis spät
und abends dann frohe Lagerabende in der grotzen Gemeinschaft
oerbinden uns zu fester Nameradschaft.

5lm 5lusgang des Lagers stehen Tag und Nacht wachen.
5lllnächtlich stürzen Zelte ein, da die heringe in dem weichen
Sandboden dem harten ünprall des windes nicht standhalten
können. Müde Iungen beginnen dann schlaftrunken mit dem
üufbau. 5lus härte besteht das Leben des Pimpfen, und diese
härte übt er hier, bei strengem vienst, aber auch beim Tollen,
bei Kesten und Keiern.

wenn sich drinnen im Vadeort Vadegäste bei Spiel und Tanz
amüsieren, wenn sie nach durchfeierter Nacht in weichen Netten
bis weit in den Tag hinein ihren Nater ausschlafen - sitzen wir
drautzen nachts um Lagerfeuer, liegen später auf harter Trde und
werden bei Tagesgrauen vom hornruf geweckt zu neuer 5lrbeit.

Unser Leben ist anders — freiwillig anders. Unser pfingsten ist
uns Trlebnis.


in Ver Heide

wir waren nur eine kleine Gruppe - fünf Nkädel beieinand.
wir wollten pfingsten auf unsere Nrt erleben. vorbereitet hatten
wir nichts. Dhne Ziel einfach ins Vlaue hinein zu wandern, das
wollten wir diesmal tun.

Was ist der Sonnabend doch für ein schöner Tag. 5o oerheitzungs-
voll! Und erst der pfingstsonnabend. Line sooo lange freie Zeit
glaubt man vor sich zu haben, und doch sind es nur zwei Tage.
5lber daran denken wir noch nicht. vorerst marschieren wir so
froh und frisch, den schweren Nffen auf dem Rücken, aus der Stadt
heraus. Ts ist so lustig, wenn der hordenpott klappert. wir singen
- und wenn wir müde sind, doppelt so viel. wir sind schon mitten
in der heide und die Sonne geht unter. Noch ehe die Vunkelheit
hereinbricht, mutz der Zeltplah gefunden, das Zelt aufgebaut,
wasser geholt, Zeuer gemacht sein. Zn einer Nlulde finden wir
den passenden plah.

Noch liegt die Sonnenwärme in den heidebüschen, im wachol-
der, im Nleinwald. ver Zrühsommerduft dringt würzig aus der
Walderde hervor.

Zn einem entfernten Sauernhof holen wir wasser und be-
kommen sogar einen Ztrohballen. Nlles wird ohne viel worte
schnell erledigt. Oer 5lbend soll frei sein aller 5lrbeit, soll nur für
uns sein. -vorfeier fürs pfingstfest.

Wir sitzen später um ein kleines verstecktes Zeuer. ver Nkond
scheint ganz hell hinein in unsere Nlulde. Leichter Nachtnebel
steigt auf und zeigt gespenstige Zormen von wacholderbüschen,
von niedrigem verknorrtem Nieferngestrüpp. Tee wird herumge-
reicht, denn das ist Zestgetränk in Norddeutschland. wie wohlig die
Wärme des Getränkes tut. Zlöten spielen dann leise, wir summen
dazu. Line liest ein paar Gedichte, eine andere erzählt aus längst
vergangener Nampfzeit. „weitzt du noch...." klingt's immer wieder
fragend auf. Und dann verstummt üas Gemurmel. wir schlietzen
den kleinen Nreis noch einmal und legen uns dann ins Zelt.
Zn der Kerne brüllen ein paar Nühe, ein Näuzchen ruft schrill
in der Nähe, und wir sind nur durch das dünne Zelttuch von der
Nacht getrennt.

vie Nkorgenkühle weckt uns aus tiefem Schlaf. Und dann laufen
wir weit hinein durch die tauige heide in den pfingstmorgen.

. . . auf 5er Telsenburg

heute schauen uns die Zelsen besonders freundlich an. Ts ist
ja auch ein so ganz strahlender pfingstmorgen. Tben ist die Sonne
aufgegangen. Unser Zelsen leuchtet ganz rotgolden.

Tin Namerad nach dem anderen kriecht auf die plattform aus
dem dunklen Loch heraus.

Zeden Zonntag waren wir hinausgefahren in unsere schroffen
Wände dicht an der Grenze. vie Stratze, die jetzt weih herauf-
leuchtet, die gehört schon zu Söhmen. wir hatten yeschaufelt und
gewerkt, das war auch Vienst, und so haben wir aus dem kleinen
zufällig beim Nlettern entdeckten Zelsenloch uns eine geräumige,
bewohnbare höhle geschafft. Ull der verwitterte Sandstein war
nun herausgeschaufelt, und eine rohe selbstg.ezimmerte vank be-
herbergte sogar unsere Uffen.

heute aber ist Zeiertag! heute feiern wir pfingsten, und die
Sonne lacht dazu.

Schweigend gleiten wir jetzt das vand hoch, der einzige Zugang
zu unserer ^elsenburg. Schweigend stehen wir auf dem verg.

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wir wollerr pfingstwasser
suchen gehen. Wir werden
unten im Tal eine chuelle
finden.

Zn den Schluchten, durch
die wir jetzt laufen, lagert
noch immer der Schatten.

Geröll löst sich durch un-
sere vielen schweren Tritte
und rollt polternd herab,
ist schneller als wir drun-
ten.

Unten aber ist die leuch-
tend grüne Nkaiwiese.
vicht mit Vlumen übersät
finden wir sie. Tin Säch-
lein rieselt durch. Wir
beugen uns einer nach dem anderen darüber. wir trinken daraus
und kühlen darinnen unsere Gesichter. wir spritzen das kristall-
klare wasser in die Luft. wir sind so frisch und froh, die ganze
Schläfrigkeit und Zteifheit der Glieder ist mit einem Nlale weg.

Noch ehe die pfingstsonne unsere Wiese trifft, noch ehe andere
Nlenschen vom Schlaf erwachen, sind wir wieder droben auf
unserer vurg.

Zrohe Zahrtenlieder hallen von den Kelsen zurück.

. . . auf 5er ^lehrung

Tin Lager ist errichtet im wald auf der Nehrung. Weitze Spih-
zelte inmitten grüner Läume. vie grotze rote HZ.-Zahne mit dem
hakenkreuz flattert im Lager. ver Seewind schlägt sie laut klat-
schend gegen den Nlast.

5o ist es immer, wenn wir zum Zahnenhissen oder zum Linholen
angetreten sind. Zmmer das gleiche. vie 5onne brennt vom
himmel, oft wird sie verdeckt oon eilenden Wolken, der kühle
immerfort wehende Zrühlingswind lätzt die haare fliegen.

Zeitig weckt uns der hornruf. ver Zrühsport wird durch ein
Vad im noch eiskalten wattenmeer beendet. Tagsüber wird ge-
arbeitet. Zur Lntspannung dann irgendwo im walde gesungen.

Uber endlose 5anddünen streifen wir dahin. Lassen uns vom
5eewind durchpusten, lassen uns den 5and gegen die haut,
gegen die blotzen gebräunten Glieder peitschen.

Zn langen Neihen ziehen wir über die Vünen dahin. 5lm 5lbend
heben sich die 5chatten unserer Gestalten vom dämmernden
himmel ab.

Nlanchmal fahren wir auch mit üem 5chiff weit hinaus auf
die 5ee oder immer an der Nüste entlang. Zu lustigen Liedern
tanzen wir alte Volkstänze.

Ls ist soviel Zreude in uns an dem wiedererwachten Leben.
5oviel vergessen des Nlltags.

vie Gemeinsamkeit und Nameradschaft ist dann am stärksten,
wenn wir nach all der Hreude, der 5lrbeit, des Trlebens, am Nbend
um dem Zeuer sitzen.

vieNunde ist dann ganz fest geschlossen.

. . . Zst pfingsten vorbei, dann reift das Zahr zur 5onnenwende,
dann überschreiten wir rasch den chöhepunkt des Zahres.

5onnenwende ist unser grötztes und heiligstes Zest. Varauf
heitzt es vorbereiten.

Pholo: Lurg, ^iiirnberg

Nicht dadurch, datz grotze Theaterstücke oder Gedichte gelernt
werden —nein, dazu ist die 5onnenwende zu ernst und naturver-
bunden. Nein Zeuerwerk, keine 5cheinwerfer verkitschen unser Sest.

Wir marschieren schweigend hinaus in die Nacht. Wir suchen uns
einen platz, der durch seine Tignung das 5onnenwendfest unter
allen anderen Zeiern heraushebt. Nlso, einen Berg, einen 5tein-
bruch — ein Wasser.

wir schlietzen den Nreis um das Zeuer, fest, denn wir gehören
zusammen und gerade in diesen 5tunden fühlen wir das am
ehesten. wir singen, vielleicht spricht einer ein paar eindringliche
worte. Ruft ein vekenntnis der 5onne zu. vielleicht patzt auch
ein guter 5prechchor in unsere Zeier. Nber nicht zu viel. Ze kürzer
eine Zeier, desto eindrucksvoller, desto mehr Trlebnis. Und das
soll unsere 5onnenwende sein.

wenn wir schweigend zusammengeschlossen ums nächtliche
Zeuer geschart sind, dann erst erwacht in uns das verstehen, das
verbundensein mit dem höchsten Zest unserer 5lhnen, dann wird
es erst unsere 5onnenwende.

I
 
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