Das LUberberger Loa!aweibr
Oas Lilberberger Boakaweibe
(5rau Berta Brückner — Line schlesifche Heimatdichterin)
Vor noch nicht allzu langer.Zeit konnte man beim hinaufkraxeln
durch die hauptstraße der Lergstadt Silberberg ;u linker hand ein Schild
finden, das in derbkomischer Mrze und Sachlichkeit verkündete:
Ich liebe meinen Gott und lasse ihn auch walten,
ich mache neue Schuh und flicke auch die alten!
wohl erhebt, wenn ich recht unterrichtet bin, dieses Sprüchlein im
Stile des Nürnberger Meisters nicht klnspruch auf Griginalität, immer--
hin aber blieb es nie ohne Wirkung; selten ging ein Wanderer ohne
ein mehr oder minder lautes Zchmunzeln vorüber, immer schuf es die
rechte Stimmung für den, der unser kleines, aus der vergangenheit
stehengebliebenes, vergessenes und verzaubertes Städtchen beträchtete.
kseut hält an diesem blumengeschmückten häuschen ein anderes Schild
den Llick des wanderers gefangen: ü packla Gedichte vum Silber-
berger Loataweibe sind hier fer 60 pf. zu haben. Ls ist die
Enkelin obigen Schuhmacherdichters. Wenn nun ein Verichterstatter vor
einiger Zeit die Lemerkung daran knüpfte, datz die Silberberger Vichter
anscheinend nicht mehr so wirklichkeitsfremd sind, so irrt er sich in diesem
Zalle wirklich. Ünser Lotenweib, die „Brücknern", denkt nicht so mate-
rialistisch,- die finanzielle verwertung ihrer Oichtkunst ist ihr erst von
befreundeter Seite nahegelegt worüen. — Und das ist gut so! venn sonst
wäre das, was diese Zrau sn kästlicher, postischer Üleinkunst geschaffen
hat, für immer verlorengegangen, und das wäre im hinblick auf die
Erhaltung unseres volkstums und Lrauchtums sehr ;u bedauern. Sie
ist nicht eine Gelegenheitsdichterin schlechthin, nichi eine Leimschmiede-
meisterin,- sie hat auch keineswegs stwelche Semester in poesie oder
Wetrik studiert: nein, sie ist ein Naturkind! halt! va muh ich mich be-
richtigen,- wenn ich sie als Nind bezeichne, so ist das ein, Ubertreikung:
denn sie hat bereits die 50 (nicht böse sein, Nluttel Vrücknern!) weit
überschritten, und das blonde haar ist schon sehr verdächtig weitz!
über, sie hatsich ihr jugsndliches herz, ihr jugendftisches Gemüt erhalten.
5ie schaut die Wunder der Natur mit dem unbefangenen Nuge des Nin-
des; ihr ist das Leben kein Zammertai, im Gegenteil ein gottgesegneter
Garten, obwohl sie vom Schicksal gar unsanft geschüttelt worden ist;
sre lacht auch am Regentage; ich glaube, an ihr ist eine volkserzieherin
verlorengegangen; sie gleicht der alten Waschfrau, von der Ghamisso
sagt: ihr war ihr heitrer Nlut geblieben. — viese Lebensbejahung, diese
Lebensfreude, sie kommt in all ihren kleinen Gedichien zum Nusdruck;
w:e treffend ist ihre Beobachtungsgabe, ihre Menschenkenntnis,- der
grötzte Wert aber liegt in dem köstlichen lhumor, ganz gleich, ob ihr
eigner Zunge Gimpel und Gamel verwechselt, oder ob der Gchse sich
beim Uhrmacher eine Lrille verpassen lätzt, oder ob sie selber beim
Geldzählen in der Nreiskasse halb den verstand verliert; immer mutz
man über diesen einfachen, ungekünstelten, volkstümlichen ftumor sich
ergötzen; es fehlte nur noch, datz sie ihre „Gedichtel" mit Lildern ver-
sieht: die Wilhelmine Busch wäre fertig! voch auch ernste Töne schlägt
sie an: sie gratuliert unserm Zührer zum Geburtstage, sie sehnt sich
nach der „lieben Schwester Lowise", sie bittet für arme Zerienkinder.
Gb Lust oder Leid, ob Zreude oder Schmerz, keine Regung der mensch-
lichen Seele, für die sie nicht in ihrer Rrt Rusdruck findet. — Über alles
aber geht ihr die fteimat! vas ist auch nicht ;u verwundern; sie ist mit
dem fteimatboden verwachsen; mit Stol; kann sie sich ;u der ältesten
eingesessenen Zamilie in Silberberg zählen; sie kann ihre arische Rb-
stammung bis zu den Zeiten des Rlten Zritz nachweisen.
!Nan darf nun an ihre kleinen Werke um Gotteswillen nicht den künst-
lerischen Nlatzstab legen, Unebenheiten im versmatz und in der Schreib-
weise darf man nicht kritisieren; sowohl der Nunstdichter wie auch der
Oialektforscherwürden Nkängel festzustellen haben, aber man darf doch
nicht vsrgessen, datz es eine einfache Zrau aus dem volke ist, die
wiederum ;u ihresgleichen, zum volke spricht; man höre serner, datz
ihr Nrbeitszimmer die — Nleinbahn ist, auf der sie täglich nach Zranken-
stein fährt! Oa sitzt sie nun: neben sich den huckekorb, vor sich das
Vlatt Papier, in der hand den Lleistift, im Ruge den Schalk!
Silberberg ist üurch einen grotzen Nriegsmann berühmt geworden,
durch den Rlten Zritz, und aus jener Zeit geistert noch heute im Munde
des volkes aus jenen Tagen die Esel-Liese, die Marketenderin des
Siebenjährigen Nrieges; und dann hat ein grotzer Oichter den Namen
Silberberg unvergetzlich gemacht: Zritz Reuter; und in dessen Schatten
lebt noch heute unsere kleine, für uns aber nicht unbedeutende volks-
dichterin, das „Silberberger Loataweibe".
Möge ein gütiges Geschick sie uns und unserer heimat noch lange
erhalten. Lengner
4-
Lrnle '
L! heesZer Hag, 's ies Lrntezeit,
Lis Scheunlur uffe schtiet angelweit,
Zum varderture der Knecht kimml 'raus
Und schercht an lara varnwoan 'naus,
Ll wischk sich vum gesicht a SchweesZ;
Nee, 's ies doch heute goar zu heesj!
Lei'm Hinderture schreit's „Hutti nei",
vnd's vule l5uder kimmt hinda rei.
Zlei giht is Obloada wieder lus,
2e klattern om Llarnscele hurtig nuf;
Kaum sein se uba, do fliega de gorba,
's gihl wie noch zähln, und kees hoot's verlorba;
Bergniecht schmesjt's ees dam andern zu,
Wenn's §uder lar ies, ies erscht Otuh.—
Oorl drausja >m I5elde beim Jnbiche hinda
Oo fanga zwee Weiber oan garschte zu binda,
vie sahn euch aus, die beeda OLanga,
Ols wellde die zweete de erschte fanga;
Ma koan su flink kaum de Lluga usreisja,
3u flink wie die BeeSa de Knucha schmeisja;
Doch läsjt sich de Lrschte balleibe nie kriefa,
Heidi, wie bei dar de Struhseele fliega;
2e rennt ei'm Kaluppe und sctnneszl de geleega.
Lis zwee oder dreie beisomma liega.
verhinderhar kimml itze glei de Zweete,
's sitl aus, ols wenn se en'n prigaln täte,
5e kniet us de g'leega und drickt und drehl,
Lis fartig de Zorbe les imgedreht.
ganz rutbloo sahn se schunl aus vum SchweesZe.—
Vernaba do schlihl a gewende vul WeesZe,
Oan haut derr pauer, und's Madel rofft ob,
5e koan kaum anooch, denn 's gihl blusj eim Orobb. —
Ll'm Wege do kimmt a Zunge geschwenkt,
's ies dar, dar olla de vasper brrngt,
Und glei leest olle» flink nuf zum ckleene,
Oerr pauer, de grusZemoad und de Kleene
Ziehn über de puttermilchkonne har,
Llnd ruhn nich, bis se ies klingelar. —
Ll lufligis Trr'ba oa olla Lnda,
Oe Llrbeit fleuchl olla alleen' aus 'a Hända,
Ilnd ieberoal wudelt's und wackelt's u'm l?elde. —
Oer grusZvoater zählt schunt ei'm geifle ml'm gelde.
cklernee, dos Woort „Lrnte" ies goar nich su leichte,
goar Moncher schunt under dar Lerde keuchke;
Ooch honn se a Lrnlekermskucha gegassa,
Hot jeder dann olle» dos Liese vergassa!
llus dem Heft: »ll neua» poikla fidrl« siedichke vum Lilberberger Loataweibe".
Oas Lilberberger Boakaweibe
(5rau Berta Brückner — Line schlesifche Heimatdichterin)
Vor noch nicht allzu langer.Zeit konnte man beim hinaufkraxeln
durch die hauptstraße der Lergstadt Silberberg ;u linker hand ein Schild
finden, das in derbkomischer Mrze und Sachlichkeit verkündete:
Ich liebe meinen Gott und lasse ihn auch walten,
ich mache neue Schuh und flicke auch die alten!
wohl erhebt, wenn ich recht unterrichtet bin, dieses Sprüchlein im
Stile des Nürnberger Meisters nicht klnspruch auf Griginalität, immer--
hin aber blieb es nie ohne Wirkung; selten ging ein Wanderer ohne
ein mehr oder minder lautes Zchmunzeln vorüber, immer schuf es die
rechte Stimmung für den, der unser kleines, aus der vergangenheit
stehengebliebenes, vergessenes und verzaubertes Städtchen beträchtete.
kseut hält an diesem blumengeschmückten häuschen ein anderes Schild
den Llick des wanderers gefangen: ü packla Gedichte vum Silber-
berger Loataweibe sind hier fer 60 pf. zu haben. Ls ist die
Enkelin obigen Schuhmacherdichters. Wenn nun ein Verichterstatter vor
einiger Zeit die Lemerkung daran knüpfte, datz die Silberberger Vichter
anscheinend nicht mehr so wirklichkeitsfremd sind, so irrt er sich in diesem
Zalle wirklich. Ünser Lotenweib, die „Brücknern", denkt nicht so mate-
rialistisch,- die finanzielle verwertung ihrer Oichtkunst ist ihr erst von
befreundeter Seite nahegelegt worüen. — Und das ist gut so! venn sonst
wäre das, was diese Zrau sn kästlicher, postischer Üleinkunst geschaffen
hat, für immer verlorengegangen, und das wäre im hinblick auf die
Erhaltung unseres volkstums und Lrauchtums sehr ;u bedauern. Sie
ist nicht eine Gelegenheitsdichterin schlechthin, nichi eine Leimschmiede-
meisterin,- sie hat auch keineswegs stwelche Semester in poesie oder
Wetrik studiert: nein, sie ist ein Naturkind! halt! va muh ich mich be-
richtigen,- wenn ich sie als Nind bezeichne, so ist das ein, Ubertreikung:
denn sie hat bereits die 50 (nicht böse sein, Nluttel Vrücknern!) weit
überschritten, und das blonde haar ist schon sehr verdächtig weitz!
über, sie hatsich ihr jugsndliches herz, ihr jugendftisches Gemüt erhalten.
5ie schaut die Wunder der Natur mit dem unbefangenen Nuge des Nin-
des; ihr ist das Leben kein Zammertai, im Gegenteil ein gottgesegneter
Garten, obwohl sie vom Schicksal gar unsanft geschüttelt worden ist;
sre lacht auch am Regentage; ich glaube, an ihr ist eine volkserzieherin
verlorengegangen; sie gleicht der alten Waschfrau, von der Ghamisso
sagt: ihr war ihr heitrer Nlut geblieben. — viese Lebensbejahung, diese
Lebensfreude, sie kommt in all ihren kleinen Gedichien zum Nusdruck;
w:e treffend ist ihre Beobachtungsgabe, ihre Menschenkenntnis,- der
grötzte Wert aber liegt in dem köstlichen lhumor, ganz gleich, ob ihr
eigner Zunge Gimpel und Gamel verwechselt, oder ob der Gchse sich
beim Uhrmacher eine Lrille verpassen lätzt, oder ob sie selber beim
Geldzählen in der Nreiskasse halb den verstand verliert; immer mutz
man über diesen einfachen, ungekünstelten, volkstümlichen ftumor sich
ergötzen; es fehlte nur noch, datz sie ihre „Gedichtel" mit Lildern ver-
sieht: die Wilhelmine Busch wäre fertig! voch auch ernste Töne schlägt
sie an: sie gratuliert unserm Zührer zum Geburtstage, sie sehnt sich
nach der „lieben Schwester Lowise", sie bittet für arme Zerienkinder.
Gb Lust oder Leid, ob Zreude oder Schmerz, keine Regung der mensch-
lichen Seele, für die sie nicht in ihrer Rrt Rusdruck findet. — Über alles
aber geht ihr die fteimat! vas ist auch nicht ;u verwundern; sie ist mit
dem fteimatboden verwachsen; mit Stol; kann sie sich ;u der ältesten
eingesessenen Zamilie in Silberberg zählen; sie kann ihre arische Rb-
stammung bis zu den Zeiten des Rlten Zritz nachweisen.
!Nan darf nun an ihre kleinen Werke um Gotteswillen nicht den künst-
lerischen Nlatzstab legen, Unebenheiten im versmatz und in der Schreib-
weise darf man nicht kritisieren; sowohl der Nunstdichter wie auch der
Oialektforscherwürden Nkängel festzustellen haben, aber man darf doch
nicht vsrgessen, datz es eine einfache Zrau aus dem volke ist, die
wiederum ;u ihresgleichen, zum volke spricht; man höre serner, datz
ihr Nrbeitszimmer die — Nleinbahn ist, auf der sie täglich nach Zranken-
stein fährt! Oa sitzt sie nun: neben sich den huckekorb, vor sich das
Vlatt Papier, in der hand den Lleistift, im Ruge den Schalk!
Silberberg ist üurch einen grotzen Nriegsmann berühmt geworden,
durch den Rlten Zritz, und aus jener Zeit geistert noch heute im Munde
des volkes aus jenen Tagen die Esel-Liese, die Marketenderin des
Siebenjährigen Nrieges; und dann hat ein grotzer Oichter den Namen
Silberberg unvergetzlich gemacht: Zritz Reuter; und in dessen Schatten
lebt noch heute unsere kleine, für uns aber nicht unbedeutende volks-
dichterin, das „Silberberger Loataweibe".
Möge ein gütiges Geschick sie uns und unserer heimat noch lange
erhalten. Lengner
4-
Lrnle '
L! heesZer Hag, 's ies Lrntezeit,
Lis Scheunlur uffe schtiet angelweit,
Zum varderture der Knecht kimml 'raus
Und schercht an lara varnwoan 'naus,
Ll wischk sich vum gesicht a SchweesZ;
Nee, 's ies doch heute goar zu heesj!
Lei'm Hinderture schreit's „Hutti nei",
vnd's vule l5uder kimmt hinda rei.
Zlei giht is Obloada wieder lus,
2e klattern om Llarnscele hurtig nuf;
Kaum sein se uba, do fliega de gorba,
's gihl wie noch zähln, und kees hoot's verlorba;
Bergniecht schmesjt's ees dam andern zu,
Wenn's §uder lar ies, ies erscht Otuh.—
Oorl drausja >m I5elde beim Jnbiche hinda
Oo fanga zwee Weiber oan garschte zu binda,
vie sahn euch aus, die beeda OLanga,
Ols wellde die zweete de erschte fanga;
Ma koan su flink kaum de Lluga usreisja,
3u flink wie die BeeSa de Knucha schmeisja;
Doch läsjt sich de Lrschte balleibe nie kriefa,
Heidi, wie bei dar de Struhseele fliega;
2e rennt ei'm Kaluppe und sctnneszl de geleega.
Lis zwee oder dreie beisomma liega.
verhinderhar kimml itze glei de Zweete,
's sitl aus, ols wenn se en'n prigaln täte,
5e kniet us de g'leega und drickt und drehl,
Lis fartig de Zorbe les imgedreht.
ganz rutbloo sahn se schunl aus vum SchweesZe.—
Vernaba do schlihl a gewende vul WeesZe,
Oan haut derr pauer, und's Madel rofft ob,
5e koan kaum anooch, denn 's gihl blusj eim Orobb. —
Ll'm Wege do kimmt a Zunge geschwenkt,
's ies dar, dar olla de vasper brrngt,
Und glei leest olle» flink nuf zum ckleene,
Oerr pauer, de grusZemoad und de Kleene
Ziehn über de puttermilchkonne har,
Llnd ruhn nich, bis se ies klingelar. —
Ll lufligis Trr'ba oa olla Lnda,
Oe Llrbeit fleuchl olla alleen' aus 'a Hända,
Ilnd ieberoal wudelt's und wackelt's u'm l?elde. —
Oer grusZvoater zählt schunt ei'm geifle ml'm gelde.
cklernee, dos Woort „Lrnte" ies goar nich su leichte,
goar Moncher schunt under dar Lerde keuchke;
Ooch honn se a Lrnlekermskucha gegassa,
Hot jeder dann olle» dos Liese vergassa!
llus dem Heft: »ll neua» poikla fidrl« siedichke vum Lilberberger Loataweibe".