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NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 4.1935-1936

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Heft 13
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https://doi.org/10.11588/diglit.26619#0507
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gls nun sternenklar die frühe winternacht heraufzog, seilte Zrau
holle ihr prächtiges kahengespann an ihren goldenen wagen und fuhr
in das oerschneite Land hinaus. Und sie fuhr so leise und geheimnisvoll,
dah keinesMenschenZeele sie hörte und sah. 5ie kam zuerst durch Vauern-
dörfer, und überall guckte sie durch die bcheiben in die 5tuben hinein.
Und in all den häusern, wo sie keine oder nur ganz wenig tiinder fand,
schütlelte sie ein wenig mit dem kopf, lächelte heimlich und stieg die
schmale Lodentreppe hinauf. Manchmal mutzte sie sogar eine hals-
brecherische Leiter hinaufklettern, aber das machte der Zrau holle gar
nichts aus. Und wo sie keine Leiter fand, schwebte sie eben zur Boden-
luke hinein. was sie dort oben machte? — Nun, ganz einfach: die uralte
Lauernwiege suchte sie. Und sie fand sie auch immer. Oenn in einem
rechten Sauernhause ist das so 5itte. va setzte sie sich dann gan; leise da-
oor, sang ein zärtliches wiegenlied und trat die Gangeln. Und wenn
dann die alte wiege so recht schön in Gang war, schwebte die hohe Zrau
leise, leise hinaus und ging zum nächsten chaus. Oie wiege aber wiegte
immer weiter, wiegte bis die Bauersfrau wach wurde und das Vuiet-
schen der Gangeln vom Loden hörte. vann kletterte sie wohl schnell
hinauf und stand dann gan; oerstört vor diesem seltsamen wunder.
Uber die wiege lietz sich nicht irre machen, was auch die Lauersleute
mit ihr anstellen mochten, sie wiegte weiter, Tag und Uacht. Oer Bauer
schimpfte: „5o ein stures rappelköppsches ving! hat man so was schon
gesehen?" und ging verärgert aufs Ield. vie Bauersfrau aber lief des
Tags oft heimlich hinauf und stand voller 5innen vor der leeren wiege.
Und manchmal geschah es, datz sie dann das wiegenlied hörte, das Zrau
holle gesungen hatte, und auf einmal war sie gar nicht mehr müde,
sondern ein grotzes, starkes Zreuen war in ihr, und sie faltete die harten
hände zum Gebet und sagte: „Na denn, lieber Gott, so schenk uns man
so 'nen lütten Iungen! Venn dat wiegen oon der leeren wiege, dat is
mich doch ;u dumm und schenierlich!" Und sobald sie so gesprochen hatte,
siehe, da hörte die wiege plöhlich auf und wartete... 5o kam's, datz
eine Lauernwiege nach der anderen in Gang kam und immer weiter
wiegte, bis die Bauersfrau sich ein Uindlein wünschte. —

In der 5tadt hatte es die gute Zrau holle freilich nicht so einfach.
venn, seht mal, da gab es doch gar keine so alten, buntbemalten wiegen
oie auf dem Lande. — was sollte sie denn da nun machen? — va dachte
ie sich etwas gan; wunderschönes aus. Überall, wo eine junge Zrau
loch kein Nindlein hegte, kam Zrau holle des Nachts ;u ihr im Traum,
egte die hand auf ihr herz und sprach: „5iehe, so mache ich nun dein
herz von Zleisch und Llut zu einer zarten, feinen wiege. 5ie soll dein
Llut wiegen, bis es nach einem Nindlein ruft." wenn dann so eine
junge Zrau des Morgens aufwachte, wutzte sie zuerst gar nicht, wie ihr
geschehen. Ts war ihr so sonderbar zumute, und immerzu spürte sie,

wie die zarte herzwiege ihr in gan; leisen 5tötzen an die Nippen pochte.
va geschah es dann oft, datz sie alle anderen Gedanken weit, weit fort-
schob und nur dem uralt heiligen Liede lauschte, das die kleine, lebendige
wiege so sehnsüchtig in ihr sang. Und die wiege hörte nicht auf mit
ihrem drängenden hin und her, ihrer steten Unruhe immerzu, bis die
junge Zrau schlietzlich ihren willen dreingab und seufzte: „Ich möchte
wohl doch, trotz allem, datz mir Zrau holle ein Nindlein aus ihrem
ewigen Lrunnen schickte." Oa stand auch diese wiege plötzlich still und
wartete. —

5o zog Zrau holle von v orf zu Oorf, oon 5tadt zu 5tadt im ganzen
deutschen Lande umher, und es gab nicht einen Grt, wo sie umsonst die
alten holzwiegen oder die jungen herzwiegen gerührt hätte. vann
kehrte sie mit einem glückseligen Leuchten in den Nugen zu ihrem weitz-
verschneiten Lerg im herzen veutschlands zurück. Ls stieg aber gerade
feierlich und hehr die weihnacht am himmel herauf, als Zrau holle oon
ihrem wiegengang zurückkam. va sprach sie ;u wode, dem weihnachts-
mann: „vie heiligen Lichtnächte nahen! Nomm mit mir;u den Men-
schen, datz wir sie segnen. 5ie wollen den Tod nicht mehr, sie haben sich
zum Leben bekehrt." — Nuf einer wolke stiegen sie empor und sahen
alles deutsche Land unter sich ;u Zützen liegen. wode aber sprach: „Zch
glaube dir nicht eher, als bis ich das alte Lichtzeichen wiedersehe/ das
hakenkreuz. Ts nützt nichts, datz sie es an ihre Nleider und Zahnen
heften, das heilige Gleichnis. Jn ihren herzen mutz es wohnen und
Licht und Leben in ihnen zeugen." — „5tiII", sagte Zrau holle, „gan;
still. Lausche jeht nur." va hörten sie beide, wie von der Trde her auf
den Glockenklängen der weihnacht alle die Bitten und wünsche der
Zrauen ;u ihnen emporstiegen, denen Zrau holle wiegen und herzen
gerührt. Lächelnd gewährte sie jedem wunsche Trfüllung: sie hob ihren
5ilberstab und siehe, da schwebten aus ihrem Teich die 5eelensternchen der
ungeborenen Nindlein ;u ihrem Zlug ins Menschenland empor, und
immer mehr wurden es und immer mehr, Tausende und aber Tausende.
— Nber ehe sie in die herzen der Mütter niedersanken, ballten sie sich
noch einmal oor dem dunklen Nachthimmel zusammen, formten sich zu
Gebilden und standen zuletzt als ein riesengrotzes, lichtstrahlendes
hakenkreuz zwischen himmel und Trde. Und die 5peichen des leuchten-
den 5onnenrades fingen an sich ;u drehen, langsam und feierlich, als
eine Gottesverheitzung neuen, jungen Lebens, als das ewige Zeichen
des wiedergeborenen Lichtes, das Ounkel und Tod überwindet. —

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