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NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 4.1935-1936

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Heft 23
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https://doi.org/10.11588/diglit.26619#0907
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l.)on Otto Aittelitt

Die Mutter Ottos 5es örojZen

üus dem Ounkel der deutschen Geschichte vor einem Iahrtausend
treten nur wenige Krauengestalten erkennbar heroor. Oas ist nicht ver-
wunderlich, denn die Zeit ist voll oon !<ämpfen. Lrst allmählich schlietzen
sich die deutschen Stämme ;u einer Linheit zusammen. Gerade von dem
Stamm der Sachsen, der tiarl dem Grotzen so viel zu schaffen machte,
geht anderthalb Iahrhunderte später die Gründung des ersten Neiches
der veutschen aus. Zn dem Grenzgebiet dieses Stammes wachsen
starke, kriegerische Kdelsgeschlechter in unaufhörlichen t<ämpfen mit
den Slawen heran, zwischen Mooren und heiden der Seeküste, zwischen
ungeheuren wäldern des weser-, Llbe- und harzgebietes liegen die
wehrhaften pfalzen und Surgen, aber auch ein Üran; stiller und schlich-
ter Nonnenklöster, in denen christlicher Glaube und christliche Gesinnung
gepflegt wird.

In einem dieser rilöster, herford, wuchs das Mädchen Mathilde heran,
das die Mutter des Legründers des ersten Reiches werden sollte. Jhr
vater, Graf Thiedrich, war ein Nachkomme jenes herzogs widukind,
des hartnäckigen Gegners Karls des Grotzen. Aber wie die meisten ihrer
adligen Gefährtinnen war Mathilde nicht im ttloster, um den Nonnen-
schleier zu nehmen, sondern um dort die für die Töchter der Gdelinge
übliche Kusbildung ;u erhalten. Sie lernten hauswirtschaft und hand-
arbeiten, weben, Spinnen und dergleichen und erhielten Unterricht
im Lesen und Schreiben der lateinischen Sprache. vie Lelehrung war
aber weder einseitig praktisch noch intellektuell,- das Schwergewicht
legte man auf die Uusbildung der Gemütskräfte und die christliche
herzensbildung. vadurch erhielt INathilde die entscheidende Nichtung
ihres wesens.

Lines Tages erschien im Uuftrage des Sachsenherzogs ein Graf
Thietmar bei der Abtissin von herford, erkundigte sich nach dem Mäd-
chen Mathilde und lietz es sich zeigen, es war damals wohl ungefähr
fünfzehnjährig. Ver herzog, so sagte er, habe viel gutes oon INathilde
gehört und erwäge ein verlöbnis mit seinem Sohne heinrich. Oer Graf
mutz gute Uuskunft und einen günstigen Tindruck von INathilde empfan-
gen haben, denn bald danach kam er zusammen mit dem Herzogssohn
wieder nach herford, und verkleidet und unerkannt betrachteten die
beiden gelegentlich des Nirchgangs die Kuserlesene. 5luch dieser Lesuch
hatte ein gutes Trgebnis, die verlobung wurde zwischen den Tltern
vereinbart, und heinrich holte seine Sraut mit fürstlichem Gefolge ab.
wahrscheinlich fand die vermählung bald darauf statt.

Siebenundzwanzig Iahre begleitet Mathilde, ohne viel von sich reden
;u machen, ihren Gatten, der 918 deutscher Nönig wird, durchs Leben
und schenkt ihm drei Söhne und zwei Töchter. va wir in dieser ganzen
Zeit wenig von ihr hören, können wir ihr Leben nur erschlietzen nach
dem Gesamtbild, das wir oon ihr und ihrem hause haben. Sie hatte
keinen politischen Lhrgei;,- trotzdem mutz sie ihren mildernden und be-
gütigenden Ginflutz geltend gemacht haben, auch bei politischen Gnt-
scheidungen ihres Gatten. vor allem aber war sie Zrau und Mutter.
Ts hat ihrem wirklichen Nuhme nicht geschadet.

heinrich war ein nüchterner und praktischer polrtiker, der nicht höher
hinaus wollte, als es die Lage gestattete, in seinen plänen eher ;u ;u-
rückhaltend als kühn. Nuch in der hofhaltung und Sewirtschaftung
seiner Lüter mutz er diese sparsame, gewissenhafte Linstellung gehabt
haben. vermutlich hat ihn gerade hier die Nönigin unterstützt und im
selben Geist gewirkt. Sie mutz, besonders in jungen Zahren, eine sehr
rührige Zrau gewesen sein, deren Leitsah war: wer nicht arbeitet, der
soll auch nicht essen. Man kann sich diese Nönigin denken, wie sie früh
aufsteht, begleitet von Zräulein von Nickburg durch die wirtschafts-
räume der pfal; geht, überall nach dem rechten sieht und das Gesinde
mit ruhigen, festen worten anweist. Sie prüft die Lrträge der Zelder,
der Molkerei, der hühner- und Gänsezucht. Sie sieht alles, es ist nicht
;u aller Kreude. Nber sie sorgt auch für die Leute. Sie sieht, wo ein
Nock schlecht wird, wo ein hemd zerschlissen ist. Sie kennt die häuslichen
verhältnisse der vienerschaft, der hofleute, der Nnechte und Mägde.
Sie besucht die alte INutter einer treuen Magd und schickt ihr vom
Dsterkuchen und einen Topf guten honig. Sie siht an langen winter-
abenden mit allen anderen in den Spinnstuben und bleibt dabei nicht
untätig,- ihre Kinger wissen den Zaden ;u drehen und sie singt mit den
Kleitzigen. Nndererseits ist sie eine strenge wächterin. wo sie erscheint,
da verstummt alles leichtfertige Gerede und die schlüpfrigen Lrzählungen
hören auf. Ls ist eine Ntmosphäre oon Nüchternheit und kühler
Strenge um sie, troh aller Güte und Zürsorge. Ls gibt eine Grenze für
ihr Mitgefühl und ihre hilfsbereitschaft, wo sie unnachsichtig wird.

Ver deutsche hof Nönig heinrichs hat altväterische Linfachheit und
Sparsamkeit, aber er ist auch bekannt, ebenso wie der Gttos des Grotzen
und seiner Nachfolger, wegen seiner Sittenstrenge,- dadurch unterschei-
det er sich sehr oon dern Narls des Grotzen, der selber urkräftig lebte
und es anderen nicht, nicht einmal seinen eigenen Töchtern verargte,
wenn sie gan; offen Liebesoerhältnisse hatten. Nm sächsischen hof ist
etwas oon jener germanischen Sittenstrenge, die Tacitus seinen Lands-
leuten gegenüber so sehr rühmte. Vas ist Geist und Nrt Mathildens,
die sich oon selbst auf andere überträgt.

Mathilde ist eine gläubige und kirchliche Lhristin. Zhr Tag beginnt
mit Gebet und endet mit Gebet^ keine Mahlzeit ohne einleitendes und
abschlietzendes Gebet. Nlle kirchlichen pflichten werden gewissenhaft
und streng erfüllt; reiche kirchliche Stiftungen gibt sie nach vielen Sei-
ten. Ze älter sie wird, um so mehr nimmt die Krömmigkeit oon ihr Le-
sitz, besonders nachdem ihr Gatte gestorben ist und sie auf ihrem Witwen-
sih das Leben einer Nbtissin führt und sich gan; vom hofleben zurück-
zieht. Zn diesen späteren Zahren neigt sie auch mehr ;u beschaulicher
Krömmigkeit. Zhrer hilfsbereiten, fraulichen Natur gibt sie durch reiche
Liebestätigkeit Nusdruck. Zweimal täglich versammelt sie in ihrem
Nloster einen Nreis oon bedürftigen Menschen um sich, kleidet und
speist sie persönlich und unter Mithilfe ihrer vienerschaft. Sonnabend
lätzt sie, wie es üblich war, durch ihr Gesinde vorüberkommende.arme
Krauen baden,- oft beteiligte sie sich selbst daran und wäscht sie, wie der
Lhronist sagt, „Glied für Glied". Solange sie konnte, machte sie sich
immer wieder auf den Weg, um in allen sächsischen Nonnenklöstern
nach dem Nechten ;u sehen und nötigenfalls durch Stiftungen oder
durch Lingreifen den Schäden abzuhelfen. So war sie bis ins Nlter sehr
tätig und nur Sonntags gönnte sie sich einsame Stunden der Lrholung,
die sie auf ihrem Zimmer mit Lesen verbrachte.

Zhre Ninder hat sie sehr geliebt, und ihnen galt viele Zahre hindurch
wohl ihre treueste Zürsorge. Sie erzieht sie alle im selben Sinn: sparsam,
einfach in der Lebensführung, selbstbewutzt und stol; gegen die Men-
schen, demütig gegen Gott. Zhr ältester Sohn, Dtto, hat den Zug tiefer
Krömmigkeit von ihr geerbt,- denn sein vater, Nönig heinrich, war
anders,- der verzichtete bei seiner Nönigskrönung auf die kirchliche Sal-
bung. von Dtto aber wird berichtet, er habe nie die Nrone getragen,
ohne durch Kasten und Leten sich darauf vorbereitet ;u haben. Nuf
Mathildens wunsch wird ihr jüngster Sohn, Brun, Geistlicher,- als Lrz-
bischof von Nöln war er ein neidloser und geschickter helfer des drei-
zehn Zahre älteren Nönigs. Line besondere Liebe scheint Nönigin
Mathilde ;u ihrem Sohne heinrich im herzen getragen zu haben. Lr
hietz nach dem vater und soll ihm an schlankem wuchs und Schönheit
ähnlich gewesen sein, aber er war von jähzorniger, leidenschaftlicher
Nrt, die ihn sogar zur Lmpörung gegen den eigenen Lruder Dtto
hinrih, aber dieser verzieh ihm immer wieder und gewann so den
Lruder schliehlich doch für sich. vie Mutter war nicht gan; unschuldig
an heinrichs Nebellion, denn sie scheint ihn oft bevorzugt und ihre
Nachsicht bei seinen Unarten ;u weit getrieben ;u haben. Oieser hübsche,
herrische Zunge war der einzige Mensch, gegen den sie manchmal schwach
wurde.

Man kann sich denken, was ihr Mutterher; auszustehen hatte während
des Nrieges der beiden Söhne gegeneinander. 5o hat sie alles daran
gesetzt, bald versähnung ;u erreichen und ihren Lemühungen gelang
es, den Zrieden wieder herzustellen. Ls ist ihrem Linfluh ;u danken,
wenn heinrich später mit einer rührenden Treue an dem älteren, be-
deutenderen Lruder hing. heinrich selbst hat die Liebe der Mutter innig
erwidert,- als er schwer krank, erst dreiunddreitzigjährig, den Tod nahen
fühlte, lieh er sich ;u ihr bringen, um sie noch einmal ;u sehen. Sein
früher Tod war für die Nönigin ein tiefer Schmerz. Lr tat ihr, wie sie
sagte, besonders leid, weil „sein Leben selten heiter gewesen war".

Nber so viele Sorgen ihr der Liebling machte, so glücklich und stol;
muh diese Mutter gewesen sein, als sie erlebte, wie ihr Nltester ;u
immer höherem Nnsehen und Nuhm kam. Sein Linigungswerk in
veutschland, seine Siege über die Slawen und die Ungarn, seine Grün-
dungen deutscher Lurgen und deutscher Lischofssihe und Nlöster im
Dsten, mutzte die Mutter tief beglücken. Lewegt und dankbar mutz ihr
her; geschlagen haben, als die Nunde ;u ihr kam von der Naiserkrönung
Dttos in Nom, denn der Naiser war der mächtigste herrscher der Lhristen-
heit. klber trotz dieses Glückes blieb sie einfach und demütig. Sie hatte
in ihren späteren Zahren, als sie meist im Nloster Vuedlinburg lebte,
etwas von der klrt germanischer Seherinnen und weisen Krauen, nur

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