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NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 10.1941-1942

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Heft 5
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https://doi.org/10.11588/diglit.2783#0106
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24. Zortlktzung


6ki'§el-i

Lovz-rtght bg Lrote'sche verlagrbuchhandlung. Lerltn

Der Lapitaine ging. Zm vorzimmer stand ein Mann in der Uniform der
französischen Zorstbeamten. ver Mann war der velegierte des ftanzösischen
Zorstausschusses, der Dbertommissar für die deschlagnahmten pfälzischen Staats-
forsten, moosieur Martin. Lr wurde noch einmal oorstellig wegen der anbe-
raumten versteigerung oon 50000 Zestmeter Nuhholz aus den pfälzischen wäl-
dern. Nn dieser versteigerung nahmen auch pfälzische Sägewerke teil. dlonsieur
Nlartin wollte üem Gouverneur den neuen plan betreffs Nusbeutung der
psälzischen Staatswaldungen unterbreiten, nämlich den verkaus gröherer Mengen
stehenden holzes im Umfang von etwa 450000 Zestmeter, alles hochwertige
hölzer erster Sodenklasse, darunter etwa 87000 Zestmeter Lichen, 275000 Zest-
meter Niefern, 65000 Zestmeter Suchen und 14000 Zestmeter sonstige holzarten.

dlonsieur Martin stand herrschsüchtig da, als der Lapitaine an ihm vorüder-
schritt, ihn plagten keine schwarzen Eedanken, er war ein vertreter des sieg-
reichen Zrankreichs am Nhein, sein Nmt «ar, einen wald vogelfrei ;u Napital
zu machen.

Ls war der 25. September 1923.

Nm 24. September bereits war di« Nufgabe des passioen widerstandes in
Serlin beschlossen worden, offiziell bekanntgegeben wurde diese Niederlage
eines ohnmächtigen und zuschanden getretenen volkes erst am 28. September.
Ls stand aber rechtlich und gesetzlich nichts mehr im wege, datz deutsche Säge-
werkbesitzer sich an der holzversteigerung beteiligten. Zu gleicher Zeit satzen
oiele hundert Zorstbeamte hinter Nerkermauern. Sie waren in schmutzige höhlen
gestopft, krank und elend und oerkommen durch die Sarbarei ihrer Ledrücker.
Ver Lkel fratz sich bi; ins Llut hinein, sie waren nichts mehr als das heer der
namenlosen vulder. Nus ihren Vualen, aus ihrem Schmuh und aus ihrem
stillen heldentum wuchs eine sonderbare Zlamme. viese Zlamme war noch
unsichtbor, verborgen und wundersam verkappt, wer aber Nugen hatte, der
sah sie voll unbeschreiblicher Zeierlichkeit zum himmel loüern.

Zn einer engen Nellerzelle in Landau sotz der Zorstmeister Lhristoph Nust.
<kr oersuchte, das Slut zu stillen, -as ihm übers Gesicht lief. Lin Marokkaner
hatte ihm den Schlüsselbund ins Gesicht geschlagen, als er sich über üen Schmuh
im Ltznapf beschwert hatte. Lhristoph klust, der INann mit dem Slut der hai-
geraidemenschen, trat vor üas brettervernagelte Zenster und starrte in den
dünnen Lichtpfeil, der durch einen Spalt in seine höhle hereinschnellte. Ls war
das Licht einer Stratzenlaterne. Lr hörte auch Schritte auf dem pflaster, Nutos
fuhren vorüber. hinter ihm lagen Menschen auf pritschen und versuchten zu schla-
fen. Lin fürchterlicher Gestank lag gistgeschwollen im Naum. vie Nuhr hockte
wie ein Gespenst in finsteren winkeln, manchmal liefen Natten aus Löchern.

Nicht weit von hier las im grohen Saal eines bekannten hotels ein junger
Zranzose au; den werken des grohen französischen vichters und venkers Mau-
rice Larrös, jene; eitel Nuhmsüchtigen, der da; linke Nheinufer durch die Magie
seines Geiste; für Zrankreich gewinnen wollte. Sein grotzer Lag konnte nicht
mehr weit sein.

Lr wuhte nichts oon den kleinen handbewegungen Gottes, von denen der
Lapitaine Marcel Zoreste gesprochen hatte.

Manchmal, wenn Lhristoph Nust in der höhle schlief, sah er seine wälder.
Lr ging sinnend unü staunend zwischen den uralten Stämmen dahin.

8

Nlaus Ningeis kam mit dem Zahrrad oon veidesheim, er hatte dort Sastian
Serghaus besucht, es waren zwei schöne Lage gewesen, auch wenn -er Zeind
im Lande war. ver weinherbst ging dem Lnde entgegen, noch waren di« Dk-
tobertage sonnig, im wingert hing schwer die letzte Zrucht. Morgens zogen
Schwärme von Menschen hinaus, zwischen den wingertzeilen regte sich geschäftig
da; Leben. vie Lrnte ües Zahres fiel in Sütten und Limer, die Lraudenmühlen
rasselten, iiühe brüllten, und manchmal wagte sich ein Lied scheu und ooll oer-
borgener öangni; in das gelbe Licht des herbstlichen Lages. Nbenüs zogen die
Menschen nach hause, Nuhgespanne schwankten über holperiges vorfstrahen-
pflaster, Nauch stieg au; Naminen, und di« lehten Zliegenschwärme umsummten
Mensch und Getier. Unü nachts regten sich die uralten Neltern, der neue wein
sloh aus geprehter Zrucht und wurde durch Schläuche in die ZSsser geleitet,
die unterirdisch erwacht waren und aus denen da; Summen und Sausen de;
rebellischen Rebensaftes stieg.

Nlau; Ningeis fuhr durch die weinberge, er war zuversichtlich und guter
vinge, denn hier war wirklich der Garten Gottes, ein Stück heimat, das einem
überraschend schnell ans her; gewachsen war. hier ;u bleiben und ein grohe;

Gut zu betreiben, erschien ihm nicht wenig verlockend. wenn er an das wein-
gut Sastian Serghaus dachte, schlug ihm das her; höher, und wenn er sich
gar mit den kühnen plänen dieses rastlos tätigen Mannes befahte, wenn er sich
die geplanten Dbstplantagen nach kalifornischem Muster und die gewaltigen
Maulbeerbaumanlagen längs des Gebirges vorstellte, dann konnte er sich wohl
denken, dah er hier bliebe für sein ganzes Leben, in einem Land, das seine
vorfahren in der Not oerlassen hatten, das jetzt wieder in der gleichen weise
und Schändlichkeit heimgesucht wurde und in dem man sich dennoch so merk-
würdig tief zu hause fühlte. Lr fuhr immer rascher, froh bewegt und von
kühnen Träumen geleitet, sein Unternehmungsgeist und sein jugendliches vrauf-
gängertum malten ihm oerlockende Silder, er vergah die Not der Zeit über der
Schönheit der göttlichen heimat und suhr wie in einen verzauberten Garten
hinein.

Nls er an den Nhein kam und sein Nad in den Schuppen de; Zischerhauses
stellte, sah er Zosepha aus dem haus kommen.

Lieber Gott, wa; für ein sonderbares Mädel war sie doch, da kam sie jetzt
mit gesenttem Nopf herbei, schlank unü wie eine Natze geschmeidig, mit jenem
wiegenden Gang, der den Nörper bei jedem Schritt nach oorn hob. klls sie oor
ihm stand, schleuderte sie die schwarzen haore aus dem Gesicht und schaut« ihn
aus den unergründlichen Nugen an.

„vu bist in veidesheim gewesen?"

„Za, Zosepha, ich war bei Sastian Scrghaus."

Zhr Slick wurde flackernd, er sah, wie ihre Lippen vor Lrregung zitterten.
„warum hast du mich nicht mitgenommen?"

„Zosepha,«ooher soll ich wissen, dah du mitwolltest? Zhr habt doch Nrbeit hier."
„Meine Geschwister sind auch noch da."

„Nber die müssen doch noch zur Schule, sie sind ja den ganzen Lag über fort."
„Sei still, du hast dich heimlich davongemacht. vu wolltest mich nicht mit-
nehmen."

„Ou hast dir bis jetzt nicht viel aus mir gemacht, Zosepha."

„Muh man gleich oerrückt in dich sein, weil du aus Srasilien kommst? Zch
mag dich gan; gern, aber ich könnte dich nicht lieb haben."

„vanke für üas offene wort. Und roarum mcht, wenn man stagen darf?"
„vas weih ich selber nicht, Nlaus. Nber ich hasse dich jetzt, weil du mich nicht
mitgenommen hast. Zch will dich nicht mehr sehen, warum bist du überhaupt
gekommen? Geh doch zur Zränz, die ist ganz toll nach dir. Zch will dich nicht,
dilde dir nur nicht; ein."

Nlau; Kingei; schaute sie verwundert an, was wollte die Natze von ihm?
Lr sah, wie ihre Nugen glänzten, es waren aber di« ausbrechenden Tränen,
-ie sie mit Gewalt zurückhalten wollte.

„warum weinst du denn, Zosepha?"

„Zch weine doch nicht, du Gummisammler."

„Sei un; in Srasilien nennt man das weinen."

Sie wischte sich mit dem handrücken über die Nugen, dann strich sie die haare
zurück, ihr Mund war rot und feucht geworden, die Lippen öffneten sich, denn
ihr Ntem flog rasch und unruhig.

„Sind sie drüben noch deim herbsten?"

„Natürlich sinü sie beim herbsten, «s sehlt nur an üen richtigen Leuten. So ein
paar Mädel wie die Zosepha sollte man haben, hat Sastian öerghaus gesagt."

Sie fuhr wie unter rinem Schlag zusammen, sie antwortete nicht gleich, «rst
nach einer weile stagte sie, mit Gewalt sich deherrschend.

„vu lügst ja, eine Schande wie du lügst!"

„Zch lüge nicht, er hat es gesagt."

Sie kam zu ihm und griff nach seiner hand. Sie lächelt« ihn an.

„hat er das gesagt, auf Ehr' und Gewissen?"

„Nuf Lhr' und Gewissen, Zosepha."

Lr packt« ihre hand fester und wollte sie an sich ziehen. Sie rih sich lo; und
wich zurück, dabei warf sie den Nopf nach hinten.

„Zch bin nicht so eine, wie du dir vorstellst."

Lr zog den hosengürtel höher und lachte sie voll an.

„Meinst du, ich achte dich so niedrig? Va hat sich schon einmal ein Ningeis
seine Sase nach Lrasilien geholt und dort geheiratet. Lr hieh Nlou; wie ich
und war mein Grohvater. Und di« Sase hieh Zosepha, wie du. ho ha ho,
was sagst du dazu? Mein Grohvater, der Nevoluzzer, Gott habe ihn selig,
hat wunderdinge erzählt, muht nicht meinen, dah ich hier stemd bin. vah
du nichts oon mir wissen willst, da; merkt ein Gummisucher im handum-
drehen." 8oitlel>una au! Seite 7S

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