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NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 10.1941-1942

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Heft 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.2783#0123
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Ostpreukiscke I^S.-k'l-Nuenscksft irn Xrießseinsstr

Auf üen Tag sind es nahezu vier Monate her, dah wir an der Grenze in Egdtlau
standen und den in Lis und Schnee auf- und abmarschierenden sowjet-russischen
voppelposten sahen. vie Litauen-Veutschen brachten damals schon manch böse
Sotschaft mit. Nun aber ist strahlende Sommerhelle und das Land da drüben
ist oor wenigen wochen, beinahe Tagen, von deutschen Soldaten genommen
worden. Zn den deutschen Grenzstädten geht man seiner gewohnten klrbeit
nach. vie Geschäfte, die werkstätten arbeiten wie früher, der Landmann geht
übers Zeld, und friedlich und unoersehrt liegen die Ncker an der Srenze. Und
doch gibt er vieles, das sofort erkennen lätzt, hier haben sich grohe vinge er-
eignet. virekt am niedergelegten Grenzpsahl steht ein gelbschwarzer Wegweiser
in der gewohnten Zorm, aber was darauf steht, da; ist einzigartig: „Nach Lerlin
7ZV kni, nach Paris 2000 üm, nach Nthen 2Wt> km, nach Narvik 2100 km, nach
petersburg dAIIim, nach INoskau 1100 Km." Zn wenigen Grtsnamen und
Zahlen ist da aus sparsamste Nrt üie Geschichte de; grohen Nrieges aufgeschrieben,
werden die Marschleistungen unserer Solüaten aufgezeigt und knapp und klar
bewiesen, wo überall üeutsche Soldatenstiefel marschieren oüer in kurzem mar-
schieren werden. Und auf den grohen Ltrahen nach Vsten, Südosten und nach
Norden wirbelt der Staub hoch, den nachziehende Nolonnen, zurückkehrende
Gruppen, Munitionrwagen, verpflegungsautos, Zeldküchen unü Lazarettwagen
als unvermeidliche Wegweiser zurücklassen.

Seit langem schon spürten wir Dstpreuhen die wetterzeichen am östlichen
himmel. Grenzlandbewohner sind hellhörig und scharfblickend. Nun aber ist die
Gntscheidung gefallen, und an den Wegen stehen die grohen Zeichen, die die
wehrmacht aufrichtete, und die Schilder mit der Nufschrift „Zur Zront". Nber
noch etwas anderes steht am wegerrand, Schilder mit den worten „Nach
100 Metern Lifrischungsstelle für Soldaten." Und wenn mon näherkommt,
dann sieht man die Lebensrune — das Zeichen üer NS.-Zrauenschaft, einen
farbenfrohen Gartenschirm, eine praktisch hergerichtete Sretterbude, und da-
hinter stehen die Zrauen mit Lrfrischungen: Saftwasser, kalter Naffee und Tee,
harte Lier, belegte Srote, Lrdbeeren und Nuchen. vem Gebot der Stunde ge-
horchend wurden diese Lrfrischungsstellen in üen ersten Tagen de; Nrieges
gegen Sowjetruhland au; der Lrde gestampft. heute sind sie schon eine wohl-
organisierte Linrichtung der NS§., deren Sestehen die Soldaten an der Dstfront
schon bis weit hinter Libau und Niga hinauf preisen und einander mitteilen.
Man sindet sie überall, in allen Grenzkreisen, von Memel über Egdtkau und
Lreuburg bis hinein ins neue Südostpreuhen. Nirgendwo lag ein Sefehl dafür
vor, überall wurde gehandelt. Und überall wurden haurwirtschaftliche Sera-
tungsstellen, Mütterschulen oder sonstige günstig am wege gelegene Näumlich-
keiten als Lrfrischungs- und Naststätte hergerichtet.

Zn Lilsit — an der Luisenbrücke — an -er breiten Memel besindet sich eine
solche Seratungsstelle, ununterbrochen sausen Meldefahrer, Nachschubwagen,
grohe und kleine Nolonnen über die Lrücke, hin und her. Und an der Strahe
weist sie das Schild in die Lrfrischungsstelle der NS.-Zrauenschaft. wir sitzen
eine halbe Stunde in dem freundlichen, mit Llumen geschmückten vorraum und
erleben eine Zülle von Nameradschaft zwischen Zront und heimat, denn jede
Minute betreten neue Soldaten den Naum, neue wasfengattungen, neue Ge-
sichter, doch unter jedem Stahlhelm, unter jeder Mühe das gute Gesicht des
deutschen Soldaten. Und jede Minute werden neue Getränke, örote, Lierspeisen
hereingetragen aus dem nebenbei gelegenen Nüchenraum, in dem unermüd-
lich, Lag und Nacht in treuer Nblösung, die Zrauen freiwillig arbeiten und
werken. Nlle Üeutschen Mundarten klingen durcheinander. Manch einer findet
sogar noch Zeit, in das ausliegende kleine Lästebuch einen herzlichen vank,
einen besinnlichen oder lustigen ver; «inzuschreiben. „Wir danken der Lilsiter
Zrauenschaft für lläsebrot und Nhabarbersaft.... Mit dem vollen Magen tön-
nen wir den Nussen besser jagen." Nlle Nrten oon Soldaten sind da vertreten,
sogar Nriegsmarine, Ärzte, Npotheker und Dffiziere aus dem hauptquartier des
Kührers. Ls tut gut, wenn man müde undabgespannt die groheheerstrahe gezogen
iommt, von guten Zrauenhänden etwas oorgesetzt;u bekommen. vie gestern
oüer oorgestern in Nichtung Zront fuhren, senüen heute durch entgegenkommende
Nolonnen Grühe und sogar Geschenke. Line litauische Niste mit guten vingen
langt an, die den Nameraden zugute kommen soll. Nuf dem Veckel trägt sie
schnell mit Lleistift geschriebenen vank unü Gruh unü natürlich... die Zeldpost-
nummer. vas erske Stück sür ein Nriegsarchiv wird dieser Nistendeckel werden.

Linmal ist der Sprecher einer westdeutschen Neichssenders dabei. Lr will bei
seiner «rsten Zriedenssendung der Zrauenschaft gedenken. Liner fährt vor, der
hat keine Zeit zum Nbsitzen, bittet nur schnell um einen kühlen Trunt. Staubig
und schweihverklebt ist -as junge Gesicht. Schnell eilen die Zrauen hinaus. Line
wäscht ihm das Gesicht, eine andere trocknet ihn ab und kremt ihn ein, eine dritte
gibt ihm Srot und reicht ihm ;u trinken. Zn wenigen Minuten kann er erfrischt
wieüer davonbrausen.

Zn allen Lrfrischungsstellen das gleiche Sild, die gleichen immer wieder auf-
rüttelnden Lrlebnisse. Man spürt üas hinterland der Zront. Lazarettschiffe
kommen die Memel herunter. Mit wieviel Liebe und hilfsbereitschaft sinü die
Zrauen am werk!

Nuf den Sahnhöfen spielt sich dasselbe öild ab, ein Nommen und Nbfahren.
ein kameraüschaftliches helfen und Geben. Zrgendwo steht auf dem Lahnsteig
ein junger Nrbeitsdienstmann, er ist doch kein Soldat, also wagt er sich nicht
recht heran. Lr wird geholt, freut sich, wird gesprächjg und erzählt, er habe ge-
rade Geburtstag gehabt. va noch etwas Zeit ist, wird ihm schnell cin Geburts-
tagsstänüchen gebracht, oon allen versammelten ein Nreis gebildet unü ge-
schunkelt, bis ein Zug voller Soldaten einfährt, die sich wiederum freuen, in
solch frohe Stimmung direkt hineingefahren zu sein.

Zrüh, gleich nach Sonnenaufgang staunen die Soldaten: „Schon so früh auf
seid ihr Zrauen?" — „Noch gar nicht schlafen gegongen, mein Söhnchen", ist
die Nntwort.

Line Nraftfahrkolonne kommt des weges, der Topf mit dem warmen Trunk
wird hinaufgereicht — aber schon zieht der Motor wieder an. „Nde Naffeetopf"
üenkt die Nameraüin, nicht so sehr wegen des Lopfe; als wegen der unter-
brochenen Nrbeit. Nber schon kehrt der Topf zurück. von der nächsten Strahen-
ecke ist er üurch oiele unbekannte hände heimgewandert.

von manchen ostpreutzischen Städten müssen sich die west- und süddeutschen
Soldaten eigenartige öilder gemacht haben, denn anüers kann man sich Nus-
rufe wie: „Ninder, diese Überraschung, und aurgerechnet in Gumbinnen" als
vank für die freizügige Sewirtung nicht erklären. Unzählige Zeldflaschen werden
gefüllt, unzählige vurstende mit Getränken versorgt, hungrige gesättigt, wenn
sie übermüdet der weges kommen.

Nber nicht nur üem fahrenden und ziehenden Soldaten gilt der vank der
heimat. vie Lazarette spüren ihn wohl noch mehr, noch nachhaltiger. Uberall
durften die Mitglieder der NS.-Zrauenschaft helfend eingreifen, oon der vor-
bereitung bis zur öetreuung, sogar dis zur Nachtwache und ersten hilfe. Zn
jedem Lazarett ist eine Lazarettbetreuerin der N5VNP. zuständig, eine Nmts-
leiterin, die mit Nrzt und Schwester sich berät und spricht. Täglich nimmt sie die
wünsche entgegen, die auch ausnahmslos erfüllt werden, ganz gleich, worum
e; sich handelt, Nasierzeug oder Schreibpapier, Sadeanzug oder Leselampe.
Sücher und Zeitschriften, hosenträger und haarwasser. Oie wünsche der Nrzte
und Schwestern lauten anders: Nackenkissen, Stöcke und oor allem pantosfel.
Zu Lausenden paaren wurden schon in diesen wochen oon der ostpreutzischen
Zrauenschaft genäht und tausende paare werden noch nötig sein, denn jeder
Soldat will „seine" pantoffel doch mitnehmen. Zn den Nähstuben sitzen unlere
Zrauen und nähen sich die Zinger wund. „Zn Nastenburg hat kein Mann mehr
einen hut", behauptet die Nreisfrauenschaftsleiterin. Sie sollen alle angeblich zu
pantoffelsohlen oerarbeitet sein. Zetzt werden die mit nicht sooiel direkter Nrbeit
am Solüaten beschäftigten Nreise den anderen helfen. Ganz Dstpreutzen unter
dem Zeichen des pantofsels!

ver Vank derGrenzlandbewohner ist bewutzt und anhaltend. Man sieht die Ge-
fangenen und weitz um so mehr, oor welchem Schicksal die Loldaten des Zührer;
das Land bewahrten. wenn irgendwo ein wunsch ausgesprochen wird, dann
kann er nicht nur einem, sonüern oielen Soldaten erfüllt werden. Zür einen
Schwerverwundeten wird um Sekt gebeten, schnell steht die Zlasche da: für einen
anderen um Geflügel. Nach wenigen Stunden können die ganzen Lazarette der
kleinen Stadt mit hühnern versorgt werden.

Und Nuchen! Ls ist kaum fatzbar, woher der oiele Nuchen kommt und — wo
die Soldaten ihn lassen. Nnscheinend können si« zu jeder Mahlzeit Nuchen ver-
tragen. Man sieht selbst staunend, wie ein staubiger Nraftfahrer, üem man ein
gut belegte; örot anbietet, schalkhaft lächelnd zum Nuchen greift. Za, den guten
hausgebackenen „wie bei Muttern", den lieben sie all«, üi« harten Nrieger.

Zn Memel versieht eine Nbteilung volkswirtschaft hauswirtschaft die grotze
Viätküche eine; Lazaretts, eine ebenso schöne wie gewissenhaft und froh aus-
geübte Nrbeit. Zn der Mütterschule werden pantoffel genäht und — weinflaschen
herausstaffiert. Zede Lazarettstube soll als Sonntagsüberraschung eine zur
„eleganten vame" frisierte Zlasche erhalten.

wir sprechen die Dberschwester eines grotzen Lazaretts. Sie ist voll vank
gegen die NS.-Zrauenschaft, di« in der ersten Ltunde der verwundetentrans-
port« sofort helfend einsprang. vie Schwestern sind so überlastet, dah sie an sich
selbst gar nicht denken können. Stolz weist die Schwester uns ihre blütenweihe
Schürze. Za, unsere Zrauen umsorgen auch die Schwestern, waschen und stopsen
sür sie.

vann fahren wir mit der Llettrischen der kleinen Grenzstadt ein Stück und
sehen eine endlose Nolonne Gefangener. was daherkommt, ist keine Menschen-
schar, sondern eine rohe Masse. Nlles noch junge Männer, also im Solschewis-
mus groh gewordene 16- bis 21 jährige. Stumpfe Gesichter, etwas geneigte
niedrige Stirnen, unter denen aber tückisch die Nugen hervorblicken. Und immer
wieder kommt der Gedanke: Zührer, wovor hast du uns bewahrt! Wenn diese
horden über uns gekommen wären!

Zu einem Zlugplatz kommen wir, nicht weit oon «iner kleinen Stadt. hier
arbeitet auch die NSZ. seit einiger Zeit. Zwar ist eine gut ausgerüstete Nüche
und ein netter Nameradschaftsraum oorhanden, aber üic öesatzung des Zlug-
platzes hatte keine Zeit, für sich ;u kochen, wohl auch keinen rechten Mut Ge-

Zorlsehung auf Seite 95

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