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NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 10.1941-1942

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Heft 14
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https://doi.org/10.11588/diglit.2783#0284
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lo in d«r kindlichen Leele. venn nur der erschrickl, der di« Zurcht kennt, und
nur der verdirbt, der unwahr ift und schwach und feig«!

So wird da; deutsch« Märchen die deutsche Iugend erziehen ;u aufrechten,
ftolzen, ftarken Menschen — nicht durch billige Moralpreüigten, sonüern durch
das tiefinnere Lrleben der Merte unserer kkasse und unseres Slutes,

Lewih: ein Kest bleibt, der jn diesen klahmen nicht passen will, wenn da
;, ö. die böse Stiefmutter (nicht, datz er die „Stief-Mutter" ift, ift hier wesent-
lich, sondern datz sie -ie verkörperung der dunklen, lebensfeindlichen iiräfte
ist!) dem vater „Schwarzlauer" kocht au; seinem toten ftnaben — wenn üer
held nicht im tapferen iiampfe die iiönigstochter erringt, sondern im „gedul-
üigen" Lrleiden aller möglichen Vualen - wenn die Lltern ihre iiinder im
Dalde im Stich lassen, weil sie in Not sind und nicht; ;u essen haben — so sind
das alles vinge, üie ;u unserem weltbild und ;ur deutschen klrt wenig passen
wollen, klber da;u sei gesagt: vie ilräste, die immer wieder durch viele Jahr-
hunderte am werk« waren, das üeutsche volk ;u lösen au; all seinen dluts-
mätzigen, oon eigener Släubigkeit getragenen Überlieferungen, di« sich bemühten,
e; in seiner haltung ;u schwächen und ftemden klnschauungen ;u;uführen,
di« haben auch das deutsch« Märchen nicht nur bekämpst, sondern e; teilweise
auch verbogen unü so seinen geheimen Sinn zerstört, Es wird ftufgabe unserer
Zeit sein. hier wieder üen wahren iiern aufzuspüren und so manchem deut-
schen Märchen wieder die Zassung ;u geden, die es ursprünglich besessen hat.

Znzwischen aber mag die deutsche Zrau und Mutter selbst mit wachem, warmem
her;en entscheiden, was sie ihren iiindern ;u sagen hat. Gst liegt gewitz der
weg, der hier beschritten werden kann, gar nicht so sehr weit vom bisherigen
wort entfernt, und wenn wir in den Märchenbüchlein des whw, im Monat
November bei „hänsel unü Gretel" lasen: „Einmal kam grohe Ceuerung über
das Land, und die Eltern beschlossen, sich von den stindern ;u ttennen, denn alle
vier konnten nicht mehr satt werden, Sie dachten, oielleicht würden hänsel und
Sretel oon guten Leuten aufgenommen ,.so mag das nur ein Seispiel da;u
sein, wie es war und was es wieder werden kann,
voch müssen wir hier zugleich sagen: hütet euch oor willkür! hütet euch auch
vor billiger Moral! verengt nicht das, was einst aus der schönen weite der
deutschen Seele wuchs! Und wer mit diesen vingen nicht zurecht kommt, der
möge sich lieber einftweilen an all die vielen „unproblematischen" Märchen
halten, bis einmal ;u den anderen aus berufenem Munde das letzte Vott ge-
sprochen ist, venn die Zeit, da das geschehen wird, ist nicht mehr all;u fern,
klllen aber, denen da; deutsche Märchen lieb ist, di« in ihm den herzschlag deut-
schen Slutes spüren, geben wir ein wort wilhelm Grimms mit auf den weg:

„varin bewährt sich jede echte poesi«, datz sie niemal; ohne Seziehung auf
do; Leben sein kann: denn sie ist aus ihm aufgestiegen und kehtt ;u ihm ;urück
wie die wolken ;u ihrer Gebuttsftätte, nachüem sie die Erde gettäntt haben,"

vr, hertha Ghling

Dlchterstchrt

Die woch« d«; deutschen Suches macht alljährlich die vichter mobil, Sie tteffen
sich dann auf Einladung oon Seichsminister vr, Goebbels in weimar, und es
war auch im Xriegsjahr« IS4I nicht anüers, viesmal sah man unter ihnen
auch vertteter vieler ausländischer Nationen, und si« müssen merkwürdige Zei-
ten «rlebt haben, wenn sie so ;ahlr«iche deutsch« vichter in Uniform erblickten,
wenn die verinnerlichte Lestalt hans Larossas an die Spitze eine; internatio-
nalen Vichterverbandes ttat oüer wenn der junge hans Saumann im feldgrauen,
mit dem Eisernen Xreu; geschmückten Leutnantsrock oon der Sewährung in der
Stille sprach,

klber weimar ist für die meisten von uns nur Ziel und neuer Nusgangspuntt
oiel weiterer Vichterfahtten, die mitten durch veutschland und da; deutsche volk
führen, e; ift feftliche Sast auf langen vottragsreisen, wie sie namentlich die
Suchwoche, ost;u wochen oerlängett, von uns fordett, welch einen oaterlän-
dischen Guerschnitt und Überblick können solche Reisetage bieten! Zch schlief
eine Uacht in unmittelbarer Uachbarschaft -es tiölner vom; und oerbrachte
stüheste Morgenstunden auf der wattburg, ich fuhr mit der Schwebebahn über
den fabtttteichen Lauf der wupper und ftand oor Goethes Gartenhaus, ich sah
den Shein und ftieg auf di« Sudelsburg über der Saale, ich fuhr durch die iirupp-
wette unü schaute ;u dem uralten iiaiserschloh von Merseburg hinauf, ich kam
an den Leuna-Wetten vorbei und wandette ;u des Nooalis Gebuttsschloh
Dberwieüerftedt, ich blickte über die hochöfen, Zördertürme und liohlenhäfen
des Nuhrgebiets unü weilte in Eisleben in Luthers Sterbezimmer,

Und doch blieb die hauptsach« die persönliche Serührung mit den gegen-
wättigen deutschen Menschen aller Stände und jeden Nlters, Zch las in öffent-
lichen Sälen und in Lazaretten, in Settieden und in Schulen, vor Literattschen
Gesellschasten und oor HZ, und SVM., ich las an vormittagen, Nachmittagen und
klbenden. Zu diesen veranstaltungen, ost erst im allerletzten klugenblick, ;u gelangen,
geriet nicht immer ohn« Nbenteuer. verbindungen waren nicht genau festzuftellen,
Züge waren überfüllt und verspäteten sich, und in stemden verdunkelten Städten
findet man sich schwer zurecht, voch was bedeutet üie; gegenüber dem Lmp-
fang, der einem allenthalben berettrt wird! Zn einer kleinen Stadt war da;
podium üder und über geschmückt, eine grohe Suchausstellung war aufgebaut,
feierliche Segrühungswotte wurden gesprochen, klassische Musik ettönte, ;um
Schlusse sangen wir „heilig vaterlanü" wie ein volkslied, und ich konnte er-
;ählen, dah ich doch üen vichter kenn«, Nudolf Nlerander Schröder, Sei einer
sonntäglichen Morgenfeier fehlte niemand oon den Geisthungrigen eines ruh-
grauen Dttes, der sein« «rste vichterlesung erlebt«, Zn einer Industriestadt
war der Saal ooll besetzt, obwohl die Zuhörer erst die Nacht vorher im Neller
verbracht hatten unü in möglicher Erwattung neuen kllarm; gleich nach mei-
nem letzten wott nach hause eilen muhten,

va widersttebt es einein, einfach nur ein Such oder mehrere aufzuklappen,
Man muh ;uoor mit den Menschen eine persönlich« Zühlung gewinnen und
stei au; dem Nugenblick heraus ;u ihnen sprechen. Man muh ihnen erzählen,
wer man ist, woher man kommt, wohin man geht, und ihnen deuten, was der
Sinn der öuchwoch« ist unü wie e; ;u den bedeutsamsten Erscheinungen dieser

Zeit gehött, dah veutschlanü gerade jetzt, wo e; in «inem Niesenkampfe leiden-
schastlicher und entschlossener denn j« das äuhere Neich schmiedet, auch inbrün-
stiger denn je am inneren Neich baut, dah man sehnsüchtiger denn je auch den
vichter rust und dah sich der vichter in Nttegs- und Papiernot wieder in einen
fahrenden Sänger oerwandeln muh, um das knapper gewordene gedruckte wort
lautbar ;u machen, e; Zleisch werden ;u lassen, vas oerpflichtet denn auch ;u
einer besonderen Ntt von Lesen, di« wahrlich kein Nblesen sein darf, VSs wort
muh bis in üen letzten winkel des Saales und womöglich auch der Seele dringen,
es muh genau so «ine Nunst des vorttags sein, wie es ;uvor eine iiunst des
Schreibens gewesen sein muh, welcher vichter sich da;u nicht berufen fühlt,
wer als vorttagender keiner angeborenen Leiüenschast solgt, keine Sendung
erfüllt, der sollte nicht auf vorttagsreise gehen.

Und auch das programm darf nicht starr sein, man muh es ost noch im letzten
Nugenblick umstohen können, wenn das Zluidum, das man beim öetteten des
poüiums oerspürt, etwas andere; oon einem oerlangt, als wos man sich dachte,
Man erlebt üa selbst die grötzten Überraschungen, Nkan liest im Nahmen eines
Lettiebsappells oor einer Gefolgschaft, deren Nrbeit einem «rst aufgeht, wenn
man vor sich in die Gesichter blickt: angesttengte Nlänner spielen ;ur Linleitung
ein Schubett-Lrio, und gan; oon selbst legt sich einem eine Nriegsgeschichte
auf üie Lippen, darin man erzählte, wie ein Soldat unter den worten und
tilängen eines Schubettlieües in den Tod geht. Nnderswo wird die Lesung mit
Gluck und HSnüel umrahmt, und ich kann auch daran anknüpfen: ich kann be-
kennen, dah ich diese Nleister üder alles liebe und dah ich ;eigen möchte, wie
auch für den vichter, selbst bei öehandlung alltäglichster vinge, eine grohe
musikalische Zorm oerbindlich sein muh, Dst aber sieht man sich gezwungen,
ein kleines vorttagsstück, das man beim erstenmal nur wie rein zufällig wählte,
in jeüer weiteren Lesung ebenfalls zu bringen, so gut oor jungen wie oor alten,
oor geschulten wie ungeschulten Dhren, Znfolgedessen sprach ich überall ein
34 Zahre altes Gedicht „Nuf einen Npfel" aus dem Gedächtnis, und es weckte
überall den gleichen spontanen widerhall. Und nicht nur dies Gedicht aus die
köstlichste öaumfrucht, sondern auch ein ttefernstes auf die edelst« Nckerfrucht
des ttornes stellte selbst dott, wo der hochmut ein ungebildetes publikum sieht,
noch die spännenüsten Lrzählungen in den Schatten,

Nber im allgemeinen muh man sich sehr rasch umstellen können, ver Lrfolg
eines öffentlichen Nbends hat e; etwa mit sich gebracht, üah man auch noch in eine
ttnabenschule gebeten wird, wo es dann gilt, die herzen einer erst heran-
wachsenden männlichen Zugend mit gan; anderen vingen zu tteffen: und schon
am nächsten Morgen sieht man sich bereits unerwattet einer genau so grohen
Mädchenschar gegenüder, die eben «rst von der Landoerschickung heimkommt,
va heiht «s dann ;u reden über die grotzen Nufgaben üer künstigen Zrau und
einen Lesestoff zu wählen, der möglichst au; den Lrlebnissen weiblicher ttind-
heit und Zugend «rwachsen ist, Gder «in groher Lazoiettsaal mit lauter stisch
verwundeten dämmett ernft oor dir auf in langen öettteihen, zwischen denen
«nggedrängt die leichter verletzten sitzen, vu bist ergriffen, du mutzt dooon reden,
dah auch du, einst im weltttieg, drauhen warst, und du weiht sofott, dah hier

Zortsetzung auf Seite 223

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