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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 1.1905

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Kempf, Friedrich: Ein "Barmherzigkeits"-Bild Lukas Cranachs des Älteren von 1524 in der Freiburger Münster-Sakristei
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https://doi.org/10.11588/diglit.2395#0035

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Kempf, Ein „Barmherzigkeits"-Bild Lukas Cranachs des Altern

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fürsten weiß, scheint er mit besonderer Vorliebe und
nicht ohne Ehrgeiz auf den meisten von ihm bestell-
ten Kunstwerken für ein sichtbares Zeichen seiner
Stiftung zur Sicherung seines^ Nachruhms gesorgt
zu haben. Allem Anschein nach hat unser Bild als
Schmuck eines Altares gedient, der, wie die meisten
Altäre im Königreich und der Provinz Sachsen, frei-
gestanden haben muss, so dass man um ihn herum-
gehen konnte. All diese Altäre waren auf der Rück-
seite mit flüchtigen Malereien, zumeist dekorativer Art,
versehen. Beliebt war besonders Rankenwerk mit
Wappen darin, oder auch Wappen allein. Diese Be-
malungen sind, wenigstens bei sämtlichen sächsischen
Werken, zumeist nicht in der Technik der Haupt-
gemälde, d. h. in Ol, sondern in Tempera oder Leim-
farbe ausgeführt. Bei vielen der gedachten Werke
ist die dünn aufgetragene Farbenschicht so weit ab-
geblättert, dass man kurzen Prozess machte und die
Tafel vollständig gesäubert und mit brauner Ölfarbe
überstrichen hat1. Dr. Flechsig ist der Meinung,
dass unser Bild nur das Mittelstück eines Altarwerks
sei, das ursprünglich noch Flügel gehabt habe. Aus
den über Kardinal Albrecht veröffentlichten Urkunden
und Aktenstücken weiß man, dass eine Anzahl von
Altären, die für die Stiftskirche in Halle entstanden
sind, Flügel gehabt haben.

Gleich anziehend wie die Art und Weise, auf
die das Wappen Albrechts von Brandenburg zu dem
Bilde hinzugekommen ist, ist für uns der Weg, den
das Kunstwerk genommen hat, bis es von seinem
Ursprungsort ins hiesige Münster gekommen ist, zu-
mal da Cranachbilder in Süddeutschland zu den
Seltenheiten gehören.

In unserem Lande besitzt die Fürstlich Fürsten-
bergische Galerie in Donaueschingen drei Bilder,
die Großherzogliche Kunsthalle in Karlsruhe deren
fünf und die städtische Kunst- und Altertümersamm-
lung in Heidelberg ein solches. Ein weiteres kleines
vorzügliches Werk von Cranach bewahrt Herr Vincent
Mayer in Freiburg2.

Unser Bild befand sich ehemals im Besitze der
Familie von Pfirt, eines aus dem Sundgau stammen-
den alten Dynastengeschlechtes. Mittelst Schenkungs-
urkunde der Freifrau Franziska von Pfirt, geb. Freiin
von Venningen, vom 27. Februar 1809 wurde das Bild
Eigentum der Münsterpfarrkirche3. In jener Urkunde
erklärt die Geschenkgeberin, dass sie „aus ganz freiem
Willen und nach reifer Überlegung der Freiburger
Münsterpfarrkirche als ein Eigentum für ewige Zeiten

1 Ich verdanke diese Mitteilung der Freundlichkeit des
Herrn Museumsinspektors Dr. E. Flechsig.

- Abgebildet bei Ed. Flechsig, Tafelbilder Lukas Cranachs
d. Ä. Leipz. 1900. Tafel 80.

Akten bei der Verwaltung des Münsterfabrikfonds.

Freiburger Münsterblätter I, 1/2.

überlasse: ein Originalgemälde vom Jahre 1541 von
Baldun Grün [sie ?], welches Christum auf dem
Grabstein sitzend, zwischen Maria und Johannes vor-
stellend mit einem großen vergoldeten Rahmen, der
5 Spangen breit und 7'/2 Spangen hoch ist." Mit diesem
unserem Cranach stiftete Freifrau von Pfirt noch zwei
weitere Gemälde, anscheinend aus späterer Zeit, so-
wie ein Kruzifix von Elfenbein, ein Meisterstück,
heißt es in der Urkunde, aus dem H.Jahrhundert [?],
auf einem neueren schwarzen Postamente. Des wei-
teren hat die Stifterin dem Münster vermacht einen
Topasstein von der Größe einer Haselnuss, durch-
sichtig, von schwefelgelber Farbe, von einer fein-
goldenen Sonne eingefasst, nebst drei andern einge-
fassten Topassteinen, die zusammen zu 40 Louisdor
angeschlagen sind. Bezüglich dieser kostbaren Steine
war es der Wille der Stifterin, dass sie an den oberen
Teil der großen Monstranz zu kommen und stets
einen Teil ihrer Verzierung ausmachen sollten. Der
Freifrau von Pfirt ist durch eine Deputation für die
Schenkung der Dank ausgesprochen worden. Die
Publizierung ihrer Schenkungen hat sie sich indessen
verbeten. Die über den Empfang der Gegenstände
im Münsterfabrikhause ausgestellte Urkunde ist da-
tiert vom 16. November 1810. Sie ist gefertigt in Ge-
genwart des Oberbürgermeisters Joh. Joseph Adrians,
des Münsterpfarrers Dr. Bernhard Boll, des Münster-
fabrikprokurators Jos. Anton Schwarz und des Ma-
gistratsrats Ferdinand Weiß.

Wie nun die Familie von Pfirt in den Besitz des
Bildes gekommen ist, lässt sich nicht mit Bestimmt-
heit ermitteln. Vielleicht gelingt es den Cranach-
forschern, in diese Frage Licht zu bringen, wozu
folgende Nachrichten beitragen mögen4. Betrachten
wir die nächste Verwandtschaft der Erblasserin, so
finden wir, dass Friedr. Gottfried Ignaz, der jüngste
Sohn jenes Freiherrn Johann Reinhard von Pfirt,
mit welchem die Familie 1648 nach Freiburg ge-
kommen ist, dem geistlichen Stande angehört hat. Er
war seit 1694 Domherr zu Basel und Eichstätt, Ka-
noniker des Ritterstifts Komburg und zu St. Burkhard
in Würzburg und vermachte bei seinem Tode 1726
der bischöflichen Kirche zu Eichstätt die Summe von
8000 Gulden zur Errichtung eines Hochaltars.

So gering diese Anhaltspunkte sind, so lassen sie
immerhin so viel Raum zur Vermutung, dass er ein
kunstsinniger, wohlhabender Geistlicher war, in dessen
Nachlass sich wohl auch Gemälde befunden haben,
die später in den Besitz seines Großneffen, des Gatten
unserer Stifterin, gekommen sein dürften. Anderseits

1 Ich verdanke dieselben der Liebenswürdigkeit des Herrn
Oberstleutnants Freiherrn von Althaus, der das Pfirtsche Familien-
archiv geordnet und einen Stammbaum dieser Adelsfamilie ge-
fertigt hat.

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