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Krebs, Maria mit dem Schutzmantel

mutung zur geschichtlichen Wahrheit erhoben worden.
Die Monumente lassen uns im Stiche. Mit die frühe-
sten sind die Mantelmadonnen am Freiburger Münster-
turm und vom Spitalhof. Wenigstens setzt K. Moritz-
Eichborn1 die Figur vom Turm in das beginnende
14. Jahrhundert und führt dann eine Bemerkung
H. Thodesan, welche das eben Gesagte bestätigt: „Das
älteste mir bekannte Bild ist das von einem Schüler
Lippo Memmis gemalte im Dom zu Orvieto befindliche
und das ähnliche Gemälde auf dem Hauptaltar von
St. Maria della Misericordia zu Arezzo". Dann sagt
Moritz-Eichborn: „Jedenfalls also scheint die Szene
ziemlich zur gleichen Zeit hier wie dort aufgetaucht
zu sein."

Somit reichen die erhaltenen Mantelmadonnen
in den Anfang des 14. oder höchstens in das Ende
des 13. Jahrhunderts hinauf.

Zu Beginn oder wenigstens in der ersten Hälfte
dieses Jahrhunderts aber kommt die Gottesmutter
mit dem Schutzmantel in einer Literaturgattung vor,
die durch die poetische Plastik ihrer Erzählungen
jedenfalls einen nicht geringen Einfluss auf die Kunst
ihrer Zeit geübt haben mag. Ohne irgend welche Be-
hauptung in dieser Linie aufstellen zu wollen, gebe
ich rein als Quellenmaterial für eine kunsthistorische
Bearbeitung der Frage im folgenden die Darstellungen
der Legendenliteratur wieder.

Der Mann, der die Marienverehrung in die wei-
testen Kreise getragen, war Bernard von Clairvaux.
Seine Ordensbrüder, die Söhne des hl. Robert, zeich-
neten sich, seinem Vorbild folgend, durch eine be-
sonders innige Hingabe an den Kult der Himmels-
königin aus, und so ist es begreiflich, dass uns in
der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Zaesarius
von Heisterbach eine ganze Reihe von Legenden auf-
bewahren konnte, die den Orden unter dem beson-
deren Schutze der hl. Jungfrau schildern. Uns inter-
essiert hier das 59. Kapitel im 7. Buche seines „Dia-
logus". Dort erzählt der Meister seinem Schüler:

„Ein Mönch unseres Ordens, der Unsere Frau
„gar sehr lieb hatte, wurde vor wenigen Jahren im
„Geiste entrückt und zur Beschauung der himm-
lischen Glorie geführt. Als er nun hier die ver-
schiedenen Ränge der triumphierenden Kirche sah,
„die Engel und Patriarchen, Propheten und Apostel,
„Märtyrer und Bekenner, und alle durch bestimmte
„Kennzeichen geschieden, ebenso die Regularkano-
„niker, die Prämonstratenser und Kluniazenser, da
„wurde er besorgt um seinen Orden. Er stand und
„schaute um sich, konnte aber niemanden davon in
„dieser Glorie entdecken. Da blickte er mit einem

„Seufzer zur seligen Gottesgebärerin auf und sagte:
„,Was ist, Allerheiligste Frau, warum sehe ich keinen
„vom Zisterzienserorden hier? Warum sind die
„Diener, die dir so treu und andachtsvoll gefront,
„von dem Mitgenuss so großer Seligkeit ausgeschlos-
sen?' Die Himmelskönigin sah seine Verwirrung
„und antwortete: ,So lieb und traut sind mir die vom
„Orden von Citeaux, dass ich sie unter meinen Ar-
„men wärmend hege'; und sie öffnete ihren Mantel,
„den man um sie wallen sah, und der eine wunder-
same Weite hatte, und zeigte ihm eine unzählige
„Menge von Mönchen, Konversen und Nonnen. Da
„jauchzte er auf und dankte laut, und er kehrte ins
„Leibesleben zurück und erzählte seinem Abt, was
„er gehört und gesehen2."

Noch einmal kommt Zaesarius oder vielmehr
sein Schüler auf diese Vision zu sprechen3; weiter
hat er den gnadenvollen Mantel nicht mehr erwähnt.

Zur Zeit des Zaesarius blühte in unglaublich
rascher Entwicklung ein Orden empor, der wie der
Zisterzienserorden die Verehrung der Gottesmutter
in besonderer Weise sich zum Programm gemacht,
der Orden der Predigerbrüder. Des Stifters Nach-
folger im Generalat erzählt, dass anlässlich eines
von ihm vorgenommenen von Erfolg gekrönten Exor-
zismus das abendliche Absingen des Salve regina
nach der Komplet zu Bologna eingeführt wurde, ein
Brauch, der sich von da bald durch die Lombardei
und danach durch den ganzen Orden verbreitete. Dann
fährt er in seinem Berichte fort:

„Nun erzählte mir ein glaubwürdiger Ordens-
„mann, er habe oft im Geiste Gottes gesehen, wie
„die Brüder Eja ergo advocata nostra sangen und
„wie dann die Mutter des Herrn sich vor dem Ant-
„litz ihres Sohnes niederwarf und für das Heil des
„Ordens betete4."

Diese Wirkung des Salve-Reginagebetes erhärtet
einer der frühesten Schriftsteller des Ordens an einem
Beispiel, das nunmehr die Schutzmantelidee auf die
Predigerbrüder überträgt. Bartholomäus Tridentinus
erzählt in seiner vor 1240 geschriebenen Vita Dominici:
„Der ehrwürdige Vater Dominikus, der mehr auf
„die göttliche Gnade als auf die Weisheit der Men-
schen vertraute, begleitete die Brüder, die er zum
„Predigen aussandte, mit eifrigen Bittgebeten. Wie-
„viel aber sein Gebet vermochte, will ich am Bei-
spiel zweier Brüder erläutern. Diese hatten eine
„Rekluse besucht, die beim Anblick ihrer jugend-

1 Der Skulpturenzyklus in der Vorhalle des Freiburger
Münsters. Straßburg 1899. S. 412 Anm. 315.

- Caesarii Heisterbacensis, monachi ordinis Cisterciensium,
Dialogus miraculorum (zwischen 1220 und 1230 verfasst). Ed.
C. Strange. Köln 1851. VII, 59.

3 Ebenda XII, 53.

1 Jordanus, Vita Sancti Patris Dominici (vor 1230 verfasst)
in: Acta Sanctorum. Mensis Augusti. I, 557.

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