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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 1.1905

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Flamm, Hermann; Albert, Peter P.: Ordnungen und Satzungen der Freiburger Münsterkirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.2395#0074

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Flamm, Ordnungen und Satzungen der Münsterkirche

kirche habe, die Errichtung einer zweiten Pfarrei mit
einem ortsanwesenden Pfarrer gestatten. Das Bittgesuch
machte Eindruck. In einem Schreiben vom 5. Juni
12471 beauftragte der Papst den Bischof von Konstanz
als zuständige Behörde, dem Verlangen der Frei-
burger zu willfahren, falls die Seelenzahl eine zweite
Pfarrei notwendig erscheinen lasse. Der weitere
Verlauf der Ereignisse ist nicht in allen Einzelheiten
bekannt. Das Ergebnis war, dass der bisherige Pfarrer
Rudolf mit einer Basler Domherrenstelle entschädigt
wurde2, sich aber zugleich, soweit sich verfolgen
lässt, bis zum Jahr 12523 als Pfarrer von Freiburg
bezeichnete. Gleichzeitig nennt sich so aber auch
seit 1247 der päpstliche Kaplan Graf Gebhard4, der
erwähnte Bruder des regierenden Grafen Konrad.
Der so gewalttätig eingeführte Pfarrer erfreute sich
der reichen Einkünfte seiner Kirche5 nicht lange.
Er starb wahrscheinlich zwischen 1252 und 12556.

etwa 4000 zu lesen, geht also nicht an, würde sich ungezwungen
auch nur aus der Anwendung arabischer Ziffern ergeben. Wie
auch die Zahl zu erklären sein mag, eine große Ziffer muss in
der Eingabe der Freiburger gestanden haben, die ohne eine solche
überhaupt alle Pointe verliert und zudem eine weitere Begrün-
dung des Bittgesuchs ja gar nicht enthält. Das gewaltsame Vor-
gehen der Grafen, die wegen ihres verstorbenen Oheims, des
Kardinals Konrad von Porto, und wegen ihrer Parteinahme für
die päpstliche Partei gegen Kaiser Friedrich 11. bei der Kurie
sehr gut angeschrieben waren, durften die Freiburger auf keinen
Fall erwähnen; es wird in der Tat in dem päpstlichen Entscheid
an den Bischof von Konstanz gar nicht genannt. Eindruck zu
machen war also eine große Seelenzahl der Pfarrei am besten
geeignet. Andernfalls hätten die Freiburger die Entfernung des
gräflichen Pfarrers, aber nicht die Gründung einer zweiten
Pfarrei verlangen müssen.

1 Berger Nr. 2845.

- In einer Urkunde vom Jahr 1248, Zeitschr. f. d. Gesch. d.
Oberrheins. 9. Bd. Karlsr. 1858. S. 328, nennt er sich R. canonicus
Basiliensis, plebanus in Friburg.

3 Das. S. 330.

1 Dass Gebhard, nicht Rudolf die juristische Vertretung
der Pfarrei hatte, beweist sein Übereinkommen mit den Frei-
burger Dominikanern zu gegenseitiger Wahrung ihrer Rechte;
siehe H.Finke, Die Freiburger Dominikaner und der Münsterbau,
Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-,
Altertums- und Volkskunde von Freiburg. 17. Bd. Freib. i. Br.
1901. S. 175 f.

'"' Nach dem Liber decimationis vom Jahr 1275, Freiburger
Diöz.-Archiv, 1. Bd. Freib. i. Br. 1865. S. 204, zahlte der damalige
gräfliche Pfarrer allein von seiner Freiburger Kirche 13 Mark
Silber für den Kreuzzugzehnten, hatte also von ihr ein Jahres-
einkommen von 130 Mark Silber, eine für damalige Zeiten sehr
große Summe, die 60 Pfund reinen Silbers gleichkommt. Nur
wenige Geistliche des großen Konstanzer Bistums, wie die Äbte
von Salem und St. Blasien und einige wenige andere hatten
gleiche oder noch größere Einkünfte.

" Gebhard verschwindet von 1252 ab vollständig aus der
Geschichte, siehe Finke S. 176. Das Datum des Todestages
ist der 20. September. So das Melker Seelbuch der Straß-
burger Kirche, herausgegeben von Wilh. Wiegand, Zeitschr. f.
d. Gesch. d. Oberrheins. N. F. 3 (1888), S. 77—103; 192 205, wo
es S. 196 zum 20. September (XII Kai. Oct.) heißt: eodem die
obiit Gebehardus comes de Friburc, in cujus anniversario divi-
duntur fratribus presentibus in coro X uncie, que dantur de II ortis
in Erstein, quarum V in vigilia, relique V in missa distribuuntur.

Sein Nachfolger als Pfarrer von Freiburg war Kon-
rad, der dritte Sohn des regierenden Grafen Kon-
rad. Der neue Seelsorger war noch ein Kind im
Alter von allerhöchstens 10 Jahren7. Er hatte die
Stelle bis zu seinem Tod am 2. Oktober 1301 oder
1302 inne, verbrachte aber einen großen Teil seines
Lebens außerhalb Freiburgs. Auf ihn folgten in der
Pfarrei andere Mitglieder der gräflichen Familie bis
in die Mitte des 14. Jahrhunderts.

Für die Besorgung der Pfarrangelegenheiten hatte
das widerrechtliche Vorgehen der gräflichen Familie
die wichtigsten Folgen. Die hochadligen Pfarrer
waren natürlich nicht imstande und auch gar nicht
willens, sich mit der Seelsorge abzugeben. Es wurde
deshalb, wie damals auch anderswo Unsitte war, vom
Pfarramt das sogenannte Rektorat geschieden, dessen

Die jüngsten Einträge dieses Seelbuchs stammen nach Wiegand
aus den siebziger Jahren des 13. Jahrhunderts. Die obige Stelle
ist als Nachtrag kenntlich gemacht. Etwaige Zweifel an der
Richtigkeit des Datums, die sich aus diesem Umstand ergeben
könnten, werden durch eine anderweitige Bestätigung behoben.
Nach S. Riezler, Gesch. des Hauses Fürstenberg. Tüb. 1883. S. 100,
gibt ein Nekrolog des Konstanzer Doms unter den vor 1274
gemachten ältesten Einträgen als Todestag des Grafen Gebhard
von Freiburg, Domherrn zu St. Marien zu Konstanz, ebenfalls
den 20. September als Todestag an. Graf Gebhard, der auch in
Straßburg Domherr war, und eine Multitudo von Pfründen in
sich vereinigte, so dass er unfähig war, ein höheres Kirchen-
amt einzunehmen, hat also auch noch eine Konstanzer Dom-
herrenstelle innegehabt. Um seinen Wunsch, Bischof zu werden,
zu erreichen, verzichtete er 1252 auf vier seiner Ämter (Berger
Nr. 4454 und 4460). Er ist jedoch vermutlich noch gestorben,
ehe er das Ziel seines Ehrgeizes erreicht hatte.

7 Urkundlich erscheint der gräfliche Pfarrer Konrad zum
erstenmal in einer Urkunde vom Jahr 1255 als plebanus ec-
clesie parrochialis loci predicti (seil. Freiburg; Urk. des Heilig-
Geist-Spitals, 1. Bd. Freib. 1890. Nr. 1). Er starb am 2. Oktober
1301 oder 1302, vgl. J. Dambacher i. d. Zeitschr. f. d. Gesch.
d. Oberrheins 11 (1860), S. 246 u. 383. Riezler S. 114 und
Dambacher a. a. O. schätzen das Alter des Pfarrers Konrad bei
seinem Tod auf 60—70 Jahre, setzen also das Geburtsjahr um
1230—1240 an, so dass Konrad im Jahr 1255 immerhin 15—25
Jahre alt gewesen wäre. Diese Vermutung greift viel zu hoch.
Abgesehen davon, dass der gräfliche Pfarrer noch im Jahr 1261
einen Hauslehrer hatte (Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins 9,
S. 350, wo unter den Zeugen einer Urkunde ein magister Ulricus
doctor domini plebani de Friburc erwähnt wird), und dass noch
in einer Urkunde von 1263, das. Bd. 9 S. 353 f., es von sämtlichen
drei Söhnen des Grafen Konrad heißt, sie seien noch Filii
familias und hätten auch noch kein eigenes Siegel, gibt eine
Urkunde des Jahres 1238 Daten, wonach sich das Alter dieses
merkwürdigen Seelsorgers wenigstens nach der obern Grenze
bestimmen lässt. In der erwähnten Urkunde, Urk.-Buch d. Stadt
Freiburg. Bd. 1 Nr. IX S. 50, bezeichnet sich der Vater als zwölf-
jährig, in einer Urkunde von 1240, a. a. O. S. 51, nennt er sich
volljährig, ist also jetzt vierzehn Jahre alt. Wenn er also selbst
schon mit etwa 16 Jahren im Jahre 1242 geheiratet hätte, so
wäre sein dritter Sohn im Jahr 1255 doch nicht über zehn Jahre
alt. Wahrscheinlich aber hat der Vater erst 1245 oder 1246 ge-
heiratet. In diese Zeit fällt wenigstens die Länderteilung mit
seinem Bruder Heinrich, vgl. Riezler S. 102, und im Jahre 1248,
Berger Nr. 3888, wird seine wegen Verwandtschaft angefochtene
Ehe vom Papst bestätigt. Der Pfarrer Konrad war also 1255
möglicherweise gar erst fünf oder sechs Jahre alt.
 
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