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Flamm, Ordnungen und Satzungen der Münsterkirche

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Inhaber die Nutzungen der Kirche bezog und die-
selbe juristisch vertrat1. Diesen Posten nahmen die
Pfarrer aus der Grafenfamilie für sich in Anspruch;
für das Messelesen, Beichthören und Predigen aber
hielten sie eigene Vikare, Leutpriester, meist Vize-
plebane genannt. Gleich die Urkunde von 1255, in
welcher der jugendliche Pfarrer auftritt, erwähnt un-
mittelbar nach ihm: Conradus de Untkilch und
Baldemarus, sacerdotes vicarii in Friburg2. Eine Ur-
kunde vom Jahr 12673 kennt schon drei solcher
Vizeplebane. Später waren es regelmäßig vier1, die
nach ihrer Zahl Vierherren, Quaternarii hießen. Sie
waren nicht einmal lebenslänglich, sondern wur-
den vom Pfarrrektor jeweils nur auf ein Jahr ange-
stellt"1.

Neben dem Pfarrherrn und seinen Vikaren gab
es aber am Münster noch zahlreiche Kapläne, Geist-
liche, die die vielen in das Münster gestifteten
Pfründen inne hatten. Sie sind durchaus von der
Pfarrgeistlichkeit zu scheiden, der gegenüber sie eine
teils selbständige, teils untergeordnete Stellung ein-
nahmen. Da sie im Münster zelebrierten, hatten sie
sich selbstverständlich in dieser Beziehung nach den
Anordnungen der Pfarrgeistlichkeit zu richten. Im
übrigen waren sie, abgesehen von der Verpflichtung
zur Beteiligung am gemeinsamen Breviergebet im
Münster und der gelegentlichen Beihilfe in den An-
gelegenheiten der Pastoration, vom Pfarrer und seinen
Vikaren, den Vierherren, unabhängig. Dafür unter-
standen sie den Satzungen des Stiftungsbriefes ihrer
Pfründe und wurden vom Patron derselben angestellt,
der auch die rechtliche Vertretung der Pfründe
hatte,;. Der Unterhalt der Pfründner bestand in dem

1 Stutz S. 10.

- Urk. des Heilig-Geist-Spitals Bd. 1 Nr. 1.

'■' Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins 9 S. 445.

1 So schon 1368, Urk.-Buchd. Stadt Freib. Bd. 1 Nr.CCLXXX
S. 543.

5 Stutz S. 14.

" Die Sachlage wird in einer Urkunde des Grafen Konrad
vom Jahre 1316, Urk.-Buch d. Stadt Freiburg. Bd. 1 No. C S. 209
klar und scharf geschieden : Swem wir die lütkilchun ze Friburg
lihen, der sol gestatten und stete han: swer pfruonden da wil
machen, sü sin gros oder klein, und swel da pfruonden machent,
die und alle ir erben und nahkommenden oder an swen sie
es sezzent, süllent ouch die pfruonden lihen; und swem die
pfruonden verlihen werdent, so die sich anvahent ze gerwende
(Ertrag abzuwerfen), swas in da nach wirf, unzint si sich
engerwent, das sol den werden, den das ander opfer ze dem
münster wirf, in allem dem rehte, alse es in ze der stole
geopfert were. — Von den hier erwähnten Opfern wird in den
unten abgedruckten Statuten von 1364 und 1400 des öftern die
Rede sein. Das Verhältnis zur Pfarrgeistlichkeit wird in der-
selben Urkunde wie folgt geregelt: und süllent ouch die [pfründ-
ner] den lütpriestern gehorsam sin, ze den fronen messen und
ze den vesperen, mit überrücken, mit singende und mit lesende,
ane alle geverde, und süllen die lütpriester in nüt gebunden
sin ze gebende, wan ze ieder messe ein kerzun uf den altar,
und unserm herren ze zündende so man in ufhebet. Diese

Ertrag des Pfründvermögens und den Opfern, die
täglich bei der heiligen Messe eingingen.

Eine ausführliche Regelung der Beziehungen
zwischen der Pfarrgeistlichkeit und den genannten
Kaplänen erfolgte erst in der zweiten Hälfte des
H.Jahrhunderts. Bestimmend war dabei wohl der
Umstand, dass seit 1350 wieder ein Pfarrer das
Münster innehat, der zugleich auch Rektor ist, aber
nicht aus der gräflichen Familie stammt, obwohl der
Graf immer noch Patron des Münsters ist7. Die
Zeit war gekommen für eine endgültige Regelung,
bei der jetzt auch die Stadt als schwachen Ersatz für
ihr auf immer verlorenes" Pfarrwahlrecht sich Ein-
fluss zu verschaffen suchte.

Noch vor der Vertreibung der Grafen im Jahr
1368 gab Bischof Heinrich von Konstanz auf Be-
treiben des Bürgermeisters und Rats der Stadt, der
Pfarrgeistlichkeit und der Kapläne diesen letztern
im Jahre 1364 ein Statut, durch das die Gesamtheit
derselben zur juristischen Körperschaft wurde mit
eigenem, aus ihrer Mitte selbst gewähltem Vorstand,
der aus drei Mitgliedern bestand und davon den
Namen Dreier, Dreiherrn oder Ternarii führte. Die
Gemeinschaft der Kapläne selbst hieß wegen deren
Verpflichtung zur Ortsanwesenheit die Präsenz, die
Kapläne hießen die Präsenzherren. Sie gaben sich
ihre Statuten selbst, mussten aber Genehmigung durch
Bürgermeister und Rat, den Pfarrherrn und den
Schaffner des Münsterbaus einholen9.

Im Jahr 1400 wurde eine Erweiterung und teil-
weise Umgestaltung der Statuten des Bischofs Hein-
rich vorgenommen, die aber ausdrücklich als weiter

Bestimmungen bedürfen kaum einer Erläuterung. Das Wort
überrücken, das AI. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch.
2. Bd. Leipz. 1876. Sp. 1652, mit Bezug auf diese Stelle auf die
Übertragung des Messbuchs von der einen Seite des Altars auf
die andere deutet, was er aber selbst als zweifelhaft bezeichnet,
bezieht sich auf die Verpflichtung zum Chordienst im Überrock,
das Lexer unmittelbar vorher richtig als superpellicium, Chor-
hemd erklärt.

7 Im Jahr 1350 verzichtete der Rektor Graf Egon vor dem
Bischof von Straßburg auf die Pfarrkirche zu Freiburg (Zeitschr.
f. d. Gesch. des Oberrheins. Bd. 13 S. 349), nachdem er schon
im Jahre zuvor (ebd. S. 344 f.) die Nutzungen auf vier Jahre
einem Priester Ulrich Perman von Kempten um 50 Mark Silber
jährliche Zinsen verpfändet hatte. Zu wessen Gunsten der Ver-
zicht erfolgte, wird nicht gesagt. In den Jahren 1351, 1355 und
1357 erscheint als Kirchherr zu Freiburg Herr Cunrat dictus
Comes de Friburg (Urk. des Heilig-Geist-Spitals Bd. 1 Nr. 417,
und A. Krieger, Topograph. Wörterb. d. Grossh. Baden 1'-' [Heidelb.
1904], Sp. 624f.). Der nächstbekannte Rektor vom Jahr 1360,
Heinrich von Kilchdorf (Urk. des Heilig-Geist-Spitals Bd. 1
Nr. 451) gehört sicher nicht mehr der gräflichen Familie an.

8 Auch als Freiburg 1368 sich freiwillig unter öster-
reichische Herrschaft begab, war es nicht möglich, die Be-
setzung der Pfarrei der Stadt zu sichern. Die neue Herrschaft
wurde Patron des Münsters und vergabte ihr Patronatsrecht 1456
an die Universität, bei der es bis in das 19. Jahrhundert blieb.

!l Stutz S. 20 f.

* I
 
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