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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 1.1905

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Flamm, Hermann; Albert, Peter P.: Ordnungen und Satzungen der Freiburger Münsterkirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.2395#0076

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Flamm, Ordnungen und Satzungen der Münsterkirche

geltend erklärt wurden1. Die neuen Statuten stam-
men im Entwurf von dem Magister und Doktor der
Dekrete Wildericus de Mitra2, dessen Hilfe der Pfarr-
rektor Johannes Payer und die Kapläne dabei in
Anspruch genommen hatten. In einer Versammlung
im Münster, zu der auch Bürgermeister und Rat zu-
gezogen waren, wurde der Entwurf weiter beraten
und für gültig erklärt. Die endgültige Abfassung der
Statuten nahm in ziemlich umständlicher Sprache der
Notar Johann Trüb von Überlingen, der Schreiber
der Konstanzer Kurie, vor und zwar in der Rats-
stube des Rathauses in Gegenwart des Bürgermeisters
und Rats, des Kirchherrn und der Mehrzahl der
Kapläne. Außerdem waren auch noch der Freibur-
ger Stadtarzt Magister Swederus von Goetlikon, ferner
der Rektor der Pfarrkirche in Birtelskilch Hartmann
von Hentstikon, Ulrich Payer von Schaffhausen und
Nikolaus von Lininger, Tuchscherer in Freiburg, als
Zeugen zugezogen worden. Der Pfarrrektor und
die bei der Verhandlung im Münster nicht erschie-
nenen Kapläne erklärten im Schlusswort ihre Zu-
stimmung. Wenige Tage später, am 9. August, er-
hielt das Statut auch die Genehmigung des General-
vikars des Bischofs Heinrich Bayler3 von Alet, des
damaligen Pflegers des Konstanzer Bistums.

Beide Statuten regeln außer den schon erwähn-
ten Bestimmungen über Satzungsrecht und Dreier-
ausschuss besonders eingehend die Präsenzpflicht,
die Teilnahme am gemeinsamen Breviergebet im
Chor und die Reihenfolge, in der die einzelnen Ka-
pläne zelebrieren sollen, und geben dabei eine aus-
führliche (werktägige) Gottesdienstordnung im Mün-
ster. Veranlassung dazu war der Wunsch, die Verteilung
der täglich bei der heiligen Messe, den Begräbnis-
feierlichkeiten und dem Trauergottesdienst eingehen-

1 Der stark hervortretenden Beteiligung der Stadthäupter
ist es wohl zuzuschreiben, dass die neuen Statuten in das
Ratsprotokoll eingetragen wurden. Das geschah bei dieser Ge-
legenheit auch mit der Ordnung von 1364, die ja noch weiter
galt.

2 Wildericus de Mitra stammte aus der Wormser Familie
Zu der Hubon, die schon Ende des 13. Jahrhunderts mit dem latini-
sierten Namen de Mitra vorkommt; vgl. H. Boos, Urk.-Buch d.
Stadt Worms. Berl. 1886—1890, im Register s. v. Mitra. Über
Wildericus vgl. G.Knod, Deutsche Studenten in Bologna 1289—1562.
Berl. 1899, S. 349; 687 und H. Kaiser i. d. Zeitschr. f. d. Gesch.
des Oberrheins. N. F. 17 (1902), S. 34.

1 Vgl. über Bischof Heinrich, der lange in Freiburg wohnte
und im Jahr 1406 auf ewige Zeiten für das Archidiakonat Breis-
gau und die Dekanate Villingen und Ebettingen das Amt eines
besondern bischöflichen Offizials mit der Vollmacht eines Gene-
ralvikars und mit dem ständigen Sitz in Freiburg schuf, die kleine
Abhandlung von A. Poinsignon: Urkundliche Mitteilungen über
Heinrich Bayler, Bischof von Alet und Administrator des Bistums
Konstanz, im Freib. Diöz.-Archiv, Bd. 14 S. 237 f., und H.Haupt,
Das Schisma des ausgehenden 14. Jahrhunderts und seine Ein-
wirkung auf die oberrheinischen Landschaften in der Zeitschr. f.
d. Gesch. d. Oberrheins. N. F. 5 besonders S. 290f.

den Spenden ', die, wohl nur zum Teil, täglich unter
die Kapläne verteilt wurden, genau zu regeln. Da-
her die Vorschriften über Präsenzpflicht, Teilnahme
am Breviergebet usw., denn nur der anwesende
Kaplan wurde bei der Verteilung berücksichtigt. Stell-
vertretung war nur bei Krankheit und in dringenden
Fällen gestattet. Die Entscheidung aller zweifelhaften
Fälle und die Festsetzung der Geldstrafen, die zum
gemeinsamen Nutzen der Kapläne verwendet werden
mussten, lag bei dem Dreierausschuss und dem Prä-
senzschaffner. Es ist ferner begreiflich, dass es be-
treffs der Opfer nicht gleichgültig war, in welcher
Reihenfolge und Zeit der einzelne Kaplan zelebrierte.
Daher die genauen Angaben über die Gottesdienst-
ordnung.

Ohne Zweifel ist das bischöfliche Statut des
Jahres 1364 bei dieser Regelung in der richtigeren
Weise vorgegangen. Es verpflichtet die Kapläne,
täglich zu zelebrieren. Die Reihenfolge, in der die
heiligen Messen gelesen werden sollen, bestimmt
sich dabei nach dem pfarramtlichen Gottesdienst.
Dieser begann an den Werktagen — über die Sonn-
und Feiertage wird nichts bemerkt -- mit der Tag-
messe, die gleich bei Tagesanbruch und nicht später
gehalten wurde. Sie folgte vermutlich in älterer
Zeit, was die Tagesstunde betrifft, den verschiedenen
Jahreszeiten und war wahrscheinlich eine Stiftung
der Freiburger Bürgerschaft. Sie wurde auf dem
Altar des hl. Johannes des Täufers gelesen. Nach
heutiger Gottesdienstordnung entspricht ihr die heilige
Messe, die im Sommer um 5 Uhr, im Winter um
6 Uhr gelesen wird.

Auf die Tagmesse folgte im pfarramtlichen Gottes-
dienst die sogenannte Frühmesse. Sie war, wie auch
die dritte „öffentliche" Messe, ein gesungenes Amt,
offenbar wie heute mit Orgelbegleitung. Diese bei-
den Ämter wurden von den Vizeplebanen auf dem
Hochaltar zelebriert. Die Stunde, zu der sie gehal-
ten wurden, wird nicht angegeben; sie entsprechen,
wenn auch nicht gerade zeitlich, wohl den beiden
Ämtern, die heute um 7 und 9 Uhr stattfinden.

Im Anschluss an diesen offiziellen Gottesdienst
lässt nun das Statut von 1364 der Tagmesse zuerst
zwei Messen folgen, die nacheinander ebenfalls auf
dem Altar des hl. Johannes des Täufers gelesen wer-
den. Offenbar gleichzeitig mit diesen beiden Messen
wird noch auf fünf andern Altären das heilige Opfer
dargebracht, nämlich auf dem St. Martins- und St. Os-
waldsaltar, in den Kapellen der hl. Maria Magdalena

' Außer diesen Opfergaben nennt die Verfassungsurkunde
von 1368, Urk.-Buch d. Stadt Freiburg. Bd. 1 Nr. CCLXXX S. 543,
auch noch Einnahmen aus der Bette (Klingelbeutel) und den
(Opfer-) Stöcken, die beide nicht dem Pfarrer, sondern dem
Münsterbau zukamen.
 
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