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Geiges, Das St. Annen-Fenster im jetzigen Alexander-Chörlein

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Italiener im Jahre 1265 von dort aus einem Geschäfts- die Bergleute in der Not des Lebens ihr irdisches
freunde zugehen ließ, wird außer dem Werte des und himmlisches Heil erflehen.

„Berckwerk heischt viel freiheit und große gnad,
als dan gibts mer nuz dan schad",

so lautet ein alter Spruch1, und in einem von Tri-
themius verfassten Andachtsbüchlein, genannt „Die
sieben Tageszeiten von St. Anna", lesen wir im ein-
leitenden Hymnus:

„Dein edle Frucht ist unser Heil,
Gott hat dich hoch gesegnet,
Umb tausend Welten ist sie nit fail,
Wanns ewig Silber regnet."2

Als älteste bekannte
bildliche Darstellung der
Mutter Anna gilt das
große Mosaikbrustbild
in der 1113—1143 er-
bauten Kirche 5. Maria
dell' Ammiraglio, der
jetzigen Martorana zu
Palermo, auf welchem
die Heilige mit einer
Palme erscheint ohne
Zufügung sonstiger be-
sonderer Kennzeichen.
Daran schließt sich, als
meines Wissens frühe-
stes Bild in ganzer Fi-
gur, deren mächtige Ge-
stalt auf einem aus dem
Anfang des 13. Jahrhun-
derts stammenden Fen-
ster in der Kathedrale
zu Chartres. In der
Rechten einen Stab, aus
dem drei Rosen er-
blühen, auf dem linken
Arme Maria mit einem
Buche, in starrer Hal-
tung, ganz in der tra-
ditionellen Anschauung
der gleichzeitigen Ma-
riendarstellungen.
Erst im 14. Jahrhundert oder jedenfalls nicht
viel früher entwickelt sich nebenher der Typus, bei
welchem sich zu Maria noch das Jesuskind gesellt,
der unter dem Namen S.Anna metterzia oder St. Anna
selbdritt, auch einfach das Selbdritt genannt, in der
Folge die weiteste Verbreitung gefunden hat. In

Sterlings nur noch das ungemünzte „Ariento di Fri-
borgho" genannt. Zahlreich sind die im 14. und
15. Jahrhundert urkundlich erwähnten Gruben in den
Tälern und auf den Höhen des südlichen Schwarz-
walds. Ihre Namen geben Zeugnis von der Ver-
ehrung, welche auch hier der Mutter Anna zuteil
wurde, die aber auch, und nicht am geringsten, zum
Ausdruck gelangt in den reichen Zuwendungen aus
bergmännischen Unternehmungen, welche sichtlich
aus solchen Empfindun-
gen dem Freiburger
Münster zu seiner Aus-
schmückung erwachsen
sind.

Die Legende der
hl. Anna enthält nichts,
woraus sachliche Berüh-
rungspunkte abgeleitet
werden könnten zu dem
Berufsleben der Berg-
leute. Allein aus der
mystisch religiösen Welt-
anschauung des Mittel-
alters, dessen offenkun-
diger Tendenz, alle re-
alen Lebenserscheinun-
gen in symbolisierende
Beziehung zu bringen
zu den Geheimnissen
der Glaubenslehre und
ihren heiligen Gestalten,
ist die Erklärung dieses
Schutzverhältnisses zu
gewinnen. Die aus dem
Schöße der Mutter Anna
hervorgegangene jung-
fräuliche Gottesmutter
Maria wird dem Monde
verglichen, der sein
Licht von der Sonne,

Christus, empfängt; der Mond aber ist das Silber,
die Sonne das Gold, und in der Vollendung dieses
Gleichnisses wird die hl. Anna selbst zum Berg-
werk, aus welchem das reine Erz, das wahre Silber
und Gold des Lebens, die Hoffnung aller Welt her-
vorging.

2. Selbdritt nach einem Gemälde des Lucca di Tommé
in der Galerie zu Siena.

Wie der Frankfurter Verleger Sigmund Feyr- dieser Dreizahl, welche die Figuren der Gruppe in

abendt in der Vorrede zu Georg Agricolas „Berck- den mannigfaltigsten Anordnungen vereinigt, wird die

wercks-Buch" den allmächtigen Gott den „rechten hl. Anna wie immer als Matrone mit dem Schleier,

Erzmacher" nennt, so bezeichnet Melzer in seiner Maria jedoch ebensowohl als die reife jungfräuliche

Schneeberger Chronik die Mutter Anna in doppel- Mutter, wie als mädchenhafte Erscheinung, ja mit-

tem Sinne als die wahre „Erzmacherin", bei welcher unter dem Jesusknaben gleichalterig und auch als

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