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An,
So-

Geiges, Das St. Annen-Fenster im jetzigen Alexander-Chörlein

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etwas zu sehen, was gar nicht vorhanden ist. Die leren Partien der Steinbank; ein sattes Gelb für ein-
Farbe ist bei all diesen Fenstern, und also auch bei zelne Nimben; ein vollfarbiges Rot für die Granat-
dem St. Annenfenster, ganz die ursprüngliche. Es schnüre und die Rose; und dann noch ein eigen-
ist tatsächlich auch nicht eine Spur davon abgegangen, artiges, auf farblosem Körper blau und weinrot ge-

wie das hinsichtlich
der eigentlichen Far-
ben der ganzen tech-
nischen Beschaffen-
heit nach ja auch
nicht anders möglich
ist. Die Glasmalerei
der fraglichen Zeit
bediente sich noch
ausnahmslos des far-
bigen Hüttenglases,
wobei von einem Ver-
blassen im allgemei-
nen nicht die Rede
sein kann. Auch, so-
weit nicht voll ge-
färbtes, sondern nur
über- oder durch-
fangenes Glas in Be-
tracht kommt, bei
welchem also die far-
bige Glasmasse nur
eine mitunter papier-
dünne auf- oder ein-
gelagerte Schicht des
ganzen Glaskörpers
bildet, vermag nur
eine weitgehende Zer-
setzung des letzteren
ein Entfärben zu be-
wirken. Die Gläser
sind aber ausnahms-
los in tadelloser Ver-
fassung, wie das bei
Fenstern aus jener
Zeit meist der Fall
sein dürfte. Ein Malen
mit bunten Auftrag-
farben, sogenannten
Emaillen, wie es den
genannten Autoren
vorschwebt, wurde
erst in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts üblich und auch dann
zunächst nur auf dem Gebiete der Kleinkunst.

An Farbgläsern sind bei unserem Fenster ver-
treten: zwei Weiß, d. h. ein nahezu farbloses Glas und

19. Ausschnitt aus dem St. Annenfenster.

streiftes Glas. Außer
den drei letztgenann-
ten sind alle diese
Gläser in der Masse
gefärbt. Violett und
Rot sind Überfang,
was hinsichtlich des
letzteren als selbst-
verständlich gelten
kann.

Von ganz exqui-
siter künstlerischer
Qualität ist das nur
für die Fliesen ver-
wendete rot und blau
gestreifte Glas, ein
Material, das mir in
solcher Beschaffen-
heit bis jetzt noch
nirgend anderweit auf
Werken der frag-
lichen Zeit begegnet
ist. Es ist seiner
Struktur nach von der
Art des „streaky glass"
oder „streaky pot",
worunter die Englän-
der ein Glas ver-
stehen, das erzeugt
wird, indem der flüs-
sigen Glasmasse
solche einer andern
Farbe in meist ge-
ringer Quantität zu-
gesetzt und diese Mi-
schung dann zu Ta-
feln ausgeblasen wird,
ohne dass zuvor eine
innige Vermengung
stattgefunden hat.

Wenn nun nach
dem Gesagten bei dem
St. Annenfenster in
der Hauptsache die Farbgebung noch mit unver-
änderlichen Mitteln erzielt ist, d. h. nach altge-
wohnter Art durch die Zusammensetzung von in
der Masse gefärbten Gläsern, so haben, abgesehen

Blau, ein schwach grau getöntes für das Beil; zwei helle, von der für den Auftrag der Zeichnung verwendeten
das eine hellere im Fußboden, mehr ins Grünliche schwarzen Schmelzfarbe und dem üblichen soge-
gestimmt; ein lichtes rötliches Violett für die dunk- nannten Kunstgelb, daneben doch auch zwei weitere

Freiburger Münsterblatter IV, 2. 8
 
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