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Geiges, Das St. Annen-Fenster im jetzigen Alexander-Chörlein

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auf die zur Hand liegende Werkstattschablone zurück- sieht auf Erzielung der wünschenswerten Ähnlichkeit
zugreifen, und zwar umsomehr, als bei gleich ge- bei den Porträtfiguren geboten erschien. Die Ver-
arteten Aufgaben zu steten Änderungen auch kein schiedenwertigkeit der Entwürfe bedingt hier allein
künstlerisches Bedürfnis vorlag. In allem anderen jene der Leistung der ausführenden Kräfte, welche
kann ja schon ein Wechsel der ausführenden Hilfs- abhängig waren von der Vorlage, nach welcher sie
kräfte auch einen solchen in der Behandlung be- zu arbeiten hatten. Das Gleiche lehrt uns ein Blick
dingen. Hier sind einer derartigen Möglichkeit viel auf die in der Mitte des dritten Jahrzehnts ent-
engere Grenzen gezogen, und eine sich in dieser standenen Fenster im Chor der Kirche zu Elzach,
Richtung bewegende Untersuchung führt auch zu die bei größtem Qualitätsunterschied wiederum in
derart frappanten Ergebnissen, dass wir auf die Heran- ihren Hintergrundsmusterungen gemeinsame Kenn-
ziehung aller weiteren Ähnlichkeitsvermerke ver- zeichen ihrer unzweifelhaften Freiburger Herkunft
ziehten können. tragen, und endlich nicht minder eine Prüfung jener
Die Fensterausschnitte Abbildung 35—39 dürften der ehemals Douglasschen Sammlung, soweit sie
ohne weiteren Kommentar als Belegsmaterial genügen, auf Grund derselben Beweismittel der gleichen Werk-

Für das Universitätsf'enster, das
keinen gemusterten Grund besitzt,
ist ein Ausschnitt aus dem Fenster
der Lichtenfels- und Krozingen-
kapelle eingereiht, das wie ersteres
im Jahr 1524 ausgeführt wurde und
wahrscheinlich nach einer Visie-
rung von gleicher Hand. Nur ein
Fenster unter denjenigen, bei wel-
chen die figurale Komposition auf
einem gemusterten Grund auflagert,
macht auf den ersten Blick schein-
bar eine Ausnahme: das Fenster
der Stürzelkapelle. Hier ist so-
wohl in der Fensterbahn, welche
den Kanzler Konrad Stürzel mit
der Figur des hl. Nikolaus (nicht
Konrad wie mit Bezug auf den
Vornamen des Stifters stets ange-
geben wird), als in jenen, welche
die knienden Familienglieder auf-
nehmen, im Interesse einer grö-

36. Ausschnitt aus dem Fenster

der Lichtenfels- und Krozingenkapelle

des Münsters.

statte zuzuschreiben sind, wie all
die besprochenen.

Eines der Baldungschen Fen-
ster aus letzterer, und zwar jenes
mit der Figur des hl. Hieronymus,
ist bekanntlich bei der Kölner Auk-
tion in den Besitz der Stadt Frei-
burg übergegangen. Der Hinter-
grund ist bei diesem landschaft-
lich behandelt und darum ohne
Musterung, dagegen ist auf dem
roten Kardinalsgewand des Heiligen
ein anderer Damast einradiert, den
wir in genau gleicher Zeichnung
auch auf dem violetten Kleide der
hl. Magdalena auf einem der Fen-
ster in der Blumeneggkapelle wie-
derfinden3".

Auf Grund anderer Wahr-
nehmungen hat neuerdings auch
Hans Lehmann (Zürich) die Ent-
stehung der Douglasschen Fenster

ßeren Belebung und prunkvolleren Wirkung der Freiburg zugewiesen und zugleich den Nachweis er-
großen freibleibenden Fläche von der Schablone ab- bracht, dass die Baldungsche Figurenreihe derselben
gewichen. Aber oben, über der abschließenden nicht, wie Mone behauptete, für Basel, sondern für
Architektur, kommt sie, kaum wahrnehmbar, doch die Kartause zu Freiburg bestimmt war, wofür sie
wiederum in der gewohnten unveränderten Gestalt zuvor schon Paul Schubring in Anspruch genommen
zum Vorschein. An künstlerischer Vollendung ist hatte10. Für die Einschätzung unserer Freiburger
das Stürzelfenster, das, wie schon Stiassny mit Recht Werkstätte sind all diese Feststellungen, an die sich
betonte, jedenfalls wesentlich jünger ist als die auf vielleicht bei weiterer Umschau noch andere reihen
dem Fußband verzeichnete Jahreszahl (1505) angibt, lassen, von nicht geringer Bedeutung". Sie sind
dem St. Annenfenster weit überlegen, und allein nicht nur ein beredtes Zeugnis für die ausgedehnte
hierin verglichen mit den Hochchorfenstern, würde Betriebsamkeit derselben, sondern auch für deren
man selbst bei weitester Berücksichtigung des ver- hervorragende Rangstellung innerhalb einer Kunst-
schiedenen Standpunktes und der dadurch bedingten Übung, deren endliches Schicksal längst besiegelt
derberen Behandlungsweise niemals die gleiche Werk- war, als man die letzten buntschimmernden „Tafeln"
statte vermuten. Die hohe Stellung des Auftrag- in den Chorbau unseres Münsters einfügte. Die Aus-
gebers dürfte den Künstler bei dem genannten Ka- stattung der Freiburger Chorfenster zählt zu den
pellenfenster zu sorgfältigerer Durchbildung der letzten großen Aufgaben, welche dem deutschen Kunst-
Visierung veranlasst haben, welche schon mit Rück- fleiß auf diesem einst so blühenden Sondergebiet

Freiburger Münsterblätter IV, 2. 10
 
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