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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 8.1912

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Kreuzer, Emil: Der leitende Grundgedanke des Bilderschmucks am Münsterhauptportal
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https://doi.org/10.11588/diglit.2636#0056
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/Ifcb. /. Postamente der Nordseite.

Der leitende Grundgedanke
des Bilderschmucks am Münsterhauptportal.

Von

Emil Kreuzer, Erzbischöflichem Justitiar.

jur Behandlung der „Frage nach den Ver-
fertigern des Programmes" für den Bilder-
schmuck der Turmvorhalle unseresMün-
sters und nach den Quellen, aus denen
dieses Programm geschöpft worden, ist
wiederholt ein großer Apparat von literarischem
und bildnerischem Vergleichsmaterial aufgewendet
worden. War man doch über das „Programm" selbst
so wenig im klaren, dass die einen in diesem Bilder-
schmuck „eine der geistvollsten und durchdachtesten
zyklischen Schöpfungen des Mittelalters zu erkennen
glaubten", „die andern in ihm nur ein Chaos zu-
sammenhangloser Figuren erblicken"1.

Namentlich hat Moriz-Eichborn*- vor 13 Jahren
in einem 439 Seiten starken Buch viel Gelehrsamkeit
und Mühe darauf verwendet, die These zu verfechten,
„der Ruhm, einen der durchdachtesten und geist-
vollsten Zyklen des Mittelalters geschaffen zu haben",
gebühre „dem Dominikanerorden von Freiburg". Der
Freiburger Zyklus sei nämlich aufgebaut auf den
wissenschaftlichen Arbeiten gerade der großen Ge-
lehrten dieses Ordens, des Albertus Magnus, Thomas
von Aquino und Vinzentius von Beauvais, denen es
damals gelungen sei, im Anschluss an die aristotelisch-

1 Kurt Moriz-Eichborn, Der Skulpturenzyklus in der Vor-
halle des Freiburger Münsters und seine Stellung in der Plastik
des Oberrheins. Straßburg 1899 S. 60.

'- A. a. O. S. 51.

Freiburger Miinsterblätter VIII, 2.

scholastische Weltauffassung das gesamte reale Wissen
in umfangreichen Werken ebenfalls zu einem System
zusammenzufassen und damit die zuerst in hellenisti-
scher Zeit hervorgetretenen enzyklopädistischen Be-
strebungen in großartigster und monumentalster Weise
zum Abschluss zu bringen.

So ist Moriz-Eichborn dazu gelangt, als Voraus-
setzung für die allgemeine Verständlichkeit unseres
Bilderzyklus auch in weiteren Kreisen anzunehmen3,
„dass ein gemeinsamer Ideenkreis dominikanischen
Gepräges dasgeistige Leben derStadtbeherrschte",und
dass „damit jeder einsichtige Besucher des Münsters
schon vor Betreten der Vorhalle vollständig auf die
Anschauungen vorbereitet" war, „welche er in ihrem
Statuenkreise niedergelegt finden sollte", so dass „ein
Zweifel über den Charakter desselben ihm ebenso-
wenig, wie auch uns jetzt kommen" konnte.

Richtig hieran ist die Erkenntnis, dass ohne all-
gemeine Verständlichkeit für weitere Kreise der Bilder-
zyklus seinen Zweck verfehlt hätte, dass also die Ge-
danken, die in ihm zum Ausdruck kamen, den Be-
suchern des Münsters schon bekannt sein mussten,
ehe sie in die Vorhalle eintraten. Irrtümlich aber
ist die Meinung, es sei ihnen hierzu die Kenntnis
eigentümlich dominikanischer oder sonst tief gelehrter
Anschauungen mehr oder minder besonderer Art

3 A. a. O. S. 62.
 
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