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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 8.1912

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Kreuzer, Emil: Der leitende Grundgedanke des Bilderschmucks am Münsterhauptportal
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https://doi.org/10.11588/diglit.2636#0063
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Kreuzer, Der leitende Grundgedanke des Bilderschmucks am Münsterhauptportal

zeugen neben den Thron des göttlichen Richters und die heiligen drei Könige: alles Beziehungen zu der
lässt es ihn seine Seitenwunde enthüllen. ersten Ankunft des Herrn, aber auch zu der Idee des
Die Apostel, die Zeugen des Lebens und Wir- Sieges der Kirche über die Synagoge (Judentum), deren
kens Jesu, die Werkzeuge der Verkündigung des Verbildlichung sich daran anschließt. Die Verkün-
Evangeliums, die Prediger Christi des Gekreuzigten digung dieser Ankunft durch den Erzengel und bei
(1. Kor. 1, 23), erscheinen als Zeugen, Ankläger und der prophetischen Begrüßung durch Elisabet richtet
Beisitzer des Weltgerichtes. Mt. 19, 27ff', heißt es: sich zunächst an das israelitische Volk, dem sie die
„Petrus ... sprach zu ihm: siehe, wir haben alles Erfüllung seiner messianischen Hoffnungen — erfolg-
verlassen und sind dir gefolgt; was wird uns also zu- los — ankündigt. Die Berufung der Weisen aus dem

teil werden? Jesus aber sprach
zu ihnen: Wahrlich, ich sage
euch, ihr, die ihr mir nach-
gefolgt seid, werdet bei der
Wiedergeburt, wenn der Men-
schensohn auf dem Thron
seiner Herrlichkeit sitzen
wird, auch auf zwölf Thronen
sitzen und die zwölf Stämme
Israels richten."

Die Figuren in den Hohl-
kehlen entsprechen der Dop-
peldarstellung des Bogenfel-
des: Propheten, Patriarchen,
königliche Stammväter des
Herrn, im Zusammenhang
mit der Darstellung seiner
Ankunft im Fleische, als wei-
tere Zeugen für die Verkün-
digung der göttlichen Offen-
barung und der Messiaswürde
des Richters, Engel, sowohl
wegen der Engelserscheinun-
gen bei der ersten Ankunft
des Herrn als wegen des Er-
scheinens des Herrn zum Ge-
richte „mit großer Macht und
Herrlichkeit" (Lk. 21, 27;
Mt. 24, 30).

Haben wir hier die Ge-
danken der Evangelien des
ersten Adventsonntages und
des Weihnachtsfestes, des Anfangs und Schlusses des

Abb. 7. Postament der Statue des Mohrenkönigs
Martyrium des hl. Bartholomäus.

Heidentum ist die Verkündi-
gung der Ankunft des Reiches
Gottes für die ganze Welt; an
die Stelle der engbegrenzten
Synagoge, des Judentums,
tritt so die weltumspannende
Kirche. Es ist ganz im Sinne
der kirchlichen Liturgie, dass
jene Darstellungen auf der
Epistel-, diese auf der Evan-
gelienseite angebracht sind.

Am zweiten Adventsonn-
tag lesen wir in der Epistel
(Rom. 15, 12 ff.): „Und wie-
derum spricht Isaias: Es wird
geschehen, die Wurzel Jesse
und der, welcher sich erhebt,
die Völker zu beherrschen, auf
ihn werden die Völker hoffen."
Am Quatemberfreitag finden
wir die Lektion aus dem Pro-
pheten Isaias 11, 1—5: „So
spricht Gott der Herr: ,Ein
Reis wird hervorgehen aus
der Wurzel Jesse und eine
Blüte wird aufsteigen aus
seinem Wurzelstock' . . . ,Er
wird nicht nach dem Augen-
schein richten noch nach
Hörensagen urteilen, sondern
über die Geringen mit Ge-
rechtigkeit richten und mit
Billigkeit über die Demütigen
der Erde urteilen . . .'"
Am Mittelpfeiler des Türsturzes nun erscheint

Advents, so finden wir in den Leibungen des Por- Jesse, Davids Vater, Christi Ahnherr, in der her-
tales Darstellungen aus den Evangelienperikopen der kömmlichen Darstellung als schlafender Greis. Aus
vorletzten Adventswoche: des Quatembermittwochs ihm, als der Wurzel, rankt symbolisches Blattwerk,
(Lk. 1,26-38): Verkündigung des Erzengels Gabriel die Palme von Cades und Rose von Jericho, zwei
an Maria, des Quatemberfreitags (Lk. 1,39-47): Be- Symbole der Gottesmutter1, empor, in seinem Ge-
such Maria bei Elisabet, ferner aus dem Evangelium zweige das „Reis aus der Wurzel Jesse1' tragend,
des Festes der „Erscheinung Christi", mit dem die
„geschlossene Zeit" des Advents im weiteren Sinne ' v8'- Münsterblätter 2. Jahrg. 2. Heft s. 58. „Erhöhet

ward ich gleich einer Palme in Cades und gleich einem Rosen-

endigt, aber auch aus dem Evangelium des Festes der hage in Jerioho« (Sir. 24; 18). Bock; Der Bilderzyklus in der

unschuldigen Kinder innerhalb der WeihnachtSOktav, Vorhalle des Freiburger Münsters. Freiburg 1862 S. 14.
 
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