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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 8.1912

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Kreuzer, Emil: Der leitende Grundgedanke des Bilderschmucks am Münsterhauptportal
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https://doi.org/10.11588/diglit.2636#0065
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Kreuzer, Der leitende Grundgedanke des Bildelschmucks am Münsterhauptportal

Diese Engel, die hüben und drüben diese War-
nungen geben, können als Repräsentanten des Ge-
wissens und der inneren Mahnungen der Gnade, aber
auch der Schutzengel aufgefasst werden (vgl. Ps. 90,
1 1 ff.).

In sinnreichem Gegensatze zu dem Versucher-
paare erscheint am entgegengesetzten Ende der west-

überstellung des Fürsten der Finsternis und des Herrn
des Lichtes in der Vorhalle ist offensichtlich eine
Illustration dazu.

Während der Gleißner und die Sinnenlust die
Abkehr vom Herrn predigen, ist ihnen eine Reihe
von Personen gegenübergestellt, die im Zusammen-
hang mit dem Advent durch Wort und Beispiel im

nördlichen Figurenreihe der Heiland, „der Weg, die Sinne der eben zitierten Epistel des ersten Advent-
Wahrheit und das Leben"1, mit seiner Braut, der Sonntages die positive Mahnung des dritten Engels:

Kirche, der Trägerin von
Kreuz und Kelch2, den Ab-
zeichen von Selbstüberwin-
dung, Opfer, Kampf und Sieg
um Christi willen. Wie dort
der Gleißner mit einladender
Gebärde die Aufmerksamkeit
hinlenkt auf seine unreine
Gefährtin, so hier der Hei-
land auf seine reine Braut.
Jene ist die Gehilfin des
„Vaters der Lüge", diese die-
jenige des Königs der Wahr-
heit. Dort Satan, „der Fürst
der Welt"3, — hier Gott. Vor
diese Wahl stellt den Men-
schen der Advent.

Die Epistel des ersten
Adventsonntages (Rom. 13,
11 ff.) mahnt zur Erfüllung
des Gesetzes „in Erkenntnis,
dass nunmehr die Stunde
für uns ist, aufzustehen vom
Schlafe. Denn näher ist jetzt
unser Heil, als da wir gläubig
wurden. Die Nacht ist vor-
gerückt, der Tag aber genaht.
Lasset uns also die Werke der
Finsternis ablegen und an-
ziehen die Waffen des Lichtes.
Wie am Tage lasset uns ehr-
bar wandeln, nicht in Schmau-
sereien und Gelagen, nicht
in Beilagern und Unzucht,

Abb. 9. Postament der Statue der Gottesmutter
(Verkündigung). Reihe von Aposteln; Apostel Thomas.

Vigilate et orate gleichfalls
erteilen.

Diese Mahnung findet sich
in andern Worten auch im
unmittelbaren Anschluss an
die Evangelienperikope des
ersten Adventsonntages über
das Weltgericht (Lk. 21, 15
bis 33) bei Lk. 21, 36: „Vi-
gilate itaque, omni tempore
orantes", wachet also und
betet jederzeit!

Mt. 24, dem die Evan-
gelienperikope des letzten
Sonntags des Kirchenjahres,
des letzten vor dem Advent,
über das Weltgericht entnom-
men ist, lautet Vers 42: „Vi-
gilate ergo, quia nescitis diem
neque horam", wachet also,
denn ihr wisset nicht, zu
welcher Stunde euer Herr
kommen wird. Dem folgt un-
mittelbar im 25. Kapitel das
Gleichnis von den zehn Jung-
frauen, die die Ankunft des
göttlichen Bräutigams erwar-
teten und „ausgingen, dem
Bräutigam und der Braut ent-
gegen". Es schließt in Vers 13
wiederum mit der Mahnung:
„Vigilate itaque, quia nescitis
diem neque horam", wachet
also, denn ihr wisst weder

nicht in Streit und Eifersucht, sondern ziehet den den Tag noch die Stunde (der Ankunft des Herrn

Herrn Jesus Christus an und hegt nicht für das zum Gerichte und zum himmlischen Hochzeitsmahl).

Fleisch Begierlichkeiten". Dieses Gleichnis ist das Evangelium des Festes

Es ist dies dieselbe Stelle, an welche die Be- der hl. Katharina von Alexandria, „mit dem die

kehrung des hl. Augustinus ' anknüpfte. Die Gegen-

1 Joh. 14, 6.

2 Die Hand mit dem Kelch war abgebrochen und ist in
neuerer Zeit (vgl. Schreiber, Geschichte und Beschreibung des
Münsters S. 35; Bock a. a. O. S. 13) aber zweifellos richtig er-
gänzt.

3 Joh. 14, 30; 12, 31.

1 Bekenntnisse des hl. Augustinus 8. Buch, 12. Kap.

Römer den Advent begannen«'". Man darf es also
in jeder Beziehung als eine Adventsperikope im vor-
züglichsten Sinn bezeichnen.

So erscheint denn auch die Statue der hl. Katha-
rina nach ihrer räumlichen Anordnung und ihrer Be-

'' Radolphus, De canonum observantia über, Propos. 16,
bei Beisscl a. a. O. S. 168 Anni. 2.
 
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