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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 8.1912

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Flamm, Hermann: Hans Diesenberger von Graz, Werkmeister des Freiburger Münsterchors 1471-1491
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https://doi.org/10.11588/diglit.2636#0075
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Flamm, Hans Niesenberger von Graz, Werkmeister'des Freiburger Münsterchors 1471-

-1491

jugendlichen Alters oder wegen des Ranges der
Weissenauer Hütte, die mit Beendigung der Kloster-
bauten ihre Tätigkeit eingestellt haben mag, oder ob
ganz zufällig, kann unerörtert bleiben. Spätestens
um 1465 hat Niesenberger geheiratet. Während
seines Mailänder Aufenthaltes ging er nämlich mit
seinem Sohn (Hans) bei einem deutschen Schmied
eine Schuld ein, die 1490 zu seiner Verrufserklärung
in Ulm führte. Rechnet man erst vom Schluss des
Mailänder Aufenthaltes (1483 bis Juni 1486) zurück
und nimmt das Alter des Sohnes, der den Vater als
Mitarbeiter begleitete, nur zu zwanzig Jahren an, so
fällt dessen Geburt spätestens
in das Jahr 1466 '.

Von zwei verheirateten
Töchtern Niesenbergers er-
fahren wir 1491 anlässlich der
Erwähnung seiner beiden Toch-
termänner, Gabriel Hochstet-
ter, Meister der freien Künste,
und Valentin Heil, die sich für
die Urfehde ihres Schwieger-
vaters verbürgten-. All dies
gestattet, die Zeit der Verheira-
tung Niesenbergers mit Frau
Else3 — ihr Zuname wird
nicht genannt — spätestens in
die Mitte der sechziger Jahre
des fünfzehnten Jahrhunderts
zu setzen. Mehr ist damit für
die Altersbestimmung des Mei-
sters nicht zu gewinnen. Nach
seinem eigenen Zeugnis war
Niesenberger 1491 bei seiner
Entlassung als Münsterwerk-
meister ein alter Mann, den nur
seine Armut, Schwachheit und
sein Alter vor harter Strafe

1 Hans scheint Niesenbergers
einziger Sohn gewesen zu sein. Ein

Freiburger Steinmetz Wilhelm Grätzer wird 1499 bei Ausstellung
seines Abzugsreverses erwähnt (Freiburg, Stadtarchiv: Abzug-
Reverse von Gemeinen); ob er zu Niesenberger in verwandt-
schaftlichen Beziehungen stand, lässt sich nicht erkennen.

2 Zell a. a. O. S. 305. Über Gabriel Windenmacher ge-
nannt Hochstetter vgl. H. Mayer, Die Matrikel der Universität
Freiburg i. Br. 1460-1656. Freiburg i. Br. 1907 S. 52 und 231.
Hochstetter wurde 1472 an der Freiburger Universität imma-
trikuliert, las später als Magister in vetere arte, wurde 1481
Notar, 1482 Pedellus universitatis, aber 1484 wegen Gewalttätig-
keiten von der Universität ausgeschlossen. Seine Verheiratung
fällt also wohl vor dieses Jahr. In dem Ratsprotokoll von 1499
(23. August) wird Meister Gabriel, der Schwiegersohn des von
Grätz selig, Priester genannt. Wahrscheinlich lebte er als solcher
in Basel. Seine Frau war also vor 1499 gestorben oder in ein
Kloster eingetreten. — Über den Tochtermann Valentin Heil
konnte ich nichts ermitteln.

3 Münsterarchiv: Urkunde vom 6. Januar 1494.

2. Vermutliche Büste Niesenbergers.

schützten. Seine vermutliche Büste am Münsterchor
(Abb. 2) zeigt einen Greis mit vergrämten, sorgen-
vollen Zügen. Die Deutung dieser Figur als Bildnis
des Meisters ist indes nicht ganz sicher, und völlig
unbekannt ist das Jahr ihrer Aufstellung, ein Rück-
schluss daher schwer. Vielleicht gibt es einen An-
haltspunkt, dass die Skulptur auf der Plattform des
Chors steht und bei dem schon für die siebziger
Jahre bezeugten langsamen Voranschreiten der Bau-
tätigkeit kaum vor 1480 entstand. Der Dargestellte
mag etwa 60—65 Jahre alt sein. Beide Vermutungen
zusammen würden für ein Geburtsjahr um 1420
sprechen. Eine Ansetzung des
Geburtsjahrs nach 1430 ver-
bietet die Tätigkeit des Mei-
sters in der Weissenau im Jahr
1459.

Wie dem allem auch sei,
eine Erwähnung des Meisters
vor dem letztgenannten Jahre
ist bis jetzt nicht nachgewiesen,
und auch über den in der
Weissenau von ihm geleiteten
Klosterbau wissen wir nichts,
da Kloster und Kirche wie
schon erwähnt im achtzehnten
Jahrhundert einen abermaligen
vollständigen Umbau erfuhren1,
ja es fehlt auch jede Nachricht,
wie lange nach 1459 Niesen-
berger in der Weissenau tätig
war. Trotzdem ist, um dies
im Zusammenhang gleich an
dieser Stelle zu erwähnen, eine
lang ausgedehnte Tätigkeit des
Meisters in der Ravensburger
Gegend zweifellos. Niesen-
berger baute auch den Chor
der dem Weissenauer Kloster
gehörigen Kirche zu St. Chri-
stina bei Ravensburg, der am 15. Juli 1476 eingeweiht
wurde und wohl vollständig zu Ende geführt war,
als der Meister am 18. Januar 1477 dem Pfarrer

1 Über den noch erhaltenen Chor der Kirche von
St. Christina vgl. die kurzen Bemerkungen in dem Aufsatz von
Heinr. Detzel, Die Kirchenrestauration in St. Christina bei Ravens-
burg im Archiv für christliche Kunst, 1S90 S. 22 und 29. Ab-
bildungen gibt Detzel nicht. Die Wölbung zeigt nach seiner Be-
schreibung die Merkwürdigkeit, dass die Rippen in ihren mitt-
leren Teilen von gebranntem Ton, die Kreuzungen aber und
die ohne Schlussstein endenden Rippenspitzen aus Sandstein
sind. Die von Beck a. a. O. S. 54 aufgestellte Vermutung, dass
Niesenberger auch an den dem Kloster von Weissenau inkor-
porierten Pfarrkirchen von Obereschach, Gornhofen, Oberzell,
Obereisenbach, Thaldorf u.a. gearbeitet haben könne, ist meines
Wissens noch nicht untersucht.
 
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