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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 8.1912

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Flamm, Hermann: Hans Diesenberger von Graz, Werkmeister des Freiburger Münsterchors 1471-1491
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https://doi.org/10.11588/diglit.2636#0087
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80

Flamm, Hans Niesenberger von Graz, Werkmeister des Freiburger Münsterchors 1471 —1491

Die gesellschaftliche Stellung des Künstlers frei-
lich war schwer erschüttert. Dazu war die Ulmer
Verrufserklärung immer noch nicht beseitigt. So
konnte es im Februar 1492 ' ein Steinmetzgeselle,
der ihm aus dem Dienst gelaufen war, wagen, den
Meister, der ihn der Untreue beschuldigte, wegen
Beleidigung zu verklagen, und Niesenberger musste
sich die freche Antwort gefallen lassen, bei ihm
brauche kein Geselle zu dienen, solange die zu Ulm
erhobene Anklage nicht widerlegt sei.

Der Ausgang des Prozesses ist unbekannt. Viel-
leicht hat ihn Niesenberger nicht mehr erlebt. In
der ersten Hälfte des Jahres 1493 ist er gestorben,
in ärmlichen Verhältnissen, denn zu Anfang dieses
Jahres ließ ihm der Konvent von St. Leonhard
eine „Unterstützung" von 5 u zukommen. Am
26. Juni 1493 verhandelte sein Sohn mit den Kirchen-
pflegern über die Ansprüche der Erben und die
Maßnahmen für die Sicherung des Baus, der seit
dem Tod des Vaters offen stand.

In Basel oder Freiburg wird der Meister wohl
auch begraben worden sein.

Seine Witwe lebte in Freiburg noch 1495, als
Meister Gabriel, dero von Grätz Tochtermann, das
schon bekannte Baugesuch einreichte. Sein einziger
Sohn Hans scheint bald nach dem Tod des Vaters Frei-
burg für immer verlassen zu haben. Die Vermutung,
er habe sich später wieder mit der Stadt versöhnt
und von 1505 bis 1510 oder noch länger den Chor-
bau geleitet und zu Ende geführt2, beruht auf einer
Verwechslung.

Gerne möchte man in einer biographischen Skizze
des Künstlers zum Schlüsse wenigstens über seine
Persönlichkeit ein klares Urteil versuchen, da sein
Anteil an den von ihm geleiteten Werken noch so
wenig bekannt ist. Aber kann man beides trennen,
und ist nicht das Endurteil über die gegen ihn er-
hobenen Vorwürfe seiner Gegner aufzuschieben, bis
jene Nachprüfung seiner Werke durch die kunstge-
schichtliche Forschung vorliegen wird? Mir scheint
beides untrennbar. Und dann müssen wir festhalten:
Die zeitgenössischen Gerichte haben den Meister
immer wieder freigesprochen, und auch seine Künstler-

arbeitete, muss er nunmehr als Werk aus dem letzten Viertel
des 15. Jahrhunderts gelten.

1 Stehlin, Baumeister S. 121.

2 SoSchreiber, Baukunst S.34; Stehlin, Festschrift S. 344 ff.;
Baumeister S. 122; vgl. dagegen Klemm a. a. O. und Kempf und
Schuster S. 31. Nach den Angaben bei Beck S. 55 könnte
Niesenbergers Sohn 1494 in Ravensburg gearbeitet haben. Dass
er Freiburg für immer verlassen hatte, mag wohl stimmen, denn
die Emmendinger Affaire hat mit der Gefangennahme Hans
Niesenbergs des Jungen und Meister Martins von Grüningen
geendet, und es bedurfte des Einschreitens des Freiburger Rats,
um vom Amtmann von Hochberg die Freilassung zu erwirken.
Missiven 1494 Februar 6, Bd. 5 BI. 3.

ehre ist erst zuletzt mit Erfolg angefochten worden.
Am wenigsten bedeutet für das Urteil der Nach-
welt nach dem, was bis jetzt davon bekannt gewor-
den ist, die verhängnisvolle Ulmer Verrufserklärung,
die sein künstlerisches Können nicht berührt und
vielleicht auch nicht einmal seine persönliche Ehren-
haftigkeit. Für seine Bedeutung als Baumeister
sprechen die ehrenvollen Berufungen nachWeissenau,
Freiburg, Einsiedeln, Mailand, Basel. In dieser seiner
vielfach in Anspruch genommenen Tätigkeit scheint
auch die Tragik dieses Künstlerlebens zu liegen:
Niesenberger ist der Meister in amtlicher Stellung,
der sich mit Privataufträgen überlastet und im Drang
der Arbeit lässige Oberaufsicht und Flüchtigkeit
aufkommen lässt und so genug Blößen für Angriffe
bietet, die sein reizbarer Künstlerstolz mit veranlasst
haben mag. Wenn aber die Büste am Münsterchor
mit Recht als die seine gedeutet wird, so hat er das
Leben nicht leicht genommen. Er war im letzten
Jahrzehnt seines Lebens ein alter vergrämter Mann,
dessen Geistesgröße aber auch nicht durch die
Sorgenfalten auf der Stirn verhüllt werden kann.

Urkundliche Beilagen,
l.

1474, kurz vor Palmsonntag.

Der Freiburger Rat verwendet sich in Niesenbergers
Klage gegen Gilg von Ellern in ungenannter Sache.

(Adresse fehlt.)

Unser früntlich willig dienst zu^vor, sonder lieben und
gueten fründ. Meister Hanß von Gref,tz, unser buwmeister,
bringt uns an, als sich nächst ein handel durch Gilgen3 von
Ellern3, der sich bi üch enthalt, gemacht, hab er sich denn-
zumal gen im rechtz vor üch zu geben und zu nemen erboten
und soll in des fürer wol benügen, doch daz ein recht mit dem
andern zufgang, also pitten wir üch früntlich mit demselben
sächer zuuverfügen, meister Hansen bi recht und dis erbieten
bliben zus lassen, dann solt er darüber witer uftriben werden
und der benant Gilg sich üwers gleits in unsers gnedigen herren
eigentum hierin mit gevarlicheit ufhalten, verstand ir wol, daz
im ungütlich beschech, und ob er sich des clagte, daz im den-
nocht sölichs ungemuetwillet nach gstalt der sach not tët, da
wellent üch früntlich inlegen und also bewisen, daz der genant
meister Hans der gerechtikeit gefürdert, unser genieslich emp-
finden und sins früntlichen willens nit engolten werd, begeren
wir umb üch früntlich zuverdienen üwer antwort bi den boten.

Stadtarchiv : Missiven 4 BI. 19b.

2.

1479 April 30.

Beleidigungsklage Niesenbergers gegen Hans Paule,
Knecht der Münsterbauhütte.

Wir burgermetster und rat zu Fryburg im Bryßgew tuent
kunt menglichem, als wir meister Hansen Niesenberg von Gretz
mit sampt sinem balier uf ir clag an einem und Hans Paulum,
der knecht uf unser frowen hütten waz, andernteils in trüw und
eidpflicht zu recht fur uns angenomen und tag bestimpt haben

3 Verbessert für: gegen eim von Ludich.
 
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