Sauer, Eine alte Sicherung des Freiburger Münsterturms gegen Wettergefahr
29
Die kleinen Holzkreuzehen (15 mm χ 10 mm) ein Bittgebet eingeleitete Wettersegen, wie er noch
haben doppelten Querbalken und dürften identisch heute ähnlich gesprochen wird. Im Einleitungsgebet
sein mit den sogen. Scheyrer- oder Schauerkreuzen, sind alle charakteristischen Bestandteile alter Segens-
die im 16. und 17. Jahrhundert häufig gegen Hagel- formularien enthalten5, nur sind sie hier in die
schlag verehrt wurden1. Derartige Kreuzchen wur- kürzeste Fassung gebracht. Es hebt mit den auch
den sowohl aus den am Palmsonntag geweihten in anderen älteren Wettersegensformeln" begegnen-
Palmen2 als auch aus dem zur Feuerweihe am den Worten des Kreuztitulus an. Von den oft recht
Karsamstag mitgebrachten und leicht
angebrannten Holz verfertigt. Sie
wurden in den Häusern gegen Wetter-
gefahr verwahrt wie auf Saatfeldern
gegen Hagelschlag mit Palmzweigen
zusammen befestigt3. Und daß der
Glaube an ihre Wirksamkeit nicht
ausschließlich auf der Volksvorstel-
lung beruhte, kann man aus den
Ritualien selbst noch des 18. Jahr-
hunderts ersehen, in denen Anwen-
dung von Wachs von Lichtsmess-
kerzen und Palmen gegen Unwetter
empfohlen werden.
Die größeren bedruckten Zettel4
(10 χ 5 cm) sind bis auf einen fast
ganz verwüstet und auch dieser eine
zeigt größere Defekte. Sein Inhalt
hat zum Teil dadurch gelitten, dass
das Blatt gefaltet lag, so dass die
Buchstaben der Vorder- und der
Rückseite sich stellenweise auf ein-
ander abdruckten oder bei der Ent-
faltung ganz ablösten. Die eine
Seite enthielt folgendes Gebet: Je-
sus [ Ν + R. | Jud. | Qui Verbum
Caro factum | est & habitavit in no-
bis, nas | cens ex Maria V. per in-
effa | bilem pietatem & misericor- |
diam suam piissimam & per | inter-
cessionem eiusdem Bea | tae Mariae
V. & Angelorum | sanetorumque om-
nium & ! maxime Apostolorum &
Ε I piscoporum . . . [fehlen zwei
Zeilen] liberare & [con] servar[e ab]
omni infestatio [ne] sathanae & mi-
nistrorum eius. Qui cum | Patre
& Spir. S. vivit & reg | nat in sae-
cula saeculorum. Am[en]. Benedicüo Dei omnipo-
tent i . . . [Spirijtus S. descen | dat . . fruetus
terrae | . . maneat semper. Das Ganze ist der durch
1 ! ' si§3
ψ
l y.
1
-L4&
ι less . ι
-ÏÏi
Abbild. 1. Fundstelle alter
Wetterabwehrmittel am Freiburger
Münsterturm.
' Vgl. Deutsche Gaue XI (Kaufbeuern 1904). Sonderheft
38, 4.
J Vgl. Franz a. a. O. 1, 506.
3 Ebd. 1, 517.
ι Die erste Entzifferung hat Prof. Dr. M. Heer vorge-
nommen. Ich habe nur noch an einzelnen Stellen Ergänzungen
beifügen können.
zahlreichen Motiven der Beschwö-
rung, der Berufung auf die Rettung
Noes, der drei Jünglinge aus dem
Ofen, der Israeliten aus dem Roten
Meer; auf die Menschwerdung und
Geburt aus der Jungfrau Maria; auf
das Leiden Christi; auf die Taufe im
Jordan und die Stillung des Meer-
sturmes und anderes ist hier nur
das Motiv der Menschwerdung und
Geburt Christi, teilweise mit den
klassischen Worten aus dem An-
fangskapitel des Johannes-Evange-
liums aufgenommen. Außerdem der
Hinweis auf Gottes Gnade und
Barmherzigkeit und die Fürbitte
Marias, der Engel, Apostel und
Heiligen aller Klassen, der auch
sonst regelmäßig vorkommt. Den
Schluß bildet die übliche Wetter-
segensformel. Der Text der Rück-
seite trägt an der Spitze die Anru-
fungsworte Jesus + Maria, darnach
die Worte des Kreuztitulus. In Kur-
siv folgt darunter eine Überschrift,
von der aber nur Benedictio . . .
Ex vo . . erhalten ist. Darunter
steht zunächst die 3. Laudes-Anti-
phon vom Feste Kreuzerfindung
(3. Ma): Ecce crucem Domini, fu-
gite partes adversae, vicit leo de
tribu Juda, radix David, alleluja, alle-
luja. In zahlreichen älteren und neue-
ren Wettersegensformularien sind
diese Worte nachweisbar, gewöhn-
lich als Begleittext für die Beschwö-
rung der Wetterwolken mittels des
entgegengehaltenen Kreuzes7. An
diese Beschwörungsformel schließt sich noch mit der
Kursiv-Überschrift Benedictio S. Francisci die bei
der Profeßablegung im 3. Orden des hl. Franz von
Assisi übliche Segensformel: Benedicat tibi Do-
minus et custodiat te, ostendat faciem suam tibi et
5 Franz a. a. O. 2, 78 unter II b. 3; S. 98 n. 17.
IJ Bei Franz a. a. O. 2, 91 n. 8; 92 n. 2; 97 n. 15.
7 Franz a. a. O. 2, 80 n. 5; 85 n. 13; 87 n. 6; 91 n. 3;
92 n. 4; 97 n. 6 ; 98 n. 4.
29
Die kleinen Holzkreuzehen (15 mm χ 10 mm) ein Bittgebet eingeleitete Wettersegen, wie er noch
haben doppelten Querbalken und dürften identisch heute ähnlich gesprochen wird. Im Einleitungsgebet
sein mit den sogen. Scheyrer- oder Schauerkreuzen, sind alle charakteristischen Bestandteile alter Segens-
die im 16. und 17. Jahrhundert häufig gegen Hagel- formularien enthalten5, nur sind sie hier in die
schlag verehrt wurden1. Derartige Kreuzchen wur- kürzeste Fassung gebracht. Es hebt mit den auch
den sowohl aus den am Palmsonntag geweihten in anderen älteren Wettersegensformeln" begegnen-
Palmen2 als auch aus dem zur Feuerweihe am den Worten des Kreuztitulus an. Von den oft recht
Karsamstag mitgebrachten und leicht
angebrannten Holz verfertigt. Sie
wurden in den Häusern gegen Wetter-
gefahr verwahrt wie auf Saatfeldern
gegen Hagelschlag mit Palmzweigen
zusammen befestigt3. Und daß der
Glaube an ihre Wirksamkeit nicht
ausschließlich auf der Volksvorstel-
lung beruhte, kann man aus den
Ritualien selbst noch des 18. Jahr-
hunderts ersehen, in denen Anwen-
dung von Wachs von Lichtsmess-
kerzen und Palmen gegen Unwetter
empfohlen werden.
Die größeren bedruckten Zettel4
(10 χ 5 cm) sind bis auf einen fast
ganz verwüstet und auch dieser eine
zeigt größere Defekte. Sein Inhalt
hat zum Teil dadurch gelitten, dass
das Blatt gefaltet lag, so dass die
Buchstaben der Vorder- und der
Rückseite sich stellenweise auf ein-
ander abdruckten oder bei der Ent-
faltung ganz ablösten. Die eine
Seite enthielt folgendes Gebet: Je-
sus [ Ν + R. | Jud. | Qui Verbum
Caro factum | est & habitavit in no-
bis, nas | cens ex Maria V. per in-
effa | bilem pietatem & misericor- |
diam suam piissimam & per | inter-
cessionem eiusdem Bea | tae Mariae
V. & Angelorum | sanetorumque om-
nium & ! maxime Apostolorum &
Ε I piscoporum . . . [fehlen zwei
Zeilen] liberare & [con] servar[e ab]
omni infestatio [ne] sathanae & mi-
nistrorum eius. Qui cum | Patre
& Spir. S. vivit & reg | nat in sae-
cula saeculorum. Am[en]. Benedicüo Dei omnipo-
tent i . . . [Spirijtus S. descen | dat . . fruetus
terrae | . . maneat semper. Das Ganze ist der durch
1 ! ' si§3
ψ
l y.
1
-L4&
ι less . ι
-ÏÏi
Abbild. 1. Fundstelle alter
Wetterabwehrmittel am Freiburger
Münsterturm.
' Vgl. Deutsche Gaue XI (Kaufbeuern 1904). Sonderheft
38, 4.
J Vgl. Franz a. a. O. 1, 506.
3 Ebd. 1, 517.
ι Die erste Entzifferung hat Prof. Dr. M. Heer vorge-
nommen. Ich habe nur noch an einzelnen Stellen Ergänzungen
beifügen können.
zahlreichen Motiven der Beschwö-
rung, der Berufung auf die Rettung
Noes, der drei Jünglinge aus dem
Ofen, der Israeliten aus dem Roten
Meer; auf die Menschwerdung und
Geburt aus der Jungfrau Maria; auf
das Leiden Christi; auf die Taufe im
Jordan und die Stillung des Meer-
sturmes und anderes ist hier nur
das Motiv der Menschwerdung und
Geburt Christi, teilweise mit den
klassischen Worten aus dem An-
fangskapitel des Johannes-Evange-
liums aufgenommen. Außerdem der
Hinweis auf Gottes Gnade und
Barmherzigkeit und die Fürbitte
Marias, der Engel, Apostel und
Heiligen aller Klassen, der auch
sonst regelmäßig vorkommt. Den
Schluß bildet die übliche Wetter-
segensformel. Der Text der Rück-
seite trägt an der Spitze die Anru-
fungsworte Jesus + Maria, darnach
die Worte des Kreuztitulus. In Kur-
siv folgt darunter eine Überschrift,
von der aber nur Benedictio . . .
Ex vo . . erhalten ist. Darunter
steht zunächst die 3. Laudes-Anti-
phon vom Feste Kreuzerfindung
(3. Ma): Ecce crucem Domini, fu-
gite partes adversae, vicit leo de
tribu Juda, radix David, alleluja, alle-
luja. In zahlreichen älteren und neue-
ren Wettersegensformularien sind
diese Worte nachweisbar, gewöhn-
lich als Begleittext für die Beschwö-
rung der Wetterwolken mittels des
entgegengehaltenen Kreuzes7. An
diese Beschwörungsformel schließt sich noch mit der
Kursiv-Überschrift Benedictio S. Francisci die bei
der Profeßablegung im 3. Orden des hl. Franz von
Assisi übliche Segensformel: Benedicat tibi Do-
minus et custodiat te, ostendat faciem suam tibi et
5 Franz a. a. O. 2, 78 unter II b. 3; S. 98 n. 17.
IJ Bei Franz a. a. O. 2, 91 n. 8; 92 n. 2; 97 n. 15.
7 Franz a. a. O. 2, 80 n. 5; 85 n. 13; 87 n. 6; 91 n. 3;
92 n. 4; 97 n. 6 ; 98 n. 4.