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Die Bildbeschreibung in der christlichen Zeit
zismus^Formel als Siegel nutzbar — so ein Domherr um 1170
einen Stein mit der Ledagruppe, die nach O. Wulff1) in koptischen
Kirchenskulpturen eine besondere symbolische Bedeutung gehabt
haben mochte —oder man fügte zur Ehre Gottes christliche In-
schriften bei. Das Bibelzitat „Ecce mitto angelum meum" um
Cupido mit Köcher und verbundenen Augen herum, mit dem
der Abt von Caen siegelte, oder „Ave Maria gratia plena" um
den behelmten Minervakopf auf dem Siegel des Kapitels zu No-
yon 12962) und dergleichen Dinge mehr waren im Mittelalter an
der Tagesordnung.
Man deutete auch Heidnisches ohne weiteres in Christliches
um, oft aus Unkenntnis der mythologischen Gestalten3). Jupiter
und Merkur mit einem Baum dazwischen werden kurzerhand zu
Adam und Eva, der formalen Ähnlichkeit des Motives wegen,-
Jupiter mit dem Adler wird Johannes der Evangelist, Herku =
les, den Geryon tötend, wird zum hl. Georg mit dem Drachen,
Bellerophon zum Reiterheiligen, Perseus zum hl. Michael.
Umgekehrt zeigt sich die Verquickung von christlicher Kunst
mit heidnischer in Kompositionen, wo pagane Vorlagen in urchrist-
liche Formen gegossen werden. Es kniet z. B. in der Konjunktion
von Saturn und Venus (Abb. 3) letztere in jugendlicher Schöne
heit, mittelalterlich gekleidet, vor dem greisen Saturn, der ihr, ge-
nau wie Gottvater in „Mariae Krönung" der Himmelskönigin, die
Krone aufs Haupt setzt.
Das Vordrängen der Sphärenbeherrscher den nicht verstirnten
Göttern gegenüber kommt auch in der Kunst nicht von ungefähr,-
denn seit ihnen die Kirche durch scheinbare Verchristlichung den
Weg geebnet hat, scheinen sie weniger als je das Feld räumen zu
wollen. Im Gegenteil, sie stellen die Kunst des Abendlandes vor
die Alternative, entweder neue, mittelalterlichem Geiste entsprun-
gene Göttertypen zu schaffen oder aber die übernommenen klas-
sischen Typen dem zeitgenössisch-kirchlichen Wesen anzupassen.
Zwar in antiker Schönheit dürfen auch die Sterngötter noch nicht
erstrahlen, sondern müssen sich bei ihrer Voreiligkeit dazu be-
quemen, christliche Miene aufzusetzen,- doch gehört ihnen das
Verdienst, für Neuschöpfungen in Plastik und Großmalerei
des Trecento ikonographisch außerordentlich interessante Per-
Die Bildbeschreibung in der christlichen Zeit
zismus^Formel als Siegel nutzbar — so ein Domherr um 1170
einen Stein mit der Ledagruppe, die nach O. Wulff1) in koptischen
Kirchenskulpturen eine besondere symbolische Bedeutung gehabt
haben mochte —oder man fügte zur Ehre Gottes christliche In-
schriften bei. Das Bibelzitat „Ecce mitto angelum meum" um
Cupido mit Köcher und verbundenen Augen herum, mit dem
der Abt von Caen siegelte, oder „Ave Maria gratia plena" um
den behelmten Minervakopf auf dem Siegel des Kapitels zu No-
yon 12962) und dergleichen Dinge mehr waren im Mittelalter an
der Tagesordnung.
Man deutete auch Heidnisches ohne weiteres in Christliches
um, oft aus Unkenntnis der mythologischen Gestalten3). Jupiter
und Merkur mit einem Baum dazwischen werden kurzerhand zu
Adam und Eva, der formalen Ähnlichkeit des Motives wegen,-
Jupiter mit dem Adler wird Johannes der Evangelist, Herku =
les, den Geryon tötend, wird zum hl. Georg mit dem Drachen,
Bellerophon zum Reiterheiligen, Perseus zum hl. Michael.
Umgekehrt zeigt sich die Verquickung von christlicher Kunst
mit heidnischer in Kompositionen, wo pagane Vorlagen in urchrist-
liche Formen gegossen werden. Es kniet z. B. in der Konjunktion
von Saturn und Venus (Abb. 3) letztere in jugendlicher Schöne
heit, mittelalterlich gekleidet, vor dem greisen Saturn, der ihr, ge-
nau wie Gottvater in „Mariae Krönung" der Himmelskönigin, die
Krone aufs Haupt setzt.
Das Vordrängen der Sphärenbeherrscher den nicht verstirnten
Göttern gegenüber kommt auch in der Kunst nicht von ungefähr,-
denn seit ihnen die Kirche durch scheinbare Verchristlichung den
Weg geebnet hat, scheinen sie weniger als je das Feld räumen zu
wollen. Im Gegenteil, sie stellen die Kunst des Abendlandes vor
die Alternative, entweder neue, mittelalterlichem Geiste entsprun-
gene Göttertypen zu schaffen oder aber die übernommenen klas-
sischen Typen dem zeitgenössisch-kirchlichen Wesen anzupassen.
Zwar in antiker Schönheit dürfen auch die Sterngötter noch nicht
erstrahlen, sondern müssen sich bei ihrer Voreiligkeit dazu be-
quemen, christliche Miene aufzusetzen,- doch gehört ihnen das
Verdienst, für Neuschöpfungen in Plastik und Großmalerei
des Trecento ikonographisch außerordentlich interessante Per-