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Die italienische Bildhesdireibung
Den Göttern, denen unseres Dichters begeisterte Jugendfreude
gehört hatte, schwört er ab, als sein Leben zur Neige geht. Die
Angst vor dem Tode läßt ihn im 15. Buche seines Werkes „De
genealogiis deorum gentilium"x) folgende Sätze niederschreiben:
„Preterea advertens, quia continuis decipulis et explicatis ubique
retibus antiquus hostis, t an quam leorugiens,ut inveniat, quem
devoret, ambiat inmortalium semitas, eosque in precipitium cone-
tur impellere . . (S. 284, Z. 20ff,), „Si enim christianus homo
gentilium tractavi stultitias, iussu tuo, rex inclite, et in de«
testationem erronee credulitatis eorum hoc feci . .
(Z. 30ff.), und hauptsächlich: „Michi quidem teneris annis notis«
simum est, ,,. quia omnes dii gentium demones, et hinc eorum
semper inepta displicuere facinora" (S. 285, Z, 5 ff.).
Dies war zur eigenen Beruhigung im Konflikt mit seiner Re«
ligion und zur Verteidigung gegen verständnislose Angriffe, blieb
aber rein äußerlich, verstandesmäßig,- im tiefsten Innern, gefühls-
mäßig, sich selbst dessen kaum bewußt, war und blieb er von der
Antike im Sinne von Schönheit und Gelehrsamkeit erfüllt. Dem
letzten der oben zitierten Sätze fügte er gewissermaßen auch schon
eine Entschuldigung bei: „Fateor tarnen, religione eorum seposita,
quorundam poetarum mores et scripta placuisse, et ob id non so«
lum eos laudasse, sed pro viribus ab obiectionibus accusantium
defendisse, ut apparet in precedentibus liquido ..(S. 285, Z. 7ff.).
In der Verwirklichung seiner Sympathie für die antike Götter-
welt ging Boccaccio weit über Dante hinaus, indem er den Fabel«
Stoff des Altertums zwar noch nicht von Grund auf erforschte, aber
zusammen faßte für diejenigen seiner Zeitgenossen, die Latein
verstanden. In der Tat waren Boccaccios humanistische Schriften
nützliche Nachschlagewerke, die beispielsweise in Frankreich noch
im 16. Jahrhundert als solche benutzt wurden.
Noch weit mehr sind es Boccaccios vulgärsprachige Jugend«
werke, die eine neue Ära des Verständnisses der Antike herauf«
beschwören halfen und Ausgangspunkt für seine Nachfolge
werden sollten. Seine zahlreichen italienischen Schriften enthalten
eine Fülle heidnischen Stoffes, hauptsächlich seine zwei früheren
Poeme „Filostrato" und „Teseide", dann die Schöpfungen seines
ertragreichsten Jahres, 1342, die „Amorosa Visione", „Ameto"
Die italienische Bildhesdireibung
Den Göttern, denen unseres Dichters begeisterte Jugendfreude
gehört hatte, schwört er ab, als sein Leben zur Neige geht. Die
Angst vor dem Tode läßt ihn im 15. Buche seines Werkes „De
genealogiis deorum gentilium"x) folgende Sätze niederschreiben:
„Preterea advertens, quia continuis decipulis et explicatis ubique
retibus antiquus hostis, t an quam leorugiens,ut inveniat, quem
devoret, ambiat inmortalium semitas, eosque in precipitium cone-
tur impellere . . (S. 284, Z. 20ff,), „Si enim christianus homo
gentilium tractavi stultitias, iussu tuo, rex inclite, et in de«
testationem erronee credulitatis eorum hoc feci . .
(Z. 30ff.), und hauptsächlich: „Michi quidem teneris annis notis«
simum est, ,,. quia omnes dii gentium demones, et hinc eorum
semper inepta displicuere facinora" (S. 285, Z, 5 ff.).
Dies war zur eigenen Beruhigung im Konflikt mit seiner Re«
ligion und zur Verteidigung gegen verständnislose Angriffe, blieb
aber rein äußerlich, verstandesmäßig,- im tiefsten Innern, gefühls-
mäßig, sich selbst dessen kaum bewußt, war und blieb er von der
Antike im Sinne von Schönheit und Gelehrsamkeit erfüllt. Dem
letzten der oben zitierten Sätze fügte er gewissermaßen auch schon
eine Entschuldigung bei: „Fateor tarnen, religione eorum seposita,
quorundam poetarum mores et scripta placuisse, et ob id non so«
lum eos laudasse, sed pro viribus ab obiectionibus accusantium
defendisse, ut apparet in precedentibus liquido ..(S. 285, Z. 7ff.).
In der Verwirklichung seiner Sympathie für die antike Götter-
welt ging Boccaccio weit über Dante hinaus, indem er den Fabel«
Stoff des Altertums zwar noch nicht von Grund auf erforschte, aber
zusammen faßte für diejenigen seiner Zeitgenossen, die Latein
verstanden. In der Tat waren Boccaccios humanistische Schriften
nützliche Nachschlagewerke, die beispielsweise in Frankreich noch
im 16. Jahrhundert als solche benutzt wurden.
Noch weit mehr sind es Boccaccios vulgärsprachige Jugend«
werke, die eine neue Ära des Verständnisses der Antike herauf«
beschwören halfen und Ausgangspunkt für seine Nachfolge
werden sollten. Seine zahlreichen italienischen Schriften enthalten
eine Fülle heidnischen Stoffes, hauptsächlich seine zwei früheren
Poeme „Filostrato" und „Teseide", dann die Schöpfungen seines
ertragreichsten Jahres, 1342, die „Amorosa Visione", „Ameto"