76 Archaisirende Kunst.
Die Figur ist, wie die vorhergehende, lanzenschwingend
zu denken, hat aher eine lebendigere Bewegung, die freilich
noch nicht ganz natürlich ist. Das rechte Bein sollte, um
einen bequemeren und natürlicheren Stand zu bewirken, mehr
vortreten, wodurch aber die gleichförmige starre Fältelung
des Gewandes, die gerade beabsichtigt ist, unmöglich geworden
wäre. Die Aegis dient der Göttin als Schild, sie wird in
der älteren Kunst entweder als Schild oder als Panzer be-
trachtet, während sie später oft nur wie ein Schmuck ohne
practischen Zweck behandelt wird. Charakteristisch ist für
den altertümlichen Stil das zierliche Halsband der Göttin,
auch die Ohren tragen ihren Schmuck. Doch verräth die
grosse Stumpfheit der Gewandfalten auf den ersten Blick
den nachahmenden Künstler, der echt alterthümliche Stil
zeichnet sich gerade durch Schärfe und Präcision aus.
Abg. Milling-en anc. uned. monum. II, 7. Müller-Wieseler 1, 10,
37. Vgl. Winckelmann Gesch. d. K. Buch 7, Kap. 2 §. 12.
59. Bacchus*, Marmorstatue, früher im Palast Braschi
zu Rom, jetzt in der Glyptothek zu München. Ergänzt sind
der Kopf, die Vorderarme und die Füsse.
Der Ergänzer ist von der -Annahme ausgegangen, dass
die Figur einen Bacchuspriester darstelle, sie stellt aber viel-
mehr den Bacchus selbst dar, wie die Vergleichung sehr ähn-
licher Figuren auf Gemmen und anderen Monumenten ergiebt.
Schaale und Kanne sind daher hinwegzudenken, der Gott
hielt wahrscheinlich in der Rechten den Becher, in der Linken
den Thyrsus. Er ist vorgestellt in der Weise der alten
Tempelbilder, doch ist das Werk, wte die Freiheit in der
Darstellung des Nackten beweist, nur eine Nachahmung des
alten Stils.
Eigentümlich ist die Gewandung. Ueber dem fein-
wolligen Untergewande liegt zunächst ein nur um die Beine
geschlagenes Obergewand und sodann ein Pantherfell, beide
vom Gürtel gehalten, von dem nur hinten ein Stück sichtbar
ist. Auf den Armen trägt der Gott leicht und zierlich ein
Mäntelchen mit symmetrisch herabhängenden Zipfeln, eine
Gewandanordnung, die, wie schon bemerkt, im alten Stil sehr
beliebt ist. Auch die eckige, rechtwinkelige Biegung des
Armes ist specifisch alterthümlich. Die Arbeit ist vortrefflich.
Im Römischen Saal n. 120.
Die Figur ist, wie die vorhergehende, lanzenschwingend
zu denken, hat aher eine lebendigere Bewegung, die freilich
noch nicht ganz natürlich ist. Das rechte Bein sollte, um
einen bequemeren und natürlicheren Stand zu bewirken, mehr
vortreten, wodurch aber die gleichförmige starre Fältelung
des Gewandes, die gerade beabsichtigt ist, unmöglich geworden
wäre. Die Aegis dient der Göttin als Schild, sie wird in
der älteren Kunst entweder als Schild oder als Panzer be-
trachtet, während sie später oft nur wie ein Schmuck ohne
practischen Zweck behandelt wird. Charakteristisch ist für
den altertümlichen Stil das zierliche Halsband der Göttin,
auch die Ohren tragen ihren Schmuck. Doch verräth die
grosse Stumpfheit der Gewandfalten auf den ersten Blick
den nachahmenden Künstler, der echt alterthümliche Stil
zeichnet sich gerade durch Schärfe und Präcision aus.
Abg. Milling-en anc. uned. monum. II, 7. Müller-Wieseler 1, 10,
37. Vgl. Winckelmann Gesch. d. K. Buch 7, Kap. 2 §. 12.
59. Bacchus*, Marmorstatue, früher im Palast Braschi
zu Rom, jetzt in der Glyptothek zu München. Ergänzt sind
der Kopf, die Vorderarme und die Füsse.
Der Ergänzer ist von der -Annahme ausgegangen, dass
die Figur einen Bacchuspriester darstelle, sie stellt aber viel-
mehr den Bacchus selbst dar, wie die Vergleichung sehr ähn-
licher Figuren auf Gemmen und anderen Monumenten ergiebt.
Schaale und Kanne sind daher hinwegzudenken, der Gott
hielt wahrscheinlich in der Rechten den Becher, in der Linken
den Thyrsus. Er ist vorgestellt in der Weise der alten
Tempelbilder, doch ist das Werk, wte die Freiheit in der
Darstellung des Nackten beweist, nur eine Nachahmung des
alten Stils.
Eigentümlich ist die Gewandung. Ueber dem fein-
wolligen Untergewande liegt zunächst ein nur um die Beine
geschlagenes Obergewand und sodann ein Pantherfell, beide
vom Gürtel gehalten, von dem nur hinten ein Stück sichtbar
ist. Auf den Armen trägt der Gott leicht und zierlich ein
Mäntelchen mit symmetrisch herabhängenden Zipfeln, eine
Gewandanordnung, die, wie schon bemerkt, im alten Stil sehr
beliebt ist. Auch die eckige, rechtwinkelige Biegung des
Armes ist specifisch alterthümlich. Die Arbeit ist vortrefflich.
Im Römischen Saal n. 120.