Ergebnissse die Diskrepanz störend auffiele. Die Harmonie beruht zum Teile da-
rauf, daß Lucas ein wenig wie ein Radierer gestochen und wie ein Stecher radiert
hat. Die Verbindung von Grabstichelarbeit und Ätzung bleibt folgenlos sowohl in
seinem Schaffen, wie in der allgemeinen Entwicklung des Bilddruckes.
Lucas hat sich nach 1520 nur noch selten auf Ätzung eingelassen, wie ja auch
Dürer diese in die Zukunft weisende Regung bald unterdrückt hat. Der Verzicht
des Deutschen, dem die Klarheit des Plastischen über alles ging, ist leichter zu ver-
stehen als der des Holländers, dessen Sehweise so gerichtet war, daß ihm die Ätzung
willkommen sein mußte. Wie wenn er seinen Instinkten nicht getraut hätte, ließ
er das neue Ausdrucksmittel fahren. Statt den Weg einzuschlagen, der zu Rembrandt
geführt hätte, schlug er den Weg zu Goltzius hin ein.
Den Kaiser hatte der Leidener kaum jemals erblickt. Als nach dem Ableben
Maximilians das Portrait auch in den Niederlanden begehrt wurde, bildete er
seinen stattlichen und repräsentativen Stich nach Dürers Holzschnitt, der authen-
tisch erschien wie eine Totenmaske. Vor 1520 gab es in den Niederlanden keine
gestochenen Bildnisse. Die Anregung zu solcher Unternehmung kam dem Hollän-
der vermutlich beim Anblicke des Portraitstiches Albrechts von Brandenburg, mit
dem Dürer 1519 seine Reihe der Portraitstiche begonnen hatte. Im „Werke" des
Leideners blieb der „Maximilian" ein einmaliger Fall. „Der Jüngling mit dem
Totenschädel" (B. 174) ist durchaus kein Portrait, obwohl er oft in der Literatur
dafür gehalten wurde, am allerwenigsten ein Selbstportrait, und das geätzte ver-
meintliche Selbstbildnis (B. 173) ist mit Recht aus seinem „Werk" gestrichen
worden.
Dürers Tagebuch entnehmen wir die Eintragung vom Juni 1521, „Mich hat
zu Gast geladen Meister Lucas, der in Kupfer sticht, ist ein klein Männlein und
bürtig von Leyden aus Holland, der was zu Antorff". Gleich danach: „ich hab
Meister Lucas von Leyden mit dem Stift konterfet" wenige Tage später „Item hab
fürs Lucasen ganzen Druck gestochen meiner Kunst für 8 fl. [gegeben]". Viel
höher als 8 fl. hat Dürer in den Niederlanden den ganzen eigenen Druck nicht
geschätzt, so daß wir glauben dürfen, Lucas habe im Tausche so ziemlich das
ganze Kupferstichwerk des Deutschen empfangen. Die Begegnung hat Phantasie
und Federn in Bewegung gesetzt. Schon van Mander fühlte sich verpflichtet,
dieses Zusammentreffens mit Emphase zu gedenken, indem er erzählt, Dürern
habe die Stimme versagt und der Atem gestockt, als er den berühmten Kunstge-
nossen erblickte. Der hart geprüfte Kunsthistoriker, dem so selten nahrhafte bio-
graphische Kost vorgesetzt wird, preßt möglichst viel heraus aus spärlichen Daten.
Nicht ausbleiben kann es, daß Reisen, Ortsveränderungen, persönliche Begegnun-
gen, Ereignisse, von denen sich Kunde zufällig erhalten hat, über Gebühr als Ur-
sachen seelischer Wandlung und Stilveränderung gedeutet werden, indes andere,
vielleicht tiefer wirkende Erlebnisse, verborgen und unberücksichtigt bleiben. Es
konnte nicht ausbleiben, daß die Wirkung der persönlichen Begegnung des Hollän-
ders mit dem Deutschen überwertet wurde, und daß man übersah, wie Lucas vor
1521 und eigentlich immer geistig mit Dürer verkehrt hatte. Immerhin ist Erinne-
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rauf, daß Lucas ein wenig wie ein Radierer gestochen und wie ein Stecher radiert
hat. Die Verbindung von Grabstichelarbeit und Ätzung bleibt folgenlos sowohl in
seinem Schaffen, wie in der allgemeinen Entwicklung des Bilddruckes.
Lucas hat sich nach 1520 nur noch selten auf Ätzung eingelassen, wie ja auch
Dürer diese in die Zukunft weisende Regung bald unterdrückt hat. Der Verzicht
des Deutschen, dem die Klarheit des Plastischen über alles ging, ist leichter zu ver-
stehen als der des Holländers, dessen Sehweise so gerichtet war, daß ihm die Ätzung
willkommen sein mußte. Wie wenn er seinen Instinkten nicht getraut hätte, ließ
er das neue Ausdrucksmittel fahren. Statt den Weg einzuschlagen, der zu Rembrandt
geführt hätte, schlug er den Weg zu Goltzius hin ein.
Den Kaiser hatte der Leidener kaum jemals erblickt. Als nach dem Ableben
Maximilians das Portrait auch in den Niederlanden begehrt wurde, bildete er
seinen stattlichen und repräsentativen Stich nach Dürers Holzschnitt, der authen-
tisch erschien wie eine Totenmaske. Vor 1520 gab es in den Niederlanden keine
gestochenen Bildnisse. Die Anregung zu solcher Unternehmung kam dem Hollän-
der vermutlich beim Anblicke des Portraitstiches Albrechts von Brandenburg, mit
dem Dürer 1519 seine Reihe der Portraitstiche begonnen hatte. Im „Werke" des
Leideners blieb der „Maximilian" ein einmaliger Fall. „Der Jüngling mit dem
Totenschädel" (B. 174) ist durchaus kein Portrait, obwohl er oft in der Literatur
dafür gehalten wurde, am allerwenigsten ein Selbstportrait, und das geätzte ver-
meintliche Selbstbildnis (B. 173) ist mit Recht aus seinem „Werk" gestrichen
worden.
Dürers Tagebuch entnehmen wir die Eintragung vom Juni 1521, „Mich hat
zu Gast geladen Meister Lucas, der in Kupfer sticht, ist ein klein Männlein und
bürtig von Leyden aus Holland, der was zu Antorff". Gleich danach: „ich hab
Meister Lucas von Leyden mit dem Stift konterfet" wenige Tage später „Item hab
fürs Lucasen ganzen Druck gestochen meiner Kunst für 8 fl. [gegeben]". Viel
höher als 8 fl. hat Dürer in den Niederlanden den ganzen eigenen Druck nicht
geschätzt, so daß wir glauben dürfen, Lucas habe im Tausche so ziemlich das
ganze Kupferstichwerk des Deutschen empfangen. Die Begegnung hat Phantasie
und Federn in Bewegung gesetzt. Schon van Mander fühlte sich verpflichtet,
dieses Zusammentreffens mit Emphase zu gedenken, indem er erzählt, Dürern
habe die Stimme versagt und der Atem gestockt, als er den berühmten Kunstge-
nossen erblickte. Der hart geprüfte Kunsthistoriker, dem so selten nahrhafte bio-
graphische Kost vorgesetzt wird, preßt möglichst viel heraus aus spärlichen Daten.
Nicht ausbleiben kann es, daß Reisen, Ortsveränderungen, persönliche Begegnun-
gen, Ereignisse, von denen sich Kunde zufällig erhalten hat, über Gebühr als Ur-
sachen seelischer Wandlung und Stilveränderung gedeutet werden, indes andere,
vielleicht tiefer wirkende Erlebnisse, verborgen und unberücksichtigt bleiben. Es
konnte nicht ausbleiben, daß die Wirkung der persönlichen Begegnung des Hollän-
ders mit dem Deutschen überwertet wurde, und daß man übersah, wie Lucas vor
1521 und eigentlich immer geistig mit Dürer verkehrt hatte. Immerhin ist Erinne-
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