6i 3. Schreitender Knabe, mit dem Schwert. — Amsterdam, Rijksmuseum,
schwarze Kreide, Unterschrift aus späterer Zeit: A° 1510 was Lucas i6 Jaren out
en maakte de Ecce homo. Diese Mitteilung, an sich von zweifelhaftem Werte,
scheint zu sagen: dies ist ein Selbstportrait, so sah Lucas aus 1510, als er den großen
Ecce Homo-Stich ausführte. Der Vortrag, spontan, in einem Zuge.
Der ritterlich ausgestattete, wie auf der Bühne auftretende Bube: wir können
uns sehr gut vorstellen, daß Lucas 1510 so aussah, daß er sich so sah, auch, daß er
1510 so gezeichnet hat. Das Antlitz, flüchtig skizziert, ist mit den bekannten Bild-
nissen schwer zu vereinigen. Namentlich stimmt der kleine Mund bedenklich.
Vielleicht wollte Lucas seine Gestalt, sein Auftreten, sein stattliches Kleid festhalten,
ohne Portraitähnlichkeit anzustreben. So mag das einzigartige Blatt zu erklären
sein, das so persönlich und zweckfrei erscheint. 403
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4. Kopf eines jungen Mannes — London, British Museum, Popham Nr. 2,
schwarze Kreide (205 X 164), mit anscheinend echter Signatur.
Voll Leben, mit Bravour entworfen, aber unsicher konstruiert. Die Nase zu
stark in Seitenansicht, das Auge auf der abgewandten Gesichtshälfte fehlerhaft ein-
gesetzt. Popham denkt an die Zeit um 1508. Angesichts des freien Vortrags und
des offenen, seelisch gesunden Ausdrucks neige ich zu Ansetzung in etwas spätere
Zeit. Die Sehweise des Malers führt zur Wahl der weichen Kreide.
5. Daniel in der Löwengrube, London, British Museum, Popham Nr. 3, (Rund
227), Feder, braune Farbe, Entwurf für eine Glasscheibe. Mit Unrecht bezweifelt,
teilsweise etwas ungeduldig und derb im Vortrag. Um 1512 entstanden. Ähnlich
in der Strichführung wie das unter Nr. 6 aufgeführte Blatt.
6. David, den besiegten Goliath enthauptend, London, British Museum, Pop-
ham Nr. 4, Pinselzeichnung in brauner Farbe, (272 X 194).
Diese Zeichnung, wohl der Entwurf für einen Holzschnitt, erinnert an den Holz-
schnitt B. 6, mit Simson und Dalila und mag um 1512 entstanden sein. J. Held41
hat die Beobachtung veröffentlicht, das Motiv des auf der Erde liegenden Riesen
stimmte überein mit dem niedergeworfenen Krieger in Burgkmairs Holzschnitt,
dem „Liebespaar und der Tod" (B. 40) und daraus den Schluß gezogen, der Augs-
burger hätte die Zeichnung des Holländers gekannt und das Bewegungsmotiv ent-
lehnt. Weiter ergäbe sich der terminus ante quem für die Zeichnung, da der Holz-
schnitt 1510 datiert ist.
Von vornherein fällt es schwer, zu glauben, daß sich eine holländische Zeich-
nung in das Augsburger Atelier verirrt habe. Gegen die näher liegende Deutung
des Zusammenhanges, daß Lucas den Holzschnitt benutzt habe, spricht die gegen-
seitige Verwendung des Motivs; dafür aber, daß Lucas etwa zur selben Zeit einen
40a Eine ebenfalls frühe Zeichnung Lucas', eine Art Gegenstück zu dem Amsterdamer Blatt, ist
jüngst aufgefunden worden und Friedländer unbekannt geblieben: Rugby (Warwickshire),
62 Rugby School. Ausstellung Amsterdam 1958„Middeleeuwse Kunst der noordelijke Nederlan-
den" Nr. 199 Abb. 103.
41 J. Held, Burlington Mag. 1932.
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schwarze Kreide, Unterschrift aus späterer Zeit: A° 1510 was Lucas i6 Jaren out
en maakte de Ecce homo. Diese Mitteilung, an sich von zweifelhaftem Werte,
scheint zu sagen: dies ist ein Selbstportrait, so sah Lucas aus 1510, als er den großen
Ecce Homo-Stich ausführte. Der Vortrag, spontan, in einem Zuge.
Der ritterlich ausgestattete, wie auf der Bühne auftretende Bube: wir können
uns sehr gut vorstellen, daß Lucas 1510 so aussah, daß er sich so sah, auch, daß er
1510 so gezeichnet hat. Das Antlitz, flüchtig skizziert, ist mit den bekannten Bild-
nissen schwer zu vereinigen. Namentlich stimmt der kleine Mund bedenklich.
Vielleicht wollte Lucas seine Gestalt, sein Auftreten, sein stattliches Kleid festhalten,
ohne Portraitähnlichkeit anzustreben. So mag das einzigartige Blatt zu erklären
sein, das so persönlich und zweckfrei erscheint. 403
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4. Kopf eines jungen Mannes — London, British Museum, Popham Nr. 2,
schwarze Kreide (205 X 164), mit anscheinend echter Signatur.
Voll Leben, mit Bravour entworfen, aber unsicher konstruiert. Die Nase zu
stark in Seitenansicht, das Auge auf der abgewandten Gesichtshälfte fehlerhaft ein-
gesetzt. Popham denkt an die Zeit um 1508. Angesichts des freien Vortrags und
des offenen, seelisch gesunden Ausdrucks neige ich zu Ansetzung in etwas spätere
Zeit. Die Sehweise des Malers führt zur Wahl der weichen Kreide.
5. Daniel in der Löwengrube, London, British Museum, Popham Nr. 3, (Rund
227), Feder, braune Farbe, Entwurf für eine Glasscheibe. Mit Unrecht bezweifelt,
teilsweise etwas ungeduldig und derb im Vortrag. Um 1512 entstanden. Ähnlich
in der Strichführung wie das unter Nr. 6 aufgeführte Blatt.
6. David, den besiegten Goliath enthauptend, London, British Museum, Pop-
ham Nr. 4, Pinselzeichnung in brauner Farbe, (272 X 194).
Diese Zeichnung, wohl der Entwurf für einen Holzschnitt, erinnert an den Holz-
schnitt B. 6, mit Simson und Dalila und mag um 1512 entstanden sein. J. Held41
hat die Beobachtung veröffentlicht, das Motiv des auf der Erde liegenden Riesen
stimmte überein mit dem niedergeworfenen Krieger in Burgkmairs Holzschnitt,
dem „Liebespaar und der Tod" (B. 40) und daraus den Schluß gezogen, der Augs-
burger hätte die Zeichnung des Holländers gekannt und das Bewegungsmotiv ent-
lehnt. Weiter ergäbe sich der terminus ante quem für die Zeichnung, da der Holz-
schnitt 1510 datiert ist.
Von vornherein fällt es schwer, zu glauben, daß sich eine holländische Zeich-
nung in das Augsburger Atelier verirrt habe. Gegen die näher liegende Deutung
des Zusammenhanges, daß Lucas den Holzschnitt benutzt habe, spricht die gegen-
seitige Verwendung des Motivs; dafür aber, daß Lucas etwa zur selben Zeit einen
40a Eine ebenfalls frühe Zeichnung Lucas', eine Art Gegenstück zu dem Amsterdamer Blatt, ist
jüngst aufgefunden worden und Friedländer unbekannt geblieben: Rugby (Warwickshire),
62 Rugby School. Ausstellung Amsterdam 1958„Middeleeuwse Kunst der noordelijke Nederlan-
den" Nr. 199 Abb. 103.
41 J. Held, Burlington Mag. 1932.
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