Gesetz der Trägheit. Bequemer ist es sicherlich, Geprägtes abzuformen, als zu
prägen.
Nicht unter allen Umständen entsteht Manier aus Anlehnung an fremde Kunst.
Auch aus der eigenen, originalen Form kann ein Meister die Formel herleiten.
Cranach mag dafür ein Beispiel bieten. Was aber in des Leideners „Werk" uns als
manieristisch berührt, entstammt seinem wechselnden Glauben an Ideale, die mit
seinen eigenen visuellen Erfahrungen unvereinbar waren. Sein Blick, der einer
sinnlich empfänglichen, nicht einer geistig forschenden Natur, drang nicht in die
Tiefe, nicht zum Gerüste, nicht zum Skelett. Eben weil er nicht analysierte, nicht
anatomisierte, konnte er leichter Eigenes fallen lassen, Äußerliches, Oberflächliches
aus der Ferne aufnehmen.
In seinen späten Kupferstichen verstimmt die Manier mehr als in seinen späten
Gemälden. Mit dem Grabstichel in der Hand seiner Sache sicherer als mit dem
Pinsel, kam er in müheloser Gewohnheit zu konventioneller Formung. Die farbige
Vision des Malers ist in hohem Grad auf Naturbeobachtung angewiesen, während
die schwarz-weiße Graphik ihrem Wesen nach leichter der Routine verfällt. Schließ-
lich waren es ja Kupferstiche, nicht Gemälde, von denen sein Blick auf die allge-
mein gültige „Schönheit" gefallen war.
Van Heemskerck, auch ein Holländer, entging nicht dem Vorwurfe, wie van
Mander erzählt, er hätte in seiner Jugend Besseres geschaffen als später. Und er
gab darauf die überhebliche Antwort: damals wußte ich nicht, was ich machte.
So hätte auch Lucas sich äußern können.
Dürern wurde alles schwer, er machte es sich schwer und kämpfte siegreich.
Nun will ich nicht sagen, dem Holländer sei alles leicht geworden. Auch er hat
sich gemüht. Aber sein Streben war nicht zielsicher gerichtet. Das Beste ist ihm
zugefallen eher als Geschenk denn als Beute. Er ist am stärksten dort, wo er sich
nicht bemüht.
Der erste Versuch auf neuem Felde fiel ihm oft als ein Treffer aus. Eine Errun-
genschaft auszunutzen zu ferneren Erfolgen gelang selten. So hat er nie wieder
einen unheimlichen Vorgang so erregend geschildert wie in dem Pariser Gemälde
mit Loth und seinen Töchtern, nie wieder den Seelenzustand so entschieden aus-
gedrückt wie um 1508 in dem Stiche mit Saul und David, nie das Natürliche so
ehrlich und schlicht aufgenommen wie 1509 in dem „Milchmädchen", nie den
Raum mit den Figuren darin so klar entwickelt wie 1510 im „Großen Ecce Homo".
prägen.
Nicht unter allen Umständen entsteht Manier aus Anlehnung an fremde Kunst.
Auch aus der eigenen, originalen Form kann ein Meister die Formel herleiten.
Cranach mag dafür ein Beispiel bieten. Was aber in des Leideners „Werk" uns als
manieristisch berührt, entstammt seinem wechselnden Glauben an Ideale, die mit
seinen eigenen visuellen Erfahrungen unvereinbar waren. Sein Blick, der einer
sinnlich empfänglichen, nicht einer geistig forschenden Natur, drang nicht in die
Tiefe, nicht zum Gerüste, nicht zum Skelett. Eben weil er nicht analysierte, nicht
anatomisierte, konnte er leichter Eigenes fallen lassen, Äußerliches, Oberflächliches
aus der Ferne aufnehmen.
In seinen späten Kupferstichen verstimmt die Manier mehr als in seinen späten
Gemälden. Mit dem Grabstichel in der Hand seiner Sache sicherer als mit dem
Pinsel, kam er in müheloser Gewohnheit zu konventioneller Formung. Die farbige
Vision des Malers ist in hohem Grad auf Naturbeobachtung angewiesen, während
die schwarz-weiße Graphik ihrem Wesen nach leichter der Routine verfällt. Schließ-
lich waren es ja Kupferstiche, nicht Gemälde, von denen sein Blick auf die allge-
mein gültige „Schönheit" gefallen war.
Van Heemskerck, auch ein Holländer, entging nicht dem Vorwurfe, wie van
Mander erzählt, er hätte in seiner Jugend Besseres geschaffen als später. Und er
gab darauf die überhebliche Antwort: damals wußte ich nicht, was ich machte.
So hätte auch Lucas sich äußern können.
Dürern wurde alles schwer, er machte es sich schwer und kämpfte siegreich.
Nun will ich nicht sagen, dem Holländer sei alles leicht geworden. Auch er hat
sich gemüht. Aber sein Streben war nicht zielsicher gerichtet. Das Beste ist ihm
zugefallen eher als Geschenk denn als Beute. Er ist am stärksten dort, wo er sich
nicht bemüht.
Der erste Versuch auf neuem Felde fiel ihm oft als ein Treffer aus. Eine Errun-
genschaft auszunutzen zu ferneren Erfolgen gelang selten. So hat er nie wieder
einen unheimlichen Vorgang so erregend geschildert wie in dem Pariser Gemälde
mit Loth und seinen Töchtern, nie wieder den Seelenzustand so entschieden aus-
gedrückt wie um 1508 in dem Stiche mit Saul und David, nie das Natürliche so
ehrlich und schlicht aufgenommen wie 1509 in dem „Milchmädchen", nie den
Raum mit den Figuren darin so klar entwickelt wie 1510 im „Großen Ecce Homo".