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Lineal die richtigen Verhältnisse her - eine Arbeit, die
Raffael und Sangallo oft ihren Mitarbeitern überließen
(UA177,877)44. Die zahlreichen Lage-, Grundriß- und
Aufrißskizzen wurden dann endlich in einem maßstäblichen
Grundriß miteinander in Einklang gebracht. Dieser Grund-
riß stellte oft nicht erst die Ausgangsbasis für die Aufriß-
gestaltung, sondern bereits ihr Ergebnis dar. Das geht am
deutlichsten aus Raffaels Entwürfen UA310,311 für sein
Haus in Via Giulia, aber auch aus Peruzzis Alternativpr o j ekt
für den Pal. Massimo hervor, die bereits eine Reihe äußerst
differenzierter Überlegungen über die Wirkung des Außen-
baus und des Hofes enthalten (T. 98a, 110a,b). Der be-
grenzte Spielraum für die Höhe eines Geschosses, eines Ge-
wölbes, einer Ordnung und selbst einer Treppenstufe mußte
dem erfahrenen Auge schon durch den Grundriß wesent-
liche Züge eines Projektes vermitteln. So ist es kaum be-
rechtigt, die Architekten der Hochrenaissance einer Ver-
nachlässigung des Aufrisses zugunsten des Grundrisses zu
bezichtigen45 46. Grundriß und Aufriß traten vielmehr in eine
so enge Abhängigkeit voneinander, daß der Grundriß
wesentlich mehr über den Aufriß besagte als im Mittelalter
mit seinen freieren Proportionssystemen.
Der Grundriß scheint denn auch eine der gebräuchlich-
sten Formen der Präsentation des Projektes vor dem Bau-
herrn gewesen zu sein. So möchte man jedenfalls die Dar-
stellung der Gründungsgeschichte von Alt-St. Peter in der
Sala di Costantino verstehen, wo die beiden Architekten
dem Papst Sylvester den Grundriß der Basilika überreichen,
oder Vasaris Allegorie der freien Künste in der Cancelleria,
wo Paul III. den Plan der Peterskirche betrachtet. Setzte das
Verständnis des Grundrisses eine Erfahrung voraus, über
die nicht jeder Bauherr verfügte, so machte ihn ein Modell
in Ton oder Holz aufs anschaulichste mit den Absichten des
Architekten vertraut. Schon Brunelleschi hatte für Cosimo
de’ Medici ein Palastmodell angefertigt, nachdem Modelle
für den italienischen Kirchenbau des 14. Jahrhunderts üb-
lich geworden waren48. Für Giuliano da Sangallo sind zahl-
reiche Palastmodelle belegt, für Bramante ein „modello“
des Cortile del Belvedere, für Raffael ein Holzmodell der
Loggien, für Michelangelo ein Modell der Gartenloggien
des Pal. Farnese47. Erhalten haben sich lediglich die Modelle
für den Pal. Strozzi in Florenz und für Sangallos Pal. Pari-
sani in Tolentino48. So wird man auch für zahlreiche andere
Paläste Modelle voraussetzen dürfen, etwa für die Farne-
sina, wenn auch Vasaris „modello“ nicht immer als plasti-
44 op.cit., Abb. 177, 178.
45 Ackerman, Architectural practice 1954.
46 Burckhardt ed. Holtzinger 1904, 114-19.
47 loc. cit.
48 Giovannoni 1959, 285.

sches Modell zu verstehen ist. Einen zeichnerischen Ersatz
für das Modell bot die von Alberti geforderte und erstmals
in Giuliano da Sangallos Wiener Entwürfen für St. Peter
von 1505/06 nachweisbare Trias von Grundriß, Aufriß und
Schnitt in maßstäblicher Orthogonalprojektion49. Peruzzi
erfand dann in einem der Entwürfe für S. Petronio und dem
berühmten Blatt UA2 für St. Peter eine Synthese von
Grundriß, Aufriß und Schnitt, die zwar geringere Anfor-
derungen an das Vorstellungsvermögen des Bauherrn
stellte, jedoch keinen genauen Aufschluß über die Maße er-
teilte50. Meistens mögen orthogonale Aufrißzeichnungen
wie Sangallos Entwürfe UA627 für den Hof des Pal. Far-
nese, UA1898 für den Turm des Kardinals del Monte oder die
Gruppe UA 66,67,256,259 für St. Peter den Bauherren zur
Veranschaulichung vorgelegt worden sein51 (T. 49a, 178 c).
Waren Peruzzis Perspektiven kaum als Unterlagen für die
Ausführung geeignet, so konnten Modell und orthogonale
Aufrisse den Bauführern und Handwerkern als Orientierung
dienen. Nachdem der entwerfende Architekt und seine Ge-
hilfen den Grundriß mit minutiöser Genauigkeit auf palmi
und oncie errechnet und in maßstabgerechte Pläne über-
tragen hatten51a, brauchten die Abmessungen nur mehr auf
dem Gelände abgesteckt zu werden. Die Aufrißmaße einer
Fassade konnte der Bauführer Entwürfen wie G.B.da San-
gallos Orthogonalriß UA1320 für den Pal. Farnese in Gra-
doli entnehmen (T.167b). Wie genau man dabei vorging,
zeigen wiederum die Bauten Raffaels, die mit optischen
Korrekturen von 10-20 cm pro Joch rechnen. Auch Pe-
ruzzis und Sangallos Bauten sind mit äußerster Präzision
ausgeführt. Eine Ungenauigkeit von 4/2 p. (0,11 m) an der
Fassade des Pal. Farnese bereitete Sangallo noch während
der letzten Jahre einiges Kopfzerbrechen. Wie man die
Fassadenkrümmung des Pal. Massimo im Grundriß be-
stimmte, wissen wir nicht. Immerhin ist auffallend, daß ihr
Zentrum am Ende des Hofes liegt, daß sie also mit Hilfe
eines Seiles leicht festgelegt werden konnte. Für die
Zierstücke in Ziegel oder Haustein wurden Werkzeich-
nungen und Holzmodel hergestellt, an denen sich Ziegel-
brenner und Steinmetzen orientieren konnten. Die wich-
tigsten Teile, wie das Kranzgesims, wurden vorher mit-
tels eines Modells an Ort und Stelle auf ihre Wirkung
geprüft.
Als Materialien für das Mauerwerk dienten fast aus-
schließlich Ziegel und Tuff. Vor allem der Tuff erfreute sich
49 Alberti 1485, lib. II, c. 1; D. Frey, G. da Sangallo, 431-448; vgl.
W. Lotz 1953-1956, 193 ff.
50 Bologna, Museo di S. Petronio, Nr. 50; Lotz 1953-1956, 224,
Anm. 81 a.
51 Giovannoni 1959, 285.
51a s. eine Skala des römischen Maßsystems auf S. 179.

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