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rechteckige Streifen zerlegt und mit kleinen Reihenhäusern
besetzt, die entweder über einen eigenen Eingang und eine
eigene Treppe verfügten oder aber über einen langen ge-
meinsamen Korridor und gemeinsame Treppen46a. Für
Lichthöfe wurde nur das absolute Minimum berechnet. Die
Länge der Räume schwankte zwischen etwa 3 m und
6,50 m.
Besonderer Wert wurde auf die Gestaltung der großen
Straßenkreuzungen wie der zwischen Via Ripetta und der
älteren Via Tor di Nona gelegt. Sangallo selbst scheint
gegen 1518/19 die Planung dieses Verkehrsknotenpunktes
übernommen zu haben. Die Via Ripetta durchschnitt ein
Grundstück, das von den Grafen von Mirandola an die
Salviati gelangt war und nun um 1518/19 an bauwillige
Interessenten veräußert wurde47 ( F. 187a-c). Die südwest-
liche Ecke des Grundstücks ging an den päpstlichen Leib-
arzt Ferdinande Balami, die nordwestliche an Aldobrandino
Orsini, Erzbischof von Nicosia, der an dem benachbarten
Platz schon vor 1514 einen Palast besessen hatte48. Balami
ließ vor 1526, wenn nicht von Sangallo selbst, so doch von
einem Sangallo nahestehenden Architekten einen Palast
errichten; Aldobrandino Orsini und sein westlicher Nach-
bar, vielleicht Baldassarre Turini da Pescia, beauftragten
Sangallo zumindest mit Entwürfen für neue Paläste, die sich
erhalten haben. Sangallos Pläne und der Pal. Balami-Galit-
zin vermitteln eine lebendige Vorstellung davon, wie sich
Sangallo die Gestaltung der Kreuzung dachte. Der spitze
Winkel des Balamigrundstückes zwischen Via Ripetta und
Via Tor di Nona wurde abgeschrägt und in eine von Eck-
bossen eingefaßte Schauseite mit Brunnenbecken ver-
wandelt - urbanistisch vergleichbar Sangallos „Imagine del
Ponte“ von 1524 (T.186e). Das gegenüberliegende neue
Orsinigrundstück wurde entsprechend beschnitten, so daß
eine breite Verbindung zwischen Via Ripetta und Piazza
Nicosia zustande kam. Eigenartigerweise beauftragte Or-
sini den Architekten nicht mit einer beide Grundstücke
umfassenden Neuplanung. Wahrscheinlich erhielt er nicht
die Erlaubnis, die „via antiqua tendente ad populum“, die
spätere Via Leccosa, die den alten Palast vom neuen Grund-
stück trennte, in sein Projekt miteinzubeziehen. Sangallos
Entwurf UA1004 paßt sich völlig dem alten Grundstück
zwischen Platz und Tiber an und rechnet mit einer regel-
mäßigen Fassade von sieben Jochen, deren Erdgeschoß sich
wie im Pal. Balami in Bottegen auf den Platz öffnet49
(T. 187b). Auf UA996 hält Sangallo die nördliche Straßen-
46a Frommei 1967/68,20; s. auch Tomei 1938.
47 Corvisieri 1878, 116, Anm. 1.
48 Gnoli 1939, 188.
49 Giovannoni 1959, 288 f.

flucht der anschließenden Via Tor di Nona vor dem Umbau
fest50 (T. 187c). Die Straße besitzt lediglich eine Breite von
etwa 6 m und wird von Stallungen der Salviati, verschiede-
nen kleinen Häusern und einem diagonal gestellten Turm
eingefaßt. Auf UA997 schlägt Sangallo nun vor, die Straßen-
mündung der Via Tor di Nona bis auf 10,35 m zu verbreitern
und damit wiederum einen fließenden Übergang zwischen
Platz und Straße zu schaffen - ähnlich wie wir dies schon an
der Via Alessandrina beobachten konnten51 (T. 187 a). Die
kleinen Gebäude sollen durch stattliche Palazzetti von je etwa
28 m Fassadenbreite ersetzt werden, die wohl die Gliede-
rung des Pal. Orsini unmittelbar weitergeführt hätten.
Sangallos Projekte für Piazza Nicosia zeugen gewiß nicht
von besonderem Einfallsreichtum. Sie veranschaulichen je-
doch, wie detailliert man bei der Trassierung der Ripetta
und ihrer Querstraßen zu Werke ging, wie sehr man sich um
eine organische Erschließung der römischen Altstadt be-
mühte und wie man alte und neue Teile nahtlos miteinander
zu verbinden wußte. Trotz aller Veränderungen behielt die
Piazza Nicosia ihren unregelmäßigen Zuschnitt; ja, die Ver-
breiterung der beiden Straßenmündungen bedeutete letzt-
lich ein weiteres Abweichen von der starren Symmetrie des
rechten Winkels.
Die zweite große Kreuzung der Via Ripetta, die Kreu-
zung mit Via dei Coronari, scheint schon um 1516/17 er-
weitert worden zu sein. Jedenfalls fällt auf, daß Sangallos
Entwurf UA1298 für den Pal. Baldassini den Beginn der
heutigen Via delle Coppelle bereits um etwa 2,20 m breiter
veranschlagt als von der Fassade an östlich (T. 146). Eine
ähnliche Breite erhielt das Verbindungsstück zwischen Via
Ripetta (della Scrofa) und Piazza S.Agostino. Es ist das
gleiche Prinzip wie bei der Regulierung der Piazza Nicosia,
mit dem Unterschied allerdings, daß die Westecke des Pal.
Baldassini wie die Ostecke des gleichzeitigen Pal. dell’
Aquila aus der Straßenflucht herausgerückt ist, um von der
Kreuzung aus sichtbar zu sein und die Kreuzung zu über-
blicken. Auch hier handelt es sich wohl um einen bewußten
Beitrag zur Visualisierung des Stadtbildes.
50 loc.cit.
51 loc.cit.; Giovannonis Datierung von UA 997 in das Pontifikat
Pauls III. läßt sich durch die Trassierung der Via Condotti nach
1534 kaum hinreichend begründen. Sowohl stilistisch als auch
urbanistisch gehört dieser Entwurf mit dem Pal. Galitzin-Balami
und dem Entwurf UA 1004 für den Pal. Orsini eng zusammen.
Falls tatsächlich Baldassarre Turini der Auftraggeber war, hätte
er dieses Projekt kurz vor dem Beginn seiner Villa auf dem Giani-
colo (uml520) wieder fallen gelassen (s. unten S. 113ff.). Stilistisch
wie typologisch führt der Grundriß Motive des Pal. Baldassini
(1516ff.) weiter und steht etwa auf der gleichen Stufe wie der Ent-
wurf UA 1280 für den Pal. Ferratini in Amelia (s. unten S. 125)
(T.168f.).

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