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Fassade dafür in Kauf. Im ausgeführten Bau konnte diese
Asymmetrie nur dadurch vermieden werden, daß Angelo
Massimo seinem Bruder eine Ecke seines Besitzes abtrat und
daß Peruzzi den stumpfen Winkel zwischen den beiden
Grundstücken durch die berühmte Fassadenkrümmung
überwand. Auch hier, im bescheideneren Bereich des patri-
zischen Palastbaus, wurde also alles unternommen, Stras-
senfluchten und -Achsen durch neue und grandiose Motive
wie die konvexe Biegung oder den Doppelsäulenportikus
zu bereichern. Vor der Wahl, die Fassade symmetrisch zu
gestalten oder auf die Achse der gegenüberliegenden
Straße Rücksicht zu nehmen, entschied man sich zunächst
für den übergeordneten urbanistischen Zusammenhang mit
der Straße, um dann im endgültigen Projekt beide Aspekte
virtuos zu vereinigen. Ebenso bezeichnend ist es dann wie-
der, daß die benachbarten Paläste der beiden jüngeren Brü-
der weder in den Geschoßhöhen noch im Gliederungs-
system oder in den Materialien auf Peruzzis Fassade abge-
stimmt wurden. Elätten sich nur zwei der Brüder zu einem
gemeinsamen Projekt zusammengetan, so hätten sie sich
einen imposanten Doppelpalast leisten können. Doch man
zog drei in sich eigenständige Palazzetti mit zierlicherer
Fassade und bescheidenerem Grundriß großartigen Ge-
samtprojekten vor.
Wesentlich eingreifendere urbanistische Veränderungen
brachte der Bau großer Kardinalspaläste wie des Pal. Far-
nese mit sich (T.38,47a). Schon um 1515, als die südöst-
lichen Seitenstraßen der Via Giulia begradigt wurden,
scheint man den Neubau des Farnesepalastes berücksichtigt
zu haben: Die Via dei Farnesi und die parallele Via del
Mascherone erreichen als einzige Seitenstraßen nahezu die
Breite der Via Giulia. Ihre geradlinige Verlängerung mün-
det auf die Piazza della Cancelleria bzw. den Campo dei
Fiori, beides wichtige Zentren der römischen Altstadt. Von
Fra Mariano da Firenze wissen wir, daß der neue Palast um
1517 axial auf die Via dei Baullari ausgerichtet wurde -
ähnlich wie die Cancelleria auf die Verbindungsstraße zur
Piazza Teatro di Pompeo. Vielleicht wurde die Straße über-
haupt erst bei dieser Gelegenheit bis an das Portal des Pal.
Farnese herangeführt57. Allerdings scheint es nicht möglich
gewesen zu sein, die ganze Straße in genaue Parallele zu den
beiden neuen Seitenstraßen der Via Giulia zu bringen. Zwar
dient der Portalrisalit des Palastes noch heute der Via dei
Baullari als Blickfang; doch ihre Achse stimmt nicht mit der
Tiefenachse des Palastes überein. Wahrscheinlich war dies
nur bei jenem letzten Stück möglich, das dann nach 1534 in
der Piazza Farnese aufging. Wurde die Rückseite des Far-
nesebesitzes von der Via Giulia begrenzt, so richtete sich
57 Gnoli 1939, 33.

die Fassadenflucht nach der Via Arenula - jener Verlänge-
rung der Via dei Banchi Vecchi, die die kommerzielle „City“
mit dem Viertel um Piazza Giudia verband. Daß die Via
Arenula vom Pal. Farnese an südwärts geradlinig verläuft
(Vicolo dei Venti, Via Capo di Ferro), verdankte sie eben-
falls einer Regulierung jener Jahrzehnte58. So gelang es
Kardinal Alessandro Farnese und seinem Architekten,
A.da Sangallo d.J., mitten in der römischen Altstadt ein
nahezu rechtwinkliges Koordinatensystem für den neuen
Palast zu schaffen, wie es Sangallos Denken in durchlaufen-
den Achsen besonders entgegen kam. Auch hierin steht der
Pal. Farnese in unmittelbarer Nachfolge von Bramantes
Justizpalast.
Wahrscheinlich wurde auch von Anfang an die Möglich-
keit eines Platzes vor dem Palaste in Erwägung gezogen
und vorbereitet. Als gegen 1521/22 der Palast des Francesco
da Norcia entstand, wurde er so placiert, daß er weder von
der Freilegung der Piazza Farnese (1535 ff.) noch von der
wenig späteren Verbreiterung der Via dei Baullari ange-
tastet wurde, sondern von Anfang an die nordöstliche
Flucht des neuen Platzes schmückte. Schließlich war ein
Platz vor Kardinalspalästen keine Seltenheit, wie der Pal.
dei Penitenzieri, die Cancelleria oder der Pal. Fieschi zeigen.
Den lautesten Protest löste Paul III. aus, als er 1541 die
Mündung der Via di Monserrato verbreitern wollte, um
- wie es in einem zeitgenössischen Bericht heißt - vom Eck-
fenster die Straße hinabblicken zu können. Es ist eine ähn-
liche Maßnahme, wie wir sie schon im Verhältnis des Pal.
Baldassini zur Via delle Coppelle kennen lernten: Die Straße
soll vom Palast aus überschaubar sein; und genauso soll die
rustizierte Palastecke als Blickfang für die Straße dienen.
Welchen Wert man auf weite Aussicht legte, demonstrierte
Paul III., als er 1548 einige Häuser abreißen ließ, die den
Blick auf die relativ entfernte Piazza Navona verstellten.
Leider ist den Quellen nicht zu entnehmen, ob die Pfla-
sterung des Platzes im Jahre 1544 bereits jenes Dreistrahl-
muster einschloß, das auf Letarouillys Aufnahmen zu sehen
ist. Ein vergleichbares Dreistrahlmuster befand sich im Hof
von Raffaels Pal. dell’ Aquila und sollte dort zweifellos den
Standort und die Blickrichtung des Betrachters beeinflussen
(T. 9 a). Ähnliche Absichten scheint man mit dem Dreistrahl
der Piazza Farnese verfolgt zu haben. Einmal schuf er Leit-
linien für die Besucher des Palastes wie für den Durchgangs-
verkehr von Via dei Baullari zu den beiden Seitenstraßen
der Via Giulia; und zum andern wies sein kreisförmiger
Scheitel dem Betrachter einen Standort zur Betrachtung der
58 s. Bd. II, 62, Dok. 2.; 1526 wird die Via Arenula vom Pal. Farnese
bis zur Insel der Capodiferro begradigt.

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