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vor 1525. Der ganze Glanz des Pal. Spada ist ausschließlich
Mazzonis dekorativem Genie zu danken, der in den Nischen-
figuren, Festons, Friesen und gemalten Paneelen den Reich-
tum des Pal. dell’Aquila mit der antiquarischen Gelehrsam-
keit der drei Höfe des Pal. Valle zu vereinigen verstand.
Vom gleichen Architekten, vielleicht jenem Giulio
Merisi da Caravaggio, den Totti in seiner Guida von 1638
vorschlägt, mag auch der einheitlichere Pal.Torres-Lance-
lotti an Piazza Navona stammen (um 1550), dessen Detail
mit dem des Pal. Spada nahezu identisch ist (T. 193). Nanni
di Baccio Bigios Pal. Mattei-Paganica steht der Tradition
des Pal. A. Massimo noch näher79 (T. 176). Im komplexen
Halbsäulenportal wird allerdings bereits ein erster Einfluß
von Michelangelos Laurenziana spürbar, in den Säulen-
arkaden der Eingangsloggia sogar eine deutliche Vernach-
lässigung des tektonischen Prinzips der Hochrenaissance.
Weder Sangallo noch Mangone, Merisi oder Nanni
konnten der Architektur im Pontifikat Pauls III. neue
Impulse geben; keiner von ihnen erreichte das Niveau der
Zeit vor 1527 oder des Pal. Massimo alle Colonne. Erst nach
Sangallos Tod im Herbst 1546 veränderten Michelangelo,
Vignola, Ammanati und Pirro Ligorio die römische Szene.
Doch bezeichnenderweise führten sie nicht den trockenen
Stil Sangallos und seiner Nachfolger weiter, sondern
knüpften in Bauten wie den kapitolinischen Palästen, der
Villa Giulia oder dem Casino di Pio Quarto deutlich an den
Bauten Bramantes, Raffaels, Giulios und Peruzzis an.
Während Vignola und Ligorio nur geringfügig über das
Formenrepertoire der Hochrenaissance hinausgingen, ge-
wann Michelangelos unkonventionelle Erfindungskraft
bald die Überhand. Doch weder Michelangelo noch Vigno-
la schufen neue Palasttypen, die sich gegen die rationalen
und bewährten Typen Sangallos und seines Umkreises hät-
ten durchsetzen können. So finden wir seit dem Auftreten
Giacomo della Portas eine Verbindung sangallesker Typen
mit michelangeleskem Detail (Pal. Marescotti, Pal. Mattei di
Giove, Pal. Chigi), die, von wenigen Ausnahmen abge-
sehen, den weiteren römischen Palastbau bestimmen sollte.
Die eigentlichen Erben Bramantes und Raffaels finden sich
nicht in Rom und Floienz, sondern in Oberitalien, wo
Giulio in Mantua, Sanmicheli in Verona, Sansovino in
Venedig und Palladio in Vicenza die Ideen der römischen
Hochrenaissance auf höchstem Niveau weiterführten.
79 C. Marchetti-Longhi, II Calcario. Le contrade medioevali della
zona „in circo flaminio“, in: ArchStorRom 42 (1919), 497f.;
VasMil, VII, 552;Let., T. 113f.; s. auch die kotierte Aufnahme des
Portals aus dem 17. Jahrhundert (?) in der Albertina, Wien (Ital.
Arch. Rom, Nr. 1112) mit der Aufschrift: „Porta del Palazzo
Mattei inventione di Nani Bigio dalla parte di S.Bastianello de
mericari (?) in Roma“ (T. 176c).

Wir haben im Laufe dieses Kapitels wie schon im Titel
des gesamten Buches an dem Stilbegriff „Hochrenaissance“
festgehalten, ja haben ihn sogar auf die gesamte Epoche
zwischen 1500 und 1550 ausgedehnt. So stellt sich die
Frage: Sind wir angesichts der ständig fortschreitenden
Entwicklung, angesichts der Überlagerung verschiedener
Personalstile und angesichts der Vielfalt der Formen und
Individuen überhaupt berechtigt, einen übergreifenden
Stilbegriff wie den der Hochrenaissance zu verwenden?
Haben wir es dabei lediglich mit einer Zeitspanne zwischen
anderen zu tun, oder birgt dieser traditionelle Begriff noch
einen Sinn? Läßt sich überhaupt ein überindividueller Zeit-
stil beobachten? Können wir wie in der Malerei eine
„manieristische“ Phase von einer „klassisch-normativen“
unterscheiden?
Sicherlich wäre es verfehlt, die Veränderungen unserer
Jahrhunderthälfte im Sinne einer konsequenten Evolution
zu verstehen. Bramantes Auftauchen um 1499 schafft eine
plötzliche Zäsur, doch Bramantes weitere Entwicklung bis
1514 läßt sich kaum erkennen. Raffael beginnt bei Bramante
und findet schon nach zwei bis drei Jahren einen eigenen
Stil, der nach weiteren vier Jahren mit seinem Tod abrupt
abbricht. So läßt sich auch bei Raffael schwerlichreine kon-
sequente Evolution feststellen, es sei denn sein stets erfolg-
reicheres Bemühen um die Nachahmung der antiken Vor-
bilder. Andererseits bieten gerade seine Spätwerke den An-
satzpunkt für Giulios antinormative Tendenzen. Giulio
bedient sich des antikischen Vokabulars seines Lehrers
Raffael, doch er verändert und verunklärt seine Grammatik.
Seine Eigenwilligkeiten sind zwar völlig originell; doch sie
entsprechen zeitlich genau dem Beginn des Manierismus in
der Malerei und den antinormativen Tendenzen in Michel-
angelos Florentiner Architekturen; sie finden bei Peruzzi
und Sangallo ein unmittelbares Echo, doch dieser Einfluß
verliert sich bald nach Giulios Abreise im Herbst 1524.
Danach bleibt einmal das Erbe Bramantes und Raffaels und
zum anderen eine größere Bereitschaft zum Capriccio, zu
eigenwilligen Freiheiten als vor 1520. Die menschlich-
existentiellen Voraussetzungen für eine „antiklassische“
Phase der römischen Architektur wurden bei den meisten
römischen Künstlern erst durch den Sacco di Roma ge-
schaffen. Doch wie gegensätzlich sind die Resultate!
Während Peruzzi eine nahezu dissonante Spannung des
Systems mit einem nahezu klassizistisch glanzvollen und
antikischen Detail und einer durch und durch tektonischen
Gesinnung verbindet, schwankt Sangallo zwischen wenig
überzeugenden Exzentrismen, trockener Abstraktion und
einem aufs Detail konzentrierten Vitruvianismus und findet
damit eine zahlreiche Nachfolgerschaft. Peruzzis Pal. Mas-
simo und Sangallos Haus in Via Giulia sind trotz ähnlicher

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