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Lage hoch über den Dächern der Stadt machte es zu einem
villenartigen Aufenthaltsort, der weite Aussicht und Küh-
lung vor sommerlicher Hitze gewährte200. Sangallos Torre
del Monte von ca. 1518/20 darf als Musterbeispiel solch
einer Umformung des mittelalterlichen Eckturms in Form
und Funktion der Hochrenaissance gelten (T. 178). Noch
heute besitzen einige Renaissancepaläste solche Aufbauten.
Allerdings läßt sich deren Entstehungszeit nur selten genau
bestimmen: Da sie von den engen Straßen aus kaum zu
sehen waren, wurden sie häufig mit geringem architek-
tonischem Aufwand und ohne Rücksicht auf die Fassade
aufgestockt. Selbst im Falle der Farnesina oder des Pal.
dell’Aquila ist nicht zu entscheiden, ob ihre für die Mitte
des 16. Jahrhunderts belegten Aufbauten nicht erst nach-
träglich hinzugefügt wurden. Bauten wie der Pal. Alberini,
wo die Belvedereloggia über dem Kranzgesims einen
integralen Bestandteil des Außenbaus darstellt, bleiben die
Ausnahme. Dabei dürften die Tradition des turmartigen
Belvederes und die Tradition jener Quattrocentopaläste,
deren Obergeschoß sich wie im Pal. Guadagni in einer
Loggia öffnete, eine Verbindung eingegangen sein. Das
Belvedere in Gestalt eines loggienartigen Aussichtsturmes
wurde lediglich in der zweiten Jahrhunderthälfte (Sapien-
za, Pal. Fieschi), vor allem aber im Villenbau (Villa Medici,
Montalto, Doria Pamphili) zu einem vollgültigen Bestand-
teil des architektonischen Organismus entwickelt.
32. DIE INNENDISPOSITION ALS ORGANISMUS
Die typologische Untersuchung der Innendisposition
des römischen Hochrenaissancepalastes zeigte, daß das
200 C. Eiling, Function and form of the roman Belvedere, Kopen-
hagen 1950.

Grundschema eines Wohnorganismus mit Andito -
Hof - Treppe - Sala Prima - Sala Seconda - Camera -
Kapelle - Studiolo - Tinello - Küche - Gästeappartement
- Dienerschaftswohnung - Stallungen etc. vom spät-
mittelalterlichen oder zumindest quattrocentesken Palast
übernommen wurde. Die Neuerungen lagen weniger in
seiner grundsätzlichen Veränderung als in seiner Erwei-
terung, in größerem Wohnkomfort, in Regularisierung
und Visualisierung. Als Erweiterung dürfen nicht die ab-
soluten Dimensionen, sondern die Einbürgerung den Kom-
fort fördernder Räumlichkeiten wie Galerie, Badezimmer,
Einzeltoilette, Wasserreservoir oder Ballspielplatz gelten.
Die größere Wohnlichkeit äußert sich in ausgewogeneren
Verhältnissen, verbesserter Belichtung, Lüftung und
Heizung, bequemeren Treppen sowie der wachsenden
Bedeutung der Innenausstattung mit kostbaren Fußböden,
Tapeten, Teppichen, Kassettendecken, Fresken, Stuck-
friesen, Statuen und Mobiliar. Den bedeutendsten Beitrag
der Hochrenaissance stellen jedoch die Regularisierung und
Visualisierung des gesamten Palastorganismus dar. Ab-
gesehen von einigen altertümlichen Bauten aus der Zeit
vor 1515 sind sämtliche hier behandelten Paläste schon im
Grundriß als Erfindungen des 16. Jahrhunderts zu erken-
nen: Klare Achsen steuern die Bewegung des Besuchers
vom ersten Eintreten bis hin zur Sala Grande und weiter
zur Enfilade der intimeren Nebengemächer. Diese axial
gesteuerte Bewegung vollzieht sich nicht auf abstrakten Ko-
ordinaten, sondern innerhalb symmetrischer Prospekte:
von der Fassade zum Hof, von der Eingangsloggia zur
Treppenmündung und von der oberen Hofloggia zur
Sala Grande mit ihrem Mittelbalkon und ihrer Aussicht
auf Platz und Straße. Regularisierung und Versinnlichung
des Bauorganismus sind aber beides Neuerungen, die die
römische Hochrenaissancearchitektur vor allem ihrem
Begründer Bramante zu verdanken hat.

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